Fachbeitrag Chancen von Power-to-Gas bewerten

11.12.2012

Effiziente Speicher gelten als Schlüsseltechnologie der Energiewende. Mit der Power-to-Gas-Technologie steht erstmalig ein Langzeitspeicher für Strom zur Verfügung. Doch wie steht es mit der Wirtschaftlichkeit im konkreten Fall?

Von einem volkswirtschaftlichen oder ökologischen Standpunkt aus betrachtet, bestehen kaum Zweifel, dass es sich bei Power-to-Gas um eine vielversprechende Technologie handelt. Durchsetzen wird sie sich allerdings erst, wenn sie sich betriebswirtschaftlich als sinnvoll erweist. Unser Beitrag zeigt, wie auf der Grundlage eines techno-ökonomischen Planungsmodells mit Modellvarianten und Szenarienrechnungen die Chancen von Power-to-Gas individuell und unternehmensspezifisch evaluiert und klar quantifiziert werden können.

Einzelne Anlagen rechnen sich nicht

Genau betrachtet handelt es sich bei der Power-to-Gas-Technologie nicht um einen Speicher, sondern um eine Kuppel-kapazität zwischen Strom- und Gasmarkt, welche die Gasinfra-struktur als Stromspeicher erschließt - oder um eine "Gasproduktion mit stark variablen Gestehungskosten". So betrachtet ergibt sich ihr wirtschaftlicher Nutzen aus Arbitragegewinnen zwischen Strom- und Erdgasmarkt. Strom wird zu niedrigen Preisen eingekauft und zu Gas verarbeitet, das möglichst teuer verkauft wird. Hier wird schnell klar, dass ein Betrieb dieser Art in absehbarer Zeit nicht wirtschaftlich sein wird.

Kuhnhenne und Ecke errechnen für einen Erdgaspreis von 20 Euro/MWh einen Grenzstrompreis von ≤ 11,52 Euro/MWh. Bei diesem Preis kann eine Power-to-Gas-Anlage mit einem Wirkungsgrad von 64 Prozent gerade noch Strom beziehen, um einen positiven Deckungsbeitrag zu erzielen. Im Jahr 2011 war das nur für 106 Stunden an der Europäischen Energiebörse EEX der Fall. Sie verweisen auf zusätzliche positive Effekte im Querverbund durch den Gewinn an lastseitiger Flexibilität im Strommarkt, mögliche Abwärmenutzung, CO2-Einsparungen und Regelkapazität für das Gasnetz, beziehen diese Effekte jedoch nicht quantitativ in ihre Berechnungen ein [1].

Wie sähe aber die Rechnung aus, wenn man Portfolioeffekte einbezöge? Welche anderen Geschäftsmodelle jenseits des einfachen Arbitragemodells sind denkbar?

Für wen ist Power-to-Gas interessant?

Das technische Konzept, in einer Anlage aus "überschüssigem" Strom entweder Wasserstoff durch Elektrolyse oder ein Erdgasäquivalent durch Methanisierung zu gewinnen und diese Medien in großen Mengen oder im Fall der Methanisierung beinahe unbegrenzt speichern zu können, ist dort attraktiv, wo überschüssiger Strom zum wirtschaftlichen Risiko wird.

Netzbetreiber sind derzeit immer öfter gezwungen, die volatil einspeisenden erneuerbaren Energien in Zeiten hoher Produktion vom Netz zu nehmen, um die Netzsicherheit zu gewährleisten. Das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) schätzt, dass im Jahr 2011 auf diese Weise 150 GWh verloren gingen, und prognostiziert für 2030 1 TWh und für 2050 12 TWh an "Überschussstrom-mengen" [2]. Werden die Anlagen vom Netzbetreiber abgeschaltet, muss er dafür an die Betreiber Kompensationsleistungen zahlen. Im - für den Netzbetreiber - günstigsten Fall werden diese Kosten auf die Allgemeinheit umgelegt. Ist jedoch nachweisbar, dass er versäumt hat, seine Netze ausreichend auszubauen, muss er die Kosten selbst tragen. Mit Power-to-Gas-Anlagen ließe sich dieses Risiko entschärfen. Zudem würden zusätzliche Erlöse erwirtschaftet. Power-to-Gas könnte sich in dieser Weise zu einer Alternative zum Netzausbau entwickeln, zumal für Letzteren oft schwerwiegende gesellschaftliche Akzeptanzprobleme zu überwinden sind.

Power-to-Gas ist auch für Energieversorger oder große energie-erzeugende Industrieunternehmen interessant. In einem Portfolio aus unterschiedlichen Anlagen, Speichern, Bezugs- und Lieferverträgen sowie Erlöschancen in unterschiedlichen Märkten liegt der Wert einer Power-to-Gas-Anlage neben den Arbitragegeschäften in der zusätzlichen Flexibilität, die sich aus diesem Portfolio erschließt. Durch die Kopplung von Strom- und Gasnetz vervielfachen sich für die Betreiber solcher Anlagen die Handlungsoptionen. Wie lässt sich der Wert zusätzlicher Flexibilitäten in diesem komplexem Querverbundsystem bestimmen? Schließlich ist jedes Portfolio technisch und ökonomisch einzigartig ausgeprägt.

Komplexe Portfolios bewerten

Um im konkreten Fall eine fundierte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchführen zu können, bedarf es einer Methode, die individuelle technische und ökonomische Ausprägungen sowie unterschiedliche Marktchancen eines komplexen Querverbundes abbildet und dadurch eine quantitative Betrachtung auf Portfolioebene ermöglicht. Zudem sollte sie die Möglichkeit bieten, Unsicherheiten aus volatilen Preisen und langen Amortisationszeiten einzubeziehen.

Hierfür eignen sich modellgestützte mathematische Methoden, die die zukünftige Einsatz- und Vermarktungsplanung des Portfolios in den Mittelpunkt stellen. Dabei wird zunächst das gesamte bestehende Portfolio in einem techno-ökonomischen Modell abgebildet. Dieses Modell dient dazu, für gegebene oder angenommene Lasten und Preise den optimalen Einsatz sämtlicher Komponenten wie Erzeugungsanlagen, Verträge oder Speicher und den daraus resultierenden Deckungsbeitrag für einen definierten Zeithorizont zu bestimmen.

Von diesem Basismodell lassen sich Modellvarianten mit Power-to-Gas-Anlagen in unterschiedlichen Konstellationen und Ausprägungen ableiten, wobei im Vergleich zum Basismodell die Wirkung auf den erzielten Deckungsbeitrag beobachtet und genau quantifiziert werden kann. Verschiedene technische Konzepte und/oder Vermarktungsmöglichkeiten können auf diese Weise "durchgespielt" werden, wobei der Power-to-Gas-Anlage auch alternative Investments gegenübergestellt werden können.

Umgang mit Unsicherheiten

Zukünftige Preise und Lasten sind Quellen der Unsicherheit - insbesondere für Investitionsplanungen, die durch lange Amortisationszeiten geprägt sind. Um diese Unsicherheiten in die Investitionsplanung einzubeziehen, rechnet man Szenarien mit unterschiedlichen Preis- und Lastkombinationen. Daraus ergibt sich ein klarer Überblick über die Chancen, Risiken und Sensitivitäten des Portfolios in seinen verschiedenen Ausprägungen und somit eine fundierte Entscheidungsgrundlage.

So könnte sich beispielsweise ergeben, dass eine Power-to-Gas-Anlage den Deckungsbeitrag nur geringfügig beeinflusst, aber deutlich zur Risikominimierung im Portfolio beiträgt. Weitere Portfolioeffekte könnten durch das Angebot an Regelenergie und/oder Vermeidung von Ausgleichsenergiekosten erzielt werden. Besonders interessante Portfolios stellen Industrieunternehmen dar, die anfallende Wärme, Wasserstoff und/oder Sauerstoff in industriellen Verbundprozessen nutzen. Aber auch ein Portfolio mit vielen dezentralen Biogasanlagen zusammengeschlossen zu einem virtuellen Kraftwerk, könnte von angeschlossenen Power-to-Gas-Anlagen profitieren.

Im Allgemeinen sind Portfolioeffekte eher in größeren Portfolios wahrscheinlich. Für kleinere Unternehmen lohnt es sich daher, über Kooperationen im Bereich Power-to-Gas nachzudenken - sei es mit anderen Energieversorgern, Industrieunternehmen oder mit Netzbetreibern, mit denen man die gemeinsame Nutzung oder die Überlassung von "Überschussstrom" verhandeln könnte.

Wirtschaftlichkeit in Sichtweite

Auch wenn es in absehbarer Zeit kein einfaches Arbitrage-Geschäftsmodell für Power-to-Gas geben wird: Die Auseinandersetzung mit der Technologie lohnt sich. Bezieht man die vielfältigen, individuellen Portfolioeffekte in Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit ein, so zeichnet sich eine Vielzahl von innovativen Geschäftsmodellen und Kooperationskonzepten rund um das Thema Power-to-Gas ab, die erdacht, konzipiert, bewertet und schließlich in der realen Welt geprüft werden müssen.

Unternehmerische Kreativität und Weitblick sind hier gefragt. Klare Bewertungsmethoden helfen dabei, Chancen und Risiken neuer Konzepte individuell auszuloten und mit Unsicherheiten umzugehen.

Weitere Informationen

[1] Kuhnhenne, E.; Ecke, J.: "Power-to-Gas: Stromspeicher, Gasproduktion, Biomethan oder flexible Last?" ; DVGW Energie | Wasser-Praxis 7-8 (2011), S. 8-11

[2] Interview mit Prof. Dr. Jürgen Schmid ; ET - Energiewirtschaftliche Tagesfragen 6 (2012), S. 41-43

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