Der 3D-Druck liegt im Trend, schließlich bietet er als additive Fertigungstechnologie zahlreiche Vorteile. Beispielsweise können Produkte und Demonstratoren individuell gestaltet werden und sind schnell verfügbar. Ein Forscherteam des Fraunhofer CPM setzt einen großen Benefit drauf: es stellt Druckobjekte im sogenannten 4D-Druck her.
Bei dieser Technologie wird der Dimension Raum, also 3D, die Dimension Zeit, also 1D, hinzugefügt. Auf diese Weise lassen sich Objekte aus Formgedächtnispolymeren drucken, die zu einem späteren Zeitpunkt ihre Form einmalig durch Erwärmen ändern können – und das in durchaus bemerkenswerter Weise: stäbchenförmige Proben von etwa vier Zentimetern Länge schrumpfen um bis zu 63 Prozent zusammen. Auch Krümmungen lassen sich dabei gezielt realisieren.
„Wir sind zunächst von einer relativ einfachen Stäbchen-Geometrie ausgegangen und anschließend komplexer geworden, indem wir auch hohlzylinder- und hohlquaderförmige Proben hergestellt haben“, sagt Dr. Thorsten Pretsch vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP, der das Projekt im Rahmen des Fraunhofer CPM koordiniert. „Bei allen untersuchten Geometrien legten wir das gewünschte Materialverhalten vorab fest.“
Schrumpfverhalten und Krümmungen sind präzise einstellbar
Um die Reaktion auf eine Temperaturerhöhung einzustellen, gibt es generell zwei Möglichkeiten. Die erste besteht in der Wahl des Materials – hier haben die Forscherinnen und Forscher ein neues Polymer auf Basis von thermoplastischem Polyurethan, kurz TPU, mit Formgedächtniseigenschaften entwickelt.
Das Team zeigte zudem, dass die Erkenntnisse des 4D-Drucks auch auf ein anderes thermoplastisches Polymer übertragbar sind: sie stellten schrumpfbare Druckobjekte aus dem biobasierten Kunststoff Polymilchsäure, kurz PLA, her. Die zweite Möglichkeit liegt in der geschickten Führung des Druckprozesses.
„Der Clou ist, dass wir den Materialien während des Drucks nur wenig Zeit zum Abkühlen geben. Dadurch werden drastische Eigenspannungen im Material gespeichert. Der spätere Schrumpfeffekt ist dann sehr stark ausgeprägt“, sagt Pretsch. Kurzum: Durch die Wahl des Materials, der Verarbeitungstemperatur und der Druckgeschwindigkeit lässt sich nicht nur das Schrumpfverhalten einstellen, sondern auch der gekrümmte Zustand.
Vom Monomer bis zum werkstofflichen Recycling
Der erste Schritt im Projekt bestand in der Materialentwicklung und der Übertragung der Erkenntnisse von TPU auf PLA. Im zweiten Schritt wurde ein Demonstrator entwickelt: ein Türöffner, der auf eine Türklinke aufgeschrumpft wird, so dass man sie ohne Handkontakt mit dem Ellenbogen betätigen kann.
Die Demontage ist einfach: durch erneutes Erwärmen löst sich der Türöffner rückstandsfrei von der Klinke. Wird das Druckobjekt nicht mehr benötigt, kann es gemahlen und wieder zu Filament verarbeitet werden, das mindestens ein weiteres Mal für den 4D-Druck genutzt werden kann.
„Das Konzept ist ganzheitlich und zukunftsorientiert. Wir haben im Sinne eines cradle-to-cradle-Ansatzes einen Produktzyklus durchgespielt – von der Auswahl der Monomere und der Polymersynthese über den 4D-Druck eines Demonstrators bis hin zu seinem werkstofflichen Recycling“, fasst Pretsch zusammen.
Vier Fraunhofer-Institute beteiligt
Die vier Fraunhofer-Institute brachten ihre spezifischen Kompetenzen ein: das Fraunhofer IAP synthetisierte das Formgedächtnispolymer, entwickelte die 4D-Drucktechnologie weiter und führte das werkstoffliche Recycling durch. Linda Weisheit vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU entwickelte das Konzept der programmierbaren Steifigkeit der 4D-Materialien. Für das Design des Demonstrators wurden mathematische Simulationen am Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM durchgeführt.
„Wir untersuchten beispielsweise wie sich die Kraft im Türöffner verteilt, wenn er belastet wird. Dabei interessierte uns auch, welches Design vor dem Hintergrund des Materialverbrauchs besonders vorteilhaft ist“, erläutert Dr. Heiko Andrä. Die Praxistests fanden am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM statt. „Hier ging es etwa um die Frage, welche Drehmomente bei der Belastung des Türöffners auftreten“ erläutert Dr. Tobias Amann.