In Zeiten der Digitalisierung steigt die Zahl der Anwendungen im IIoT, dem Industrial Internet of Things, rasant. Allein im industriellen Umfeld erwarten Experten rund 25 Milliarden im IIoT kommunizierende Maschinen und Systeme bis Ende 2021. Die dafür eingesetzten Netzwerkkomponenten müssen nicht nur dauerhaft zuverlässig mit Daten, sondern auch mit Strom versorgt werden. Je einfacher das geht, umso effizienter die Lösungen, umso kürzer die Time-to-Market und geringer die Lebenszykluskosten.
Automatisiert, standardisiert, flexibel
Power over Ethernet wird darin immer besser. Die Technik kommt aus dem Heim- und Bürobereich, wo seit Jahren schon WLAN-Access Points, Internet-Kameras oder IP-Telefone jeweils über ein einziges Kabel mit Daten und Strom versorgt werden. Die daraus resultierenden Mehrwerte auch für industrielle Netzwerke liegen auf der Hand, angefangen beim reduzierten Planungsaufwand für neue oder zu erweiternde Produktionsnetzwerke.
Diese lassen sich zudem einfacher aufbauen und in Betrieb nehmen beziehungsweise durch weniger Leitungen deutlich schneller konfektionieren. Weniger Verkabelung beschleunigt außerdem die Fehlersuche und den Austausch von Komponenten, wie auch die Anpassung von Netzwerken an sich ändernde Gegebenheiten. Im industriellen Umfeld versorgt PoE Infrastruktur-Endgeräte wie Access Points für Industrial Wireless LAN zur drahtlosen Kommunikation, neuerdings auch RTLS-Gateways (Real-Time Locating System) zur Echtzeit-Lokalisierung von Objekten und/oder Personen. Dazu kommen klassische Endgeräte, sprich Ident-Systeme für das Tracking von Produkten sowie Kameras zur Qualitätssicherung beziehungsweise für die Gebäude-/Bereichs- und Anlagenüberwachung.
Als speisende Quellen (Power Sourcing Equipment, kurz: PSE) fungieren PoE-fähige Industrial Ethernet Switches. Die spezialisierten Switches beaufschlagen die Adernpaare der Ethernet-Leitungen mit einer Spannung von 48 bis 54 V DC. Endgeräte benötigen somit nur noch einen Ethernet-Anschluss. Verkabelung und Kommunikationsmechanismen bleiben davon praktisch unberührt, ebenso etablierte Cybersecurity-, Safety- oder Redundanzstrategien.
Der Leistungsbedarf industrieller PoE-Endgeräte reicht von wenigen Watt bei einfachen Kartenlesern zur Zugangsautorisierung bis zu höheren zweistelligen Werten zum Beispiel bei beheizten Outdoor-Kameras. Der Standard IEEE 802.3bt definiert acht Leistungsklassen und eine Obergrenze von 90 W je Port, wobei derzeit bis zu 60 Watt über Distanzen von bis 100 Metern praktisch realisierbar sind. Die Höhe der Leistungsabgabe „handeln“ speisende und nutzende Geräte in der Regel automatisiert (hardware-basiert) gemäß IEEE-Standards untereinander aus. Der Anwender muss somit nichts zusätzlich händisch konfigurieren. Er kann dies aber bei Bedarf tun, denn viele Geräte bieten die Möglichkeit, Leistungen portgranular exakt vorzugeben.
Intralogistiknetzwerk State-of-the-art
Ein sehr komplexes Praxisbeispiel für den Einsatz der Industrial Ethernet Switches mit Power over Ethernet ist die bedarfsgerechte Ver- und Entsorgung der Elektronikproduktion im Siemens-Werk Fürth über Materialboxen auf autonomen Transportfahrzeugen (Automated Guided Vehicles/AGVs).
Rund 2.000 dieser Boxen sind dazu auf AGVs im Umlauf. Für Transparenz und zukünftig auch Kollisionssicherheit sorgt das Echtzeit-Funkortungssystem Simatic RTLS. Zur Positionserkennung sind an den Materialboxen RTLS-Transponder mit einer einzigartigen Identifikationsnummer befestigt. Diese Transponder werden über ein eigenständiges drahtloses Netz aus RTLS-Gateways in kurzen Zeitabständen erfasst und die Positionen ermittelt.
Die für beste Ausleuchtung hoch hängenden RTLS-Gateways sind über ein separates Industrial Ethernet-Netzwerk mit PoE-Switches Scalance X an die Server angeschlossen. Sie werden über die Netzwerkleitung mit Strom versorgt, wie auch diverse IWLAN-Access Points für die drahtlose Kommunikation zu den AGVs. Das hat den Installationsaufwand erheblich verringert und die Inbetriebnahme deutlich verkürzt.
Genereller Vorteil nicht nur für RTLS-Projekte: das Portfolio umfasst unmanaged und managed PoE-Switches in Layer-2- oder Layer-3-Ausführung. Damit lassen sich Netzwerke wie gewohnt individuell strukturieren und exakt an sich ändernde Anforderungen anpassen.
Produkt- und Prozessqualität im Fokus
Eindeutige und lückenlose Nachverfolgung von Komponenten und die Kontrolle idealerweise aller Prozessschritte sind in der hochautomatisierten industriellen Fertigung das A und O für konstant hohe Qualität. Eine tragende Rolle dabei spielen netzwerkfähige Ident-Systeme wie Codeleser, RFID-Reader (Radio Frequency Identification) und Kameras, deren Zahl ständig wächst. Und damit der Verkabelungsaufwand und die Datenmengen.
Performante PoE-Switches schaffen mit Datenraten von bis zu 10 Gbit/s Reserven für den vermehrten Einsatz und die Aggregation der Daten immer leistungsfähigerer Endgeräte. Wie zum Beispiel hochauflösende HD-Kameras für den Qualitätsnachweis an Messsystemen und weiteren Stellen. Mit nur einer Leitung sind diese schnell und dank standardisierter Konfiguration einfach ohne Spezialisten zu installieren und auszutauschen. Das hält neben der Qualität die Anlagenverfügbarkeit und damit auch die Produktivität hoch.
Die ohnehin schon stark reduzierte Verkabelung industrieller PoE-Komponenten lässt sich mit Hilfe des Verkabelungssystems FastConnect von Siemens noch weiter vereinfachen. Damit sind systemgetestete Lösungen aus einer Hand sowohl mit RJ45- als auch M12-Steckertechnik komfortabel realisierbar.
Leistungsfähiger Zugangsschutz
In besonders sensiblen Bereichen und in der hochautomatisierten Fertigung mit autark agierenden AGVs oder Robotern ist der Schutz vor unautorisiertem Zugang über Kameras wichtig. Auch diese meist weitläufig verteilten, zunehmend höher auflösenden Kameras werden typischerweise über Power over Ethernet versorgt, um den Verkabelungsaufwand gering zu halten.
Auch hier übersteigt die Datenmenge schnell die aktuell typischen Übertragungsraten. Die PoE-fähigen Switches Scalance XC-200 unterstützen Datenraten von bis zu 10 Gbit/s im Uplink und lösen dabei aufkommende Engpässe auf. Abgesehen davon können diese Hutschienen-Switches wie ein klassisches Automatisierungsgerät mit DC 24 V, ergo an einer konventionellen Stromversorgung – wie zum Beispiel Sitop – betrieben werden.
Die Leistungsüberwachung im Industrial Ethernet Switch mit PoE macht fehlende Management- oder Diagnose-Funktionen derartiger Kameras teilweise wett. Und über einzeln ein-/ausschaltbare Ports können diese im Fehlerfall aus der Ferne neu gestartet werden. Ohne weiteres möglich ist auch der Einsatz in redundanten Netzwerkstrukturen.
Dank höherer Leistungen lassen sich auch Gewerke im Außenbereich via PoE einbeziehen. Mit bis zu 60 Watt je Port können auch beheizte Kameras versorgt und ein Betrieb bei Minustemperaturen gesichert werden.
Potenzial für die Zukunft
Power over Ethernet ist eine kosteneffiziente Möglichkeit, Netzwerkinfrastruktur- und -endgeräte über Industrial Ethernet Switches mit Daten und Strom zu versorgen. Auch zu kommenden Technologien wie Time-Sensitive Networking (TSN) und 5G ist die Technik kompatibel. So können über PoE auch Endgeräte einfach über eine Leitung in Netzwerke eingebunden und optimal versorgt werden. Damit sind durchgängig standardisierte Kommunikationslösungen auch für deterministische Echtzeitanwendungen möglich – wahlweise drahtgebunden über TSN oder drahtlos in 5G-Netzwerken.