Hirn-Schnittstellen sind nicht sicher und müssen besser geschützt werden. Eine solche möchte zum Beispiel Elon Musk mit „Neuralink“ schaffen und damit die Telepathie von Mensch zu Mensch anzapfen und abhören – Gott weiß wofür das gut sein soll. In 10 bis 15 Jahren, sagen Experten, wird der Touchscreen durch Brain-Interfaces zumindest ergänzt, wenn nicht abgelöst. Das Start-up Neurable hat auf der Siggraph-Konferenz gezeigt, dass sein Gehirn-Computer-Interface schnell und genau genug ist, um Spiele in virtueller Realität (VR) zu spielen. Der in den USA erhältliche, drahtlose Kopfhörer Epoc+ der Firma Emotiv erkennt über Elektroden die Gedankenströme von Menschen, indem er die Spannungsänderungen in der äußeren Hirnschicht misst.
Dem Ansatz liegt übrigens die Elektroenzephalographie (EEG) zugrunde. Schon vor zehn Jahren gab es einen Epoc-Helm von derselben Firma, mit dem – wie die Zeitungen entsetzt schrieben – angeblich auch schon Gedanken ausgelesen werden konnten. Doch so einfach ist das nicht. Man kann EEG-Signalen nicht unmittelbar entnehmen, was eine Person denkt oder tut. Die Si-
gnale sind zunächst relativ undefiniert. Aber nach Trainings, auch wenn sie ohne Einwilligung geschehen, lassen sich Rückschlüsse ziehen. Vorläufig freilich alles andere als perfekt.
Doch das Verfahren erhöht die Chancen, eine vierstellige numerische PIN zu erraten, von 1:10.000 auf 1:20. Die Wahrscheinlichkeit, ein sechsstelliges Passwort zu erraten, wird in etwa um das 500.000-fache auf 1:500 erhöht. Das Gerät wird außerdem in der Forschung und Medizin für Aufgaben wie die Steuerung von Robotern und die Diagnose von Gehirnerschütterungen eingesetzt oder als Gamecontroller an Konsumenten verkauft, zum Beispiel unter dem Werbemotto „VR mit dem Verstand steuern“. Produzenten entwickeln derzeit eine Vielzahl von neuen und aufregenden Möglichkeiten, auch künstlerische. Das Braininterface soll außerdem behinderten Menschen irgendwann einmal sensationell das Leben erleichtern, beispielsweise bei der Steuerung eines elektrischen Rollstuhls, dem Eingeben von Texten oder der Teilnahme an Spielen. Erforscht werden außerdem Hirnschrittmacher gegen Krankheiten wie Parkinson und Neuroimplantate, die bei Alzheimer-Patienten eingesetzt werden. Was natürlich die Frage aufwirft, was geschieht, wenn diese gehackt werden.
Wer jedoch fast genauso sehnsüchtig auf derartige Gedankenleser wartet, sind die Werber und die Marktforscher. Das Neuromarketing wäre ein Feedback mit anschließender Manipulationsmöglichkeit ganz nach deren Geschmack: Kaufanreize und Anzeigen, welchen die gegenwärtigen Emotionen des Adressaten zugrunde liegen. Das hätte ein hohes Missbrauchspotenzial!
Dokumente, die an eine australische Zeitung durchgesickert sind, zeigen, dass Facebook vor einiger Zeit wohl in Betracht gezogen hat, Anzeigen für Jugendliche auf der Grundlage von deren Emotionen zu platzieren. Bevor es soweit kommt, meine – nicht nur – ich, brauchen wir unbedingt neue rechtliche Rahmenbedingungen rund um die Neurotechnologie, darunter dringend ein Recht auf geistige Privatsphäre. Schweizer Wissenschaftler erweitern und präzisieren das; sie fordern das Recht auf kognitive Freiheit, auf mentale Privatsphäre, auf physische und psychische Unversehrtheit sowie auf psychologische Kontinuität. Dem wäre nichts hinzuzufügen, außer vielleicht die Frage: Ob das reicht? Und, wer hält sich daran?