Bosch pilotiert generative KI und Foundation Models in der Fertigung. Das Unternehmen startet jetzt in zwei deutschen Werken erste Projekte, bei denen generative KI synthetische Bilder erzeugt, um KI-Lösungen für die optische Inspektion zu entwickeln und zu skalieren oder bereits vorhandene KI-Modelle zu optimieren. Bosch geht davon aus, dass sich so die Zeit von Projektierung über Inbetriebnahme bis hin zum Hochlauf von KI-Anwendungen von derzeit sechs bis zwölf Monaten auf nur noch wenige Wochen reduziert. Nach erfolgreicher Pilotierung soll dieser Service zur Generierung synthetischer Daten allen Bosch-Standorten angeboten werden.
Denn KI rechnet sich: Je nach Werksgröße und Produktion lassen sich mit Hilfe von künstlicher Intelligenz Produktivitätszuwächse und Kosteneinsparungen von mehreren hunderttausend Euro bis hin zu niedrigen einstelligen Millionenbeträgen pro Jahr und Werk erzielen. „KI hat hohes Innovationspotential und kann die menschliche Arbeit noch produktiver machen. Als produzierendes Unternehmen, etablierter Fabrikausrüster und Taktgeber bei Industrie 4.0 will Bosch eine führende Rolle bei Entwicklung und Anwendung industrieller KI spielen“, erklärt Hartung.
Projekte liefern in der Praxis messbaren Mehrwert
Bosch-Pilotwerke setzen KI schon in der Produktionsplanung, -überwachung und -kontrolle ein. Im Werk in Hildesheim beispielsweise ließen sich beim Produktionshochlauf neuer Linien die Taktzeiten dank KI-basierter Datenanalyse um 15 Prozent verringern, im Werk in Stuttgart-Feuerbach wurden durch neue Algorithmen Prüfvorgänge von Komponenten von dreieinhalb Minuten auf drei Minuten reduziert.
„Mit generativer KI gehen wir jetzt den nächsten Schritt in der Evolution von künstlicher Intelligenz und hieven moderne Fertigungen auf ein neues Level“, sagt Bosch-Geschäftsführerin und Digitalchefin Tanja Rückert. Dabei vertraut Bosch auf eigenes Know-how: Entwickelt wurden die Softwaremodelle für generative KI in der Bosch-Forschung, ins Feld gebracht werden diese nun von den Bosch-Werken. Während das eine Werk synthetisch generierte Bilder nutzt, um damit Schweißungen von Kupferdrähten in der Elektromotorenfertigung zuverlässig KI-basiert zu prüfen, legt das andere Werk seinen Schwerpunkt auf die Qualitätssicherung von Hochdruckpumpen.
Neue Möglichkeiten durch generative KI
Jahrelang wurden Komponenten zur Kraftstoffeinspritzung im Feuerbacher Werk manuell kontrolliert. Aufgrund von Beschaffenheit und Komplexität der Produkte sowie Unterschieden im Aufbau der Fertigungslinien war weder eine regelbasierte noch eine KI-gestützte optische Inspektion möglich. Der neue Ansatz: eine skalierbare generative KI, die unterschiedliche Varianten eines Produkts und Fehlerbilder erkennt und verschiedene Anordnungen und Abfolgen im Produktionsprozess berücksichtigt.
Als Basis hat die Bosch-Forschung ein Foundation Model entwickelt, gespeist aus großen Datensätzen des Bosch-Fertigungsnetzwerks. Verfeinert und spezifiziert wird das Foundation Model für Anwendungen vor Ort mit synthetisch generierten Daten. So soll es gelingen, dass die KI selbständig die Komponenten prüft und nur noch „Zweifelsfälle“ Sichtprüfern vorgelegt werden. Im Werk in Hildesheim wurden synthetisch generierte Bilder bereits bei ersten Serienanlagen in der Elektromotorenfertigung erfolgreich zum Training eingesetzt. Mit dem menschlichen Auge sind die künstlich generierten Bilder nicht von realen Bildern zu unterscheiden. Das Werk geht davon aus, dass sich durch den neuen Ansatz die Projektlaufzeit um sechs Monate gegenüber konventionellen Verfahren verkürzt und sich Produktivitätssteigerungen in Höhe von sechsstelligen Euro-Beträgen pro Jahr ergeben. Eine Ausweitung des KI-Ansatzes auf weitere Bosch-Standorte ist geplant.
„Bei der Entwicklung von KI-Lösungen schöpfen wir aus dem Potential, das der Bosch-Fertigungsverbund mit rund 230 Werken bietet. Und wir nutzen neue Technologien. Generative KI hilft, vermeintliche Gegensätze in Einklang zu bringen: Individualisierung und Skalierung – beides zugleich wird mit dieser Technologie möglich“, so Rückert.
KI in Bosch-Werken weit verbreitet
Gemeinsam ist vielen Bosch-Werken: Sie sind nicht nur KI-Vorreiter, sondern setzen auch konsequent auf Industrie 4.0. „Bosch digitalisiert und vernetzt seit über zehn Jahren die eigenen Werke und die seiner Kunden. Jetzt kombinieren wir Industrie 4.0 mit künstlicher Intelligenz: Die vernetzte Produktion liefert Daten, die KI wertet sie aus“, erklärt Rückert. So werden Fehler frühzeitig erkannt, Ausfallzeiten von Maschinen auf ein Minimum reduziert, Ausschuss wird verringert, Energie zielgerichtet genutzt: „Durch den Einsatz von KI werden Fabriken effizienter, produktiver und umweltfreundlicher“, sagt Rückert.
Die Bosch-Forschung etwa hat ein KI-basiertes System entwickelt, das Anomalien und Störungen im Fertigungsprozess identifiziert und die Produktqualität erhöht. Die Software ist mittlerweile in rund 50 Bosch-Werken im Einsatz, über 2.000 Fertigungslinien sind angebunden. Auch bei der optischen Inspektion von Komponenten ist künstliche Intelligenz in Bosch-Werken weit verbreitet. Über 20 Werke nutzen dafür Bosch-Software wie Machine Vision AI. Die vom Bosch-Sondermaschinenbau entwickelte Lösung hilft dabei, schwer zu identifizierende Merkmale wie Kratzer und Ausbrüche in Oberflächen oder Defekte in Schweißnähten nachzuweisen.
Weltwirtschaftsforum zeichnet Bosch-Werke aus
Welche Effekte sich mit KI in der Fertigung erzielen lassen, veranschaulicht das Bosch-Werk in Bursa. Ausgehend von einem hohen technischen Know-how, ist es dem türkischen Werk gelungen, mit Hilfe von KI die Fertigungsqualität weiter zu verbessern: Der Wasserverbrauch wurde um 30 Prozent verringert, der Energiebedarf um sechs Prozent gesenkt, der Ausschuss um neun Prozent gemindert und zugleich die Anlageneffektivität um nahezu zehn Prozent erhöht.
Für seine Leistungen hat das Weltwirtschaftsforum (WEF) das Werk in Bursa in diesem Jahr als Industrie-4.0-Leuchtturm ausgezeichnet. Es ist die vierte Würdigung eines Bosch-Werkes durch das World Economic Forum – zum zweiten Mal speziell für Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz. Das zeigt: „KI ist von epochaler Bedeutung und wird die industrielle Produktion grundlegend verändern – zum Besseren“, so Rückert.