Prozessautomation Die Waffen der Pharmaproduktion

Festo Vertrieb GmbH & Co. KG


Blick in die Infusionslösungsfabrik Life bei B. Braun: Hier trägt die Standardisierung der Automatisierungslösungen mit Hilfe von Festo zur Effizienzsteigerung bei.

22.05.2012

Wie kann die pharmazeutische Produktion effizienter werden? Zwölf Experten, zwölf Antworten: Dieser Eindruck entstand auf dem fünften Best-Automation-Practice-Kongress, den Festo Ende März 2012 ausrichtete. Von der Messung der OEE als wichtigster Kennzahl bis hin zur „Geheimwaffe Sprint“ in der Instandhaltung reichen die Ansätze.

Kongresse können langweilig sein. Oder höchst spannend. Zum Beispiel wenn Vortragende darunter sind, die ihr Thema quasi selbst verkörpern. „Ich stelle Ihnen heute Sprint vor!“ So tritt Frank Seckert vor die Zuhörer - drahtig, dynamisch, unternehmungslustig. Kein Wunder, wie man später im persönlichen Gespräch herausfindet: Er ist ambitionierter Triathlet. Er weiß, wovon er spricht - auch im übertragenen Sinn. Denn Sprint steht für „Schneller + präziser in der Instandhaltung und Technik“ und bezeichnet ein Projekt, mit dem Frank Seckert, Head of Engineering Operations bei Roche Diagnostics Mannheim, die Instandhaltung fit gemacht hat. Er bezeichnet sie als nichts weniger als die „Geheimwaffe“, wenn es um Effizienzsteigerung in der Pharmaindustrie geht. Effizienz messen, Effizienz (und effizient) planen und bauen und schließlich, so exerziert es Seckert vor, effizient halten, eine solche Herangehensweise an das Thema Effizienz ist wohl die halbe Miete auf dem Weg zur Operational Excellence. Wie das in der Pharmabranche ausschaut oder zumindest ausschauen könnte, illustrierte Festo als Veranstalter zusammen mit den Kooperationspartnern Endress+Hauser und Penta Electric sowie weiteren Vertretern von Engineering-, Prozesstechnik-, Software- und Messtechnik-Anbietern auf dem 5.Best-Automation-Practice-Kongress in Pratteln in der Schweiz. Besonders viel Aufmerksamkeit ernteten die Branchenvertreter selbst: Neben Seckert gaben Luc Zamparo von Baxter Biosciences und Klaus Sonntag von B. Braun Einblick in ausgewählte Effizienzsteigerungsprojekte in ihren Unternehmen (lesen Sie dazu auch den Kasten auf Seite 46). Dr. Eckhard Roos, Leiter des Festo-Geschäftsbereichs Prozessautomation steckt ab, in welchem Spannungsfeld sich die Branche bewegt: „Die Kosten steigen sukzessive, der Preisdruck, auch durch Wettbewerber in den Schwellenländern wächst. Zugleich werden die Anforderungen der Zulassungsbehörden immer höher.“ Zudem entstehen durch Trends weg von den Blockbustern hin zur personalisierten Medizin neue Herausforderungen. Dem gegenüber stehen eine global alternde Bevölkerung und die Entwicklung einer zahlungskräftigen Mittelschicht in eben diesen Schwellenländern - und damit beachtliche Wachstumspotenziale für jene Pharmaunternehmen, die sich in diesem Spannungsfeld gut behaupten. Wer Effizienz steigern will, der muss allem voran eines tun: Effizienz systematisch messen, sodass später getroffene Verbesserungsmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin abgeklopft werden können. So wie es Toyota tut. Aber nicht nur Autobauer sind effizient. „Die Effizienz in der pharmazeutischen Produktion spiegelt sich in der Anlagennutzung wider. Und die kann am besten als Overall Equipment Effectiveness - kurz OEE - erfasst werden“, führt Dr. Thomas Lellau von Chemgineering die Teilnehmer des Kongresses zum Thema. World-Class-Produzenten haben einen OEE von über 85 Prozent. Doch in der Pharmaindustrie gehört man als Bulkhersteller schon mit 70 Prozent zur Weltspitze, bei der Konfektionierung sogar mit 50 Prozent. Den Bogen von Toyota zur Pharmaindustrie überbrückt Lellau mit dem Chemgineering-Lösungsansatz „Ego - Effiziente Geschäftsprozessorganisiation. Nach unserem Konzept ist das eine Philosophie von Führung, Teamwork und Problemlösung.“ Kundenorientierte, kontinuierliche Verbesserung werde in der ganzen Organisation verankert. Lellau stellt dazu ein Kennzahlensystem „Bottom-up“ vor: angefangen von Prozessindikatoren aus dem operativen Geschäft über Bereichskennzahlen wie Zielabweichungen bis zur Verdichtung in KPIs (Key Performance Indicators), Zieldefinition und Status auf einen Blick. Diese erst erlauben schließlich, Trends und strategische Entscheidungen abzuleiten. Die OEE als Basis - und damit als KPI - wird laut Lellau durch sechs große Verlustbringer verschlechtert: Maschinenschäden, Einrichtung/Justierung, reduzierte Maschinen-Geschwindigkeiten, Kurzzeitstillstände, Defekte/Nacharbeit und Anfahrverluste. Er schlägt eine Kaskade an Maßnahmen vor: angefangen von der Bestimmung des Ist-OEE über die Bestimmung der wichtigsten Verlustbringer und Realisierung von Quick Wins bis hin zur Kosten-Nutzen-Abwägung und Umsetzung. Und resümiert: OEE muss Chefsache werden. Einen anderen Ansatz zur Optimierung der Produktion und Verkürzung der Durchlaufzeiten wählt Martin Ücker von Penta Electric: über MES-Systeme auf Basis von Life-Science-Bibliotheken. Angesichts des wachsenden Validierungsaufwands und oft 200-seitigen Produktionsvorschriften sei die Optimierung des Personaleinsatzes und der Abläufe dringend erforderlich. Ücker plädiert für Systeme wie Simatic IT, das ISA-95-konform ist und auf einem Framework sowie dedizierten Komponenten und Libraries basiert. Die Module von Simatic IT Life Science etwa unterstützen typische Prozesse wie die Modellierung des Produktionsprozesses, Electronic Batch Recording, Arbeitsanweisungen, Wiegevorgänge mit Überprüfung des Materialeinsatzes und Etikettendruck oder den Batch-Freigabeprozess. Besonders weist er auf die Skalierbarkeit hin: MES-Lösungen seien so auch für kleinere und mittlere Applikationen möglich. Ab 50.000 Euro wären einzelne Module bereits einsetzbar - ein schneller Return on Invest sei garantiert. Dass auch bereits die richtige Ventiltechnik zur Effizienzsteigerung führt, weist Dietmar Hetzel von SED nach: über flexible Chargenwechsel oder beschleunigte, sichere Reinigungsvorgänge beispielsweise. Bei letztgenanntem Kriterium empfiehlt er die EHEDG-Vergleichsprüfung zur Beurteilung. Gebe es in aseptischen Ventilen dennoch Produkteinschlüsse, könne das am Dichtsystem liegen. Kreisrunde Ausführungen bringen hier laut Hetzel deutliche Fortschritte und erhöhen zudem die Membranlebensdauer. „Vertrauen Sie Ihren Sinnen“ - mit diesen Worten schließt Klaus Köhler von Endress+Hauser seinen Vortrag. Doch vorher zeigt er auf, was die eigenen Sinne ergänzen kann - und welchen Einfluss die integrierte Kalibrierung der Messgeräte auf Prozesssicherheit und -effizienz hat. Dazu müssen jedoch die anlagentechnischen Voraussetzungen stimmen: Design for calibration nennt er als Stichwort. Eine kalibrierfreundliche Temperaturmessung beispielsweise beinhalte einen Adapter, der es erlaubt, den Sensor ohne Prozessunterbrechung zu rekalibrieren. Dafür müssten aber auch entsprechende Kabellängen und digitale Stecker vorgesehen werden. Verifikationen im laufenden Betrieb, möglich etwa bei geführtem Radar, sparen nicht nur Kalibrierkosten; sie erhöhen vor allem die Anlagenverfügbarkeit. Köhler: „Die Inline-Kalibrierung wird von den Regularien sogar empfohlen. Sie unterstützt Optimierungsprozesse und Behördenaudits, muss aber eingeplant werden.“ Ohne Kalibrierstutzen als Minimalanforderung geht naturgemäß nichts. Besonders effizient und sicher arbeiten Inline-Methoden bei fest installierten gekapselten Systemen wie in Inline-Prozessphotometern. Alternativ erübrigen sich teure Flüssigkalibrierungen mit Clip-on-Filtern für Eintauch-Photometer. Und bei der pH-Messung bringt die Memosens-Technologie auch Fortschritte in Sachen Kalibriereffizienz, denn die dort verwendete digitale Datenübertragung sei nicht kalibrierrelevant; der Sensor an sich könne einfach durch einen fertig kalibrierten Sensor ausgetauscht werden. Fünf Minuten anstatt 20 bei Standard-Sensoren seien dafür ausreichend. Bei der Vielzahl von pH-Messstellen in Pharma- und Biotech-Anlagen summiert sich das - zu einer Effizienzsteigerungsmaßnahme, die sich keiner entgehen lassen sollte.

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