Quarzwerke ist ein mittelständisches Familienunternehmen mit über 140-jähriger Erfahrung in der Gewinnung, Aufbereitung und Veredelung von Industriemineralien. Die mittlerweile global agierenden Quarzwerke haben ihre Wurzeln in Frechen, westlich von Köln, wo 1884 der erste Standort des Traditionsunternehmens entstand. Das dortige Quarzsandvorkommen, das primär aus dem namensgebenden Mineral Quarz und damit aus Siliziumdioxid besteht, ist eines der bedeutendsten in Europa. Obwohl Siliziumdioxid sehr häufig vorkommt, ist es in der Reinheit von über 99 Prozent und Menge wie in Frechen sehr selten. Der Quarzsand dient als Rohstoff vor allem für die Glas- und die Gießerei-Industrie.
Die nötigen Prozesse, wie der Abbau, die Nassaufbereitung und die Trocknung, sind energieintensiv. Besonders teuer sind dabei die Lastspitzen. Deshalb entwickelte Manfred Schaffgans schon 2009 in Eigenregie ein erstes Spitzenlastmanagement, um den Stromverbrauch zu glätten. Er ist seit fast vier Jahrzehnten bei den Quarzwerken beschäftigt. Als verantwortliche Elektrofachkraft für den Standort leitet er die Instandhaltung und spezielle Projekte. Er beschreibt die Bemühungen, den Energieverbrauch zu regulieren: „Wir haben früh angefangen, weit bevor es Forderungen vom Gesetzgeber gab. Wir konnten durch Vergleichmäßigung von „Base to Peak“ unsere Spitze im ersten Schritt von 6,4 MW auf 5,2 MW senken. Inzwischen sind wir bei 4,5 MW.“ Einer dieser Schritte war die Entkopplung der beiden energieintensiven Prozesse Gewinnung und Nassaufbereitung. Früher musste das gleichzeitig passieren. Durch den Bau von Silos konnte man diese beiden Großverbraucher entkoppeln. „Wir können in einer Schicht die Gewinnung mit 1 MW laufen lassen. Danach läuft in der zweiten Schicht die Nassaufbereitung mit 1,3 MW. Ohne die Silos benötigten wir an die 2,5 MW Leistung“, erläutert Schaffgans.
Automatisierung, Messtechnik und erneuerbare Energien
Maßnahmen wie die Entkopplung sorgen zwar dafür, dass die teuren Lastspitzen entfallen - sie ändern aber nichts an dem prozessbedingt hohen Gesamtverbrauch an elektrischer Energie und Wärme mit einem entsprechenden CO2-Fußabdruck.
Mit dem vermehrten Einsatz an erneuerbaren Energien wird der Carbon-Footprint allerdings deutlich gesenkt. Ein wesentlicher Baustein in Frechen ist ein eigener PV-Park mit einer installierten Nennleistung von 6,5 MW Peak und ein Blockheizkraftwerk (BHKW) mit einer maximalen elektrischen Erzeugungsleistung von 2 MW. Während die Wärme zur Trocknung der Sande genutzt wird, fließt der parallel erzeugte Strom in die weiteren Anlagenprozesse. Dadurch ist das BHKW hocheffizient und optimiert damit schon seit langem den Carbon Footprint des Werkes.
Ein langjähriger Partner der Quarzwerke ist die Firma Atcom. Als Experte für industrielle Automatisierung begleitet sie die Weiterentwicklung der verschiedenen Standorte. Vor Kurzem hat der Messtechnikspezialist das Unternehmen übernommen. Er wird damit im Rahmen des Projektgeschäfts seinen Kunden einen noch besseren Service bieten. Mit dem Kauf wechselt auch Projektleiter Guido Müllers zu Janitza, der die Entwicklung begrüßt: „Janitza hat die Schwerpunkte Energie, Messtechnik, Lastmanagement und Monitoring. Die beiden Welten ergänzen sich gut. Beispielsweise bewirkt ein Lastmanagementsystem, dass eine Anlage ab- oder zugeschaltet wird. Da wir aus der Automatisierung kommen, sind wir für diese Arbeiten sehr gut geeignet. Wir kennen die Steuerungen des Kunden und programmieren entsprechend die Logikfunktionen, die Grenzwertüberwachung etc.“ Der 3-Schichtbetrieb im Werk Frechen wird von Montag bis Samstagmorgen von gerade einmal 30 Mitarbeitern bestritten. Außerdem können LKW-Fahrer am Samstag per Karte eine automatische Verladung starten. Das ist nur möglich, weil der Standort Frechen hochautomatisiert ist. Rund 40 SPS-Steuerungen, die größten mit bis zu 400 bis 500 EAs, sorgen für einen reibungslosen Betrieb. Für den Einstieg in einen klimaneutralen Betrieb ist deshalb ein profundes Wissen über die Anlagensteuerung unabdingbar.
Messtechnik fürs Monitoring und Management
Unabhängig von Atcom ist auch Janitza ein langjähriger Partner und Lieferant der Quarzwerke. Elektroingenieur Sebastian Müller von der Abteilung „Technische Planung“ betreut bei den Quarzwerken große Projekte im Um- und Neubau an allen Standorten. „Zunächst hat ein Kollege von den Quarzwerken Haltern Janitza Messgeräte eingesetzt“, erinnert er sich. „Inzwischen sind die UMG-Geräte bei uns die Standardmesstechnik.“ Mit den Messgeräten kam wenig später auch die Netzvisualisierungssoftware GridVis ins Werk. Dazu meint Müller: „Ich war auf der Suche nach einem Energiemanagementsystem. Für Industrieanwendungen ist das Unternehmen wirklich top. Mit der GridVis bietet der Experte alle Gerätefunktionen, die wir benötigen und noch viele mehr.“ In Frechen sind vor allem die modular erweiterbaren Netzanalysatoren UMG 96-PQ-L eingesetzt. Die Energieerzeugung des BHKW und des PV-Park werden mit den Varianten UMG 96-PA-MID+ erfasst, die eine MID-Zertifizierung nach 2014/32/EU vorweisen können.
Erst Analyse macht aus Daten Informationen
Das gemeinsame Know-how von Atcom und Janitza erlaubt es, die Daten umfassend zu nutzen und ohne Umwege wieder in die Steuerung einzuspielen, wie Müllers bestätigt: „Das ganzheitliche Angebot aus Hardware, Dienstleistung, Lastmanagement und Automatisierung ist für einen Messgeräte-Hersteller ein Alleinstellungsmerkmal. Damit können wir den Quarzwerken neben dem Last- und Lastspitzenmanagement, dem Monitoring und der Anlagensteuerung auch eine Betriebsdatenerfassung zur Verfügung stellen, also die Korrelation von Energiedaten mit Produktionsdaten, Chargenprotokolle et cetera.“
Ein zentrales Element in der Energieversorgung ist die GridVis, da auch der Bestand an Fremdmessgeräten eingebunden werden kann. Nach und nach werden alle Produktionsstätten mit ihr ausgerüstet. Dann kann Müller von seinem Büro aus die aktuellen und historischen Daten aller Standorte abrufen .
Schnittstellen für Fremdgeräte und Strompreisbörse
Die GridVis bietet viel mehr als eine reine Visualisierung. Natürlich lassen sich die Daten beliebig filtern und in Form von Sankey-Diagrammen, Heatmaps, Einlinien-, Säulen- und Kuchendiagrammen darstellen: beispielsweise die Lastverteilung fossiler und erneuerbarer Energien und ihre Zuordnung zu einzelnen Endverbrauchern. Die Software bietet aber noch viel mehr Möglichkeiten. So zeigt ein Lastdreieck den Ist-Wert und diverse Prognose-Kennlinien. Es dienen dem System beziehungsweise den Anwendern als Entscheidungshilfe für das Ab- und Zuschalten von Verbrauchern, um teure Lastspitzen zu vermeiden.
Eine ECO-Auswertung in Verbindung mit der eingesetzten SPS-Steuerung für das Lastmanagement zeigt die Energieflüsse von bezogener und selbst erzeugter Energie an und macht so den aktuellen Autarkiegrad sichtbar.
Eine Besonderheit, die nicht jedes vergleichbare System beherrscht, ist eine in der SPS-Steuerung realisierte API-Schnittstelle, welche die Börsenpreise für den nächsten Tag zur Verfügung stellt. Die Informationen kommen von den Strompreisbörsen EPEX Spot, bzw. EEX Leipzig, deren Daten über den Dienstleister „Awattar“ vermittelt werden. Sie dienen als Basis für Entscheidungen, ob etwa Strom besser verkauft oder gespeichert werden soll. Derzeit wird diese Option noch nicht genutzt, ist aber für die Zukunft geplant.
Ein weiteres Highlight ist eine Bildmaske für die Regelschemata des BHKW und des PV-Parks. Sie zeigt den Zustand der Anlage und eine Rückspeise-Leistungs-Überwachung.
Dazu kommen viele weitere Optionen, wie ein Berichtseditor, um eigene Leistungsdaten detaillierter zu analysieren und zu präsentieren, eine Maske für Alarme, Benutzerverwaltung und so weiter. Auch spezielle Kundenwünsche lassen sich realisieren. So zeigt eine Maske den Status der Wechselrichter für die PV-Anlage an und löst bei Bedarf einen Wartungsalarm aus. Müller lobt das System: „Die GridVis ist sehr übersichtlich und frei konfigurierbar, sodass man sie auf seine Bedürfnisse zuschneiden kann. Außerdem ist sie skalierbar. Wir werden weiter in erneuerbare Energien investieren, das können wir dann problemlos einbauen.“
Return of invest: Daten gewinnbringend nutzen
Müller will die teils beachtlichen Erträge aus dem PV-Park bestmöglich nutzen: „Es geht nicht um Energieverkauf, sondern um eine energieoptimierte Fahrweise. Wir streben unter der Woche einen Eigennutzungsgrad von rund 75 Prozent an. Auch dabei kann und wird uns die GridVis helfen.“ Die Energiespeicher sind bereits in Planung, aber es gibt auch organisatorische Möglichkeiten, um die selbsterzeugte Energie möglichst gut zu nutzen. Schaffgans erläutert: „Zusätzlich zur reinen Produktion fallen vielen Nebenarbeiten an, wie kleinere Reparaturen. Diese planen wir so, dass die Produktionszeiten in der Zeit von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr liegen. So können wir den PV-Strom möglichst vollumfänglich nutzen. Das öffentliche Netz unterstützt zu solchen Zeiten nur noch, ist aber als Puffer wichtig, um die Lastsprünge aufzufangen, die durch Start- oder Not-Aus-Prozesse entstehen.
Zukünftig ist geplant mit neuer Steuerung und neuen Umrichtern automatisierte Rezepte in der Produktion zu fahren. Schaffgans erläutert: „Dann starten wir nicht mehr die Anlage und stellen die Produktion ein, sondern wir haben Rezepte. Die Anlage wird starten, hochlaufen, und zum Beispiel die Drehzahlen sowie die Produktionsleistung einstellen. So können auch ungeübte Anlagenfahrer sofort produzieren. Man muss ihnen nur noch die richtigen Informationen geben, damit sie nachjustieren können, um Verschleiß und Material zu berücksichtigen. Dazu brauchen sie passend aufbereitete Daten. Auch das steigert die Effizienz, das heißt den Energieeinsatz pro Tonne.“ Dazu Müllers: „Auch da kann Janitza unterstützen, weil wir dann nicht mehr nur auf Energie fokussiert sind. Neben den Betriebsdaten, wie sie Herr Schaffgans beschrieben hat, können wir auch Grenzwertüberwachungen und Alarme für eine vorausschauende Wartung liefern.“
Synergien sorgen für Zukunftssicherheit
In Frechen geht die Entwicklung in großen Schritten voran. Verschiedene Optionen, wie Batteriespeicher, weitere PV-Anlagen und Windkraft stehen zur Diskussion. Es laufen sogar erste Tests, um die LKW-Flotte für die Intralogistik auf E-Antriebe umzustellen. Ladesäulen sind bereits vorhanden und mit Lastmanagement- und Energiemanagement-Controllern von Janitza ausgestattet. Noch sind die Geräte nicht im Einsatz, können aber mit der Erweiterung der E-Mobilität jederzeit auf das System aufgeschaltet.
Schaffgans zieht eine erste Bilanz: „Alle Standorte werden nach und nach auf erneuerbare Energien umstellen. Mit der GridVis und der Janitza Hardware haben wir ein System, das man werksübergreifend nutzen und auswerten kann. Alle Standorte können dann von unseren Erfahrungen profitieren.“