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Verfahrenstechnik Biokraftstoffe und Dichtungen

Die Grafik zeigt, wie sich die Zugfestigkeit der Dichtungswerkstoffe in E10 bei 20 °C, 40 °C und 70 °C verändert.

Bild: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)
01.09.2016

Bioethanol und Biodiesel in Kraftstoffen und Heizöl können deren Kohlendioxid-Emissionen mindern. Wie beständig jedoch Dichtungswerkstoffe unter dem Einfluss der biogenen Beimischungen sind, wurde in einem Forschungsprojekt untersucht.

Der Verbrauch von Kraftstoffen trägt wesentlich zur Emission von Kohlendioxid in die Erdatmosphäre bei. Die verstärkte Nutzung regenerativer Energiequellen kann einen Beitrag dazu leisten, diese Emissionen zu vermindern. In Deutschland werden beispielsweise Biodiesel und Bioethanol als Beimischungen zu Kraftstoffen und Heizöl eingesetzt. Anfang 2011 wurde der Kraftstoff E10 eingeführt, der einen Bioethanolanteil von bis zu zehn Volumenprozent bezogen auf den Energiegehalt enthält. Damit hat die Bundesregierung das EU-Recht in der 2009 geänderten Richtlinie 98/70/EG, die Vereinbarung in ihrem Koalitionsvertrag sowie ihre Biokraftstoffstrategie umgesetzt.

Zusätzlich zu Bioethanol gibt es noch den sogenannten Biodiesel, auch Fame genannt (englisch: Fatty Acid Methyl Ester), der durch Umesterung pflanzlicher und tierischer Fette und Öle, in Deutschland aus Raps, mit einwertigen Alkoholen gewonnen wird. Biodiesel wird als Reinkomponente oder als Zusatzkomponente zu Dieselkraftstoff und Heizöl eingesetzt. Im Jahr 2013 erreichte Biodiesel einen Anteil von rund 6 Prozent am deutschen Dieselmarkt, dem mit etwa 34 Mio. t pro Jahr größten Dieselkraftstoffmarkt in der Europäischen Union. Im Jahr 2014 stieg die Biodieselproduktion in Deutschland auf 3 Mio. t.

Mit der verstärkten Verwendung bioethanol- und biodieselhaltiger Kraftstoffe und Heizöl stellt sich die Frage nach der Beständigkeit der handelsüblichen Behälter- und Dichtungswerkstoffe, denn es handelt sich um sicherheitsrelevante Bauteile. Bei Dichtungswerkstoffen ebenso wie bei Elastomeren können die Biokraftstoffe grundsätzlich eine Änderung des Volumens und der physikalischen Eigenschaften bewirken. Die Verträglichkeit von Elastomer und Kontaktmedium richtet sich nach der Polarität, Stoffe mit gleicher Polarität haben eine hohe Affinität und lösen einander. Biokraftstoffe bestehen sowohl aus polaren als auch aus unpolaren Komponenten, sodass ein Dichtungswerkstoff gegen beide Polaritäten resistent sein muss.

Kraft- und Werkstoffe im Test

In einem Forschungsprojekt wurde die Schädigung der häufig verwendeten Dichtungswerkstoffe in Biodiesel (ungealtert und zwei Jahre gealtert), E10, E85, Super, Dieselkraftstoff und Heizöl B10 (ungealtert und ein Jahr gealtert) im Vergleich zu reinem Dieselkraftstoff und Superplus ohne biogene Zusätze untersucht. Die dazu verwendeten Dichtungswerkstoffe waren: Fluorkautschuk (FKM), Fluorsilikonkautschuk (FVMQ), Silikonkautschuk (VMQ), Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM), Chloropren-Kautschuk (CR), chlorsulfoniertes Polyethylen (CSM), Butylkautschuk (IIR), Polyamid (PA), Polyesterurethankautschuk (PUR) und Butadien-Acrylnitril-Kautschuk (NBR).

Masse, Zugfestigkeit und Reißdehnung von Zugprüfkörpern aus den Dichtungswerkstoffen wurden vor und nach der 84-tägigen Auslagerung in den Kraftstoffen und B10 bei 20 °C, 40 °C und 70 °C bestimmt. Die visuelle Betrachtung der Prüfkörper aus einigen Elastomeren zeigte eindeutig die starke Volumenzunahme bis zum Bruch oder der teilweisen Auflösung. Die Shore-Härte A und für PA die Shore-Härte D wurden vor und nach der 42-tägigen Auslagerung der Härteprüfkörper in den ausgewählten Kraftstoffen gemessen.

Für die Bewertung der Beständigkeit wurde ein Grenzwert von 15 Prozent der Reduzierung der Zugeigenschaften und der Shore-Härte zugrunde gelegt, da ein derartiger Grenzwert in bestehenden Normen und Regelwerkstoffen fehlt.

Versuchsergebnisse

Ottokraftstoff mit bis zu 10 Prozent Etha­nol (E10): Der Kontakt mit dem Lösungsmittel Ethanol beeinflusst neben der Quellung ebenfalls die Zugeigenschaften und die Härte der Prüfkörper. In dem Diagramm der obenstehenden Abbildung, das die Änderung der Zugfestigkeit darstellt, ist folgendes erkennbar: Die Dichtungswerkstoffe FKM, EPDM, NBR, VMQ, FMVQ, CSM und PA sind bei 20 °C beständig, FKM, EPDM, VMQ, FVMQ und PA auch bei 40 °C, aber keiner der Werkstoffe ist bei 70 °C beständig. In E85 sind die Dichtungswerkstoffe FVMQ, VMQ und PA bei 20 °C und 40 °C als beständig zu bewerten. Bei 70 °C ist keiner der untersuchten Dichtungswerkstoffe beständig. Selbst das Fluorpolymer FKM verlor in E85 über 20 Prozent seiner Zugfestigkeit.

Biodiesel (Fame): Biodiesel enthält einen unterschiedlichen, aber hohen Anteil an Kohlenstoffdoppelbindungen und ist daher oxidationsfreudiger und thermisch instabiler im Vergleich zu den reinen Ottokraftstoffen. Bei der Autoxidation, Oxidation durch Luftsauerstoff, entstehen bevorzugt an den Doppelbindungen und anschließender Verbindung mit Sauerstoff Peroxidradikale. Eine Vielzahl von Verbindungen wie Aldehyde, Ketone, Alkohole und Säuren entstehen durch einen Kettenmechanismus, bei dem sich auch immer neue Radikale bilden. Quellung ist das Resultat der hohen Absorptionsrate der Elastomere CR, CSM, EPDM, IIR und NBR bis zu ihrer Auflösung in Biodiesel.

Der Grund für diese hohe Quellung liegt in dem polaren Charakter dieser Elastomere, wenn sie sich in Biodiesel mit seiner polaren Estergruppe auflösen. Die Massezunahme und damit die Quellung der Dichtungswerkstoffe sind in zwei Jahre gealtertem Biodiesel im Vergleich zum nicht gealterten Biodiesel stärker, siehe die oben stehende Abbildung. VMQ und PA können neben FKM als beständige Dichtungswerkstoffe in nicht gealtertem Biodiesel bei 40 °C bewertet werden. FKM ist bei 40 °C und 70 °C noch beständig in zwei Jahre gealtertem Biodiesel.

Heizöl B10: Die beständigsten Dichtungswerkstoffe in nicht gealtertem und in einem Jahr gealtertem B10 sind FKM und PA. Bedingt durch die starke Quellung verloren die Prüfkörper aus den Dichtungswerkstoffen CR, CSM, EPDM, IIR und NBR 80 bis 100 Prozent der Zugfestigkeit und auch Reißdehnung.

Super: Die Auslagerungsversuche bei 20 °C haben gezeigt, dass alle Dichtungswerkstoffe in Super mit bis zu 5 Prozent Ethanol beständig sind. Bei 70 °C ist FKM der beständigste Werkstoff in Super, während hingegen die Elastomere EPDM, NBR, CR und IIR sogar 100 Prozent ihrer Reißdehnung verloren.

Super Plus: FVMQ, FKM, NBR, VMQ, CR, IIR, PA und PUR sind in Super Plus ohne Ethanolzusatz bei 20 °C beständig. Bei 40 °C sind FKM, FVMQ, VMQ und PUR noch als beständige Werkstoffe einzustufen, während FKM und FVMQ bei 70 °C beständig sind. Der schädigende Einfluss von E10 auf die Dichtungswerkstoffe ist höher im Vergleich zu dem von Super Plus. Die prozentualen Werte der Änderung der Shore-Härte der Dichtungswerkstoffe nach Auslagerung in E10 und Super Plus bei 40 °C beweisen diese Aussage, siehe Abbildung oben.

Dieselkraftstoff: EPDM, NBR, VMQ, CSM, CR und IIR sind in reinem Dieselkraftstoff nicht beständig, während hingegen FKM, PA und PUR bei 20 °C und 40 °C jeweils als beständig bewertet wurden. Der schädigende Einfluss des Biodiesels auf die Dichtungswerkstoffe zeigte sich beim Vergleich der Messwerte für die Zugfestigkeit, Reißdehnung und Shore-Härte für Biodiesel mit denen für Dieselkraftstoff mit bis zu 5 Prozent Biodiesel.

Fluorpolymere beständig bis 70 °C

Zusammenfassend lässt sich aufgrund der Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen sagen, dass die Fluorpolymere FKM und FVMQ die beständigsten Dichtungswerkstoffe in Biokraftstoffen und Heizöl B10 im Temperaturbereich bis 70 °C sind. In E10 und E85 kann hingegen keiner der Dichtungswerkstoffe bei 70 °C als beständig bewertet werden. Diese Erkenntnisse können vielen unterschiedlichen Wirtschaftszweigen ein Innovationspotenzial bieten und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern.

Bildergalerie

  • Die Grafik verdeutlicht die Masseänderung der Dichtungswerkstoffe in zwei Jahre gealtertem Biodiesel.

    Die Grafik verdeutlicht die Masseänderung der Dichtungswerkstoffe in zwei Jahre gealtertem Biodiesel.

    Bild: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)

  • Die Grafik zeigt den Vergleich der Shore-Härte nach Auslagerung der Dichtungswerkstoffe in E10 und Super Plus bei 40 °C.

    Die Grafik zeigt den Vergleich der Shore-Härte nach Auslagerung der Dichtungswerkstoffe in E10 und Super Plus bei 40 °C.

    Bild: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)

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