Pharmawasser ist einer der wenigen Rohstoffe, die von den Pharmaunternehmen direkt vor Ort hergestellt werden. Es unterliegt strengen Bestimmungen, die im Europäischen Arzneibuch festgelegt sind. Die unterschiedlichen Wasserqualitäten von Purified (PW) über Highly Purified Water (HPW) bis hin zu Water for Injection (WFI) müssen zwingend aus Trinkwasser hergestellt werden. Die typischen Herstellverfahren sind die Umkehrosmose (PW, HPW) und die Destillation (WFI), in der Regel kombiniert mit weiteren Aufbereitungsstufen wie etwa Elektrodeionisation und Ultrafiltration. „Pharmawasser muss den höchsten Qualitätsanforderungen entsprechen, da es direkt für die Produktion eingesetzt wird“, sagt Ulrich Träger, Geschäftsführer der Werner GmbH, einem der führenden Anbieter von Rein- und Reinstwassersystemen. Würden diese nicht eingehalten, komme es zu kostenintensiven Betriebsunterbrechungen bis hin zum Verwurf ganzer Produktchargen. Neben der seit Jahren praktizierten und validierten chemischen Sanitisierung der Anlagen habe sich immer mehr die thermische Sanitisierung etabliert, so Träger. „Sie erfolgt in der Regel mit Heißwasser bei Temperaturen von über 80°C, wodurch bei ausreichender Temperaturhaltezeit eine absolut sichere Abtötung aller Mikroorganismen erfolgt.“ Als Vorteile nennt er die Reproduzierbarkeit durch den automatischen Ablauf der Prozedur bei gleichzeitiger Überwachung der Sanitisierungsparameter; die GMP-gerechte Dokumentation und Validierung durch Aufzeichnung des Zeit-/Temperaturprofils. Die chemische Sanitisierung komme in erster Linie bei preiswerteren Erzeugeranlagen zum Einsatz, die nicht aus Edelstahl, sondern aus Kunststoff gefertigt sind, sagt Stephan Stautmeister, Geschäftsführer von BWT Pharma & Biotech.
Aufheizen oder ozonieren?
Das gereinigte Wasser wird in der Regel in Tanks zwischengelagert und über eine Ringleitung zu den Verbrauchsstellen transportiert. „Die GMP-gerechte Erzeugungsanlage erfordert besonderes Augenmerk auf die Vorbehandlung und dabei besonders auf die mikrobiologisch kritische Enthärtungsanlage“, sagt Hans-Hermann Letzner, Geschäftsführer der Letzner Pharmawasseraufbereitung. Hohe Keimzahlen und die mögliche Anwesenheit von Leitkeimen nach der Enthärtung, zum Beispiel im Sommer, erforderten möglichst totraumfreie Komponenten aus Edelstahl, mit der Möglichkeit einer regelmäßigen Aufheizung auf 80 bis 95°C. „Die Wasserqualität im Versorgungsnetz mit dem Behälter wird bei prophylaktischer Aufheizung - viermal pro Jahr - auch ohne Ozonisierung leicht und absolut sicher erreicht, sogar in der Qualität HPW.“ Stautmeister befürwortet hingegen eine Kombination aus elektrolytisch erzeugtem Ozon und UV-Bestrahlung. „Sie bietet höchste mikrobiologische Sicherheit, optimalen Bedienkomfort und sehr günstige Betriebskosten.“ Der Vorteil sei der kontinuierliche Ozon-Überschuss im Lagerbehälter. „Dieser ist aufgrund der fehlenden Strömung das mikrobiologisch kritischste Bauteil im Lager- und Verteilsystem.“ Auch die sehr einfache und automatische Sanitisierung des Gesamtsystems bis zu den Entnahmestellen, und die Möglichkeit, die UV-Entkeimung bei Bedarf abzuschalten, habe sich bewährt. Wann muss eine noch funktionstüchtige Anlage ersetzt werden? „Zunächst stellt sich die Frage, ob sie noch dem Stand der Technik entspricht“, so Letzner. Die Betriebskosten, der Serviceaufwand und die Frage nach Ersatzteilen seien zu bewerten. Vor dieser Aufgabe stand vor einigen Jahren CSL Behring. Maik Drusel, zuständig für die Reinmedien im Werksteil Görzhausen: „Durch stetig steigende Produktionsaktivitäten ist auch der Bedarf an WFI gestiegen und wird weiter steigen. Neben dem Mehrbedarf sprachen technische Gründe für ein Upgrade.“ Zudem waren die Erzeugeranlagen zum Zeitpunkt des Upgrades fast voll ausgelastet. Ein längerer Ausfall hätte also direkte Auswirkungen auf die Produktionsbetriebe gehabt. Bei dem Upgrade der Reinmedienaufbereitung sei deshalb nicht nur Wert auf mehr Leistung gelegt worden, sondern auch darauf, diese auf mehrere Anlagen zu verteilen. Auch die Wirtschaftlichkeit sei berücksichtigt worden. „So wurde beispielsweise eine zusätzliche WFI-Destille installiert, die zwar teurer in der Anschaffung war, aber bedingt durch Bauart und Regelverhalten langfristig Energie und damit Kosten spart.“
Hohe Ausbeuten - aber nur wenige Neubauten
Höhere Effizienz ist auch aus Sicht der Anlagenhersteller ein wichtiges Verkaufsargument. „Im Werner Reject-System TSplus werden während der Betriebspausen sowohl das erzeugte Pharmawasser als auch alle Abwässer im Kreislauf geführt. Hierdurch erzielen Werner PW- bzw. HPW-Erzeugungsanlagen eine Abwasserreduzierung bis zu 50Prozent gegenüber herkömmlichen Anlagen“, so Träger. Zusammen mit anderen von Werner entwickelten Verbesserungen lasse sich so eine Anlagenausbeute von über 90Prozent erreichen. Diese Zahl nennen auch Letzner und BWT für ihre jeweiligen Produkte. Letzner sagt: „Durch den Einsatz einer Konzentratstufe wird das Abwasser über ein Modul geleitet und das gewonnene Permeat mit dem Trinkwasser gemischt.“ Beim Stillstand der Umkehrosmose, zum Beispiel am Wochenende, sorge das „Kohlensäure-Patent“ dafür, dass diese kein Wasser verbraucht. Als Innovationen von OsmoVision, dem neuesten System von BWT, nennt Stautmeister „den Abbau von Chlor im Rohwasser ohne die Dosierung von Chemikalien oder den Einsatz mikrobiologisch kritischer Aktivkohlefiltration, die Reduktion von CO 2aus dem Rohwasser ohne Einsatz von Natronlauge oder Membranentgasung sowie die patentierte kontinuierliche chemische Sanitisierung ohne den Einsatz von externen Chemikalien verbunden mit der standardmäßig sehr hohen Anlagenausbeute von bis zu 90Prozent.“ Ein allgemeiner Branchentrend sei der steigende Automatisierungsgrad und die damit verbundene Möglichkeit der flexiblen und verbrauchsgesteuerten Produktion zur optimalen Anlagenauslastung. Die Größe des europäischen Markts für Reinstwasser-/Reinstmediensysteme schätzt Letzner auf 100 bis 150Mio. Euro jährlich. Die Hälfte entfalle auf Neuanlagen und je ein Viertel auf Erweiterung/Ersatz und auf Wartung. Während er einen „leicht wachsenden“ Markt sieht, hält Stautmeister ihn für „bestenfalls stagnierend“: „Es werden kaum neue Kapazitäten aufgebaut. Der Großteil der Investitionen in Europa geht in Ersatzbeschaffungen, Umbauten und Erweiterungen mit dem Ziel von Effizienzsteigerungen und Verbesserung der Versorgungssicherheit.“