Ethernet-basierte Bussysteme wie Profinet, Ethernet/IP oder Modbus können sich gegenüber den etablierten Feldbussen immer besser behaupten, unter anderem aufgrund der deutlich geringeren Fehleranfälligkeit. In Linientopologie etabliert beispielsweise Profinet mit geräteinternen 3-Port-Switches eine physikalische Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen zwei Teilnehmern. Dies minimiert das Risiko einer gegenseitigen Beeinflussung mehrerer Teilnehmer, die bei einem Feldbus typischerweise parallel am selben Medium hängen. Zusätzlich erleichtern industrielle Ethernet-Protokolle wie Profinet mit ihrer Nachbarschaftserkennung über das Link Layer Discovery Protocol (LLDP) das schnelle Auffinden problematischer Verbindungen und damit den zügigen Tausch defekter Komponenten. Auch die Möglichkeit zum Aufbau einer Ringredundanz erhöht die Kommunikationssicherheit gegenüber Feldbussen. Bei Profinet garantiert das zuständige Media Redundancy Protokoll (MRP), dass bei einem Kommunikationsausfall in Ringtopologie automatisch die Kommunikationsrichtung geändert wird und so die weitere Netzverbindung gesichert ist.
All diese Vorzüge haben zum Siegeszug der Ethernet-Protokolle in der industriellen Automation beigetragen. Die Hoffnung, mit dem Übergang von Feldbus- zu Ethernet-Netzwerken die spezifischen Protokoll- und Anschlusslösungen der verschiedenen Busse überwinden zu können, hat sich allerdings nicht erfüllt. Analog zum Beharren auf eigenen Ethernet-Protokollen haben die Steuerungshersteller wieder eigene Installationsrichtlinien zur Verkabelung ihrer Netzwerke entwickelt. Die Protokollvielfalt prägt als Erbe der Feldbuszeit auch weiterhin die Ethernet-Ära.
Komplexität reduzieren
Die Prinzipien, mit denen die Steuerungshersteller ihre Claims abstecken und sichern, sorgen für eine Reihe ähnlicher Ethernet-Protokolle. Die Platzhirsche der Standard-Ethernet-Protokolle – Profinet, Ethernet/IP und Modbus TCP – teilen dabei den Großteil des Automatisierungsmarkts unter sich auf. Automatisierungstechnikhersteller auf der einen und Maschinen- und Anlagenbauer auf der anderen Seite müssen mit dieser Vielfalt umgehen – bei Feldbussen ebenso wie bei Ethernet. So zeichnet sich eine Gesetzmäßigkeit der Industrieautomation ab: Die Vielfalt an Standards und damit an Geräten, die vergleichbare Aufgaben erfüllen, aber auf unterschiedlichen Protokollen basieren, nimmt kontinuierlich zu.
Turck schlägt einen Weg ein, der eine Lösung für diese Herausforderung anbietet: Der Automatisierungsspezialist bietet mit seinen Multiprotokoll-Ethernet-Gateways und Block-I/O-Modulen als erster Hersteller Geräte an, die ohne Eingriff des Anwenders – also vollautomatisch – mit den Ethernet-Protokollen Profinet IO, Ethernet/IP oder Modbus TCP betrieben werden können. Mit seinen Multiprotokoll-Geräten reduziert Turck nicht nur die eigene Versionsvielfalt der Gerätetypen, sondern auch die der Kunden, die in verschiedenen Teilen ihrer Produktion oder in Landesvarianten ihrer Maschinen unterschiedliche Protokolle einsetzen. So ist es etwa in der Automobilproduktion keine Seltenheit, dass Rohbau und Endmontage auf Basis unterschiedlicher Protokolle automatisiert sind. All diese Anwender müssen in Zukunft nur noch einen Gateway-Typ vorrätig halten, unabhängig vom verwendeten Ethernet-Protokoll. Da Einkauf und Lagerhaltung ohnehin oft zentralisiert sind, bietet sich hier die Chance, Lagerhaltungskosten und Komplexität effektiv zu reduzieren.
Technisch und wirtschaftlich möglich sind mit den Multiprotokoll-Geräten auch Maschinen und Anlagen, die zu großen Teilen identisch geplant und gebaut werden können und je nach Endkundenvorgabe unterschiedliche Steuerungen oder Master erhalten, um verschiedene Protokolle anzusprechen. Wenn auch weitere Automatisierungshersteller Multiprotokoll-Geräte anbieten, sind neben den Vorteilen in der Ersatzteilhaltung und Beschaffung auch komplett identische Anlagenpläne für die Elektrokonstruktion möglich, die einfach nur dupliziert werden müssen.
Möglich wird die Multiprotokoll-Funktionalität durch eine intelligente Identifikationsroutine der Ethernet-Geräte. Sie ermittelt im Hochlauf nach dem Einschalten – während der so genannten Snooping-Phase (Snooping = Schnüffeln) – durch Mithören der Bustelegramme zunächst, welches Ethernet-Protokoll beziehungsweise welcher Master einen Verbindungsaufbau anfordert. Die Geräte stellen sich dann automatisch auf das erkannte Protokoll ein. Trotzdem bleiben Input- und Diagnose-Daten auch für die anderen beiden Protokolle verfügbar. Damit erübrigt sich die Konfiguration von Geräten auf das Host-System eines Kunden. Geräte-Einrichtung, -Wartung und Geräte-Identifizierung wird damit vereinfacht. Da Ethernet/IP und Profinet beide zu Administrationszwecken auf Standard-Ethernet-Protokolle zurückgreifen, können mit Hilfe von Multiprotokoll-Geräten auch in Ethernet/IP-Dienste genutzt werden, die von Haus aus nur in Profinet zur Verfügung stehen. So können Ethernet/IP-Nutzer die Topologie-Erkennung verwenden, die von Drittanbietern für Profinet-Netzwerke angeboten wird.
Turck hat jetzt seine Ethernet-I/O-Familien mit den neuen Multiprotokoll-Geräten erweitert: Die Gateways der modularen Systeme BL20 für die Schaltschrankmontage und BL67 zur Feldmontage zählen ebenso dazu wie die IP67-Block-I/O- Module inklusive der platzsparenden BL-Compact-Reihe zur direkten Montage an der Maschine. Alle Gateways verfügen über interne Switches, die eine Installation in Linie ermöglichen. Die Protokolle Ethernet-IP, Modbus TCP und Profinet IO sind in einer Gerätefirmware vereinigt. Trotz des schlanken Designs der Gateways umfassen die Protokollstacks damit alle für diesen Markt relevanten Protokolle.
Performance nicht beeinträchtigt
Die Implementierung der Protokolle steht dabei Einzelprotokoll-Geräten in keiner Weise nach: Im Profinet-Betrieb werden Topologieerkennung und Adresszuweisung mittels LLDP sowie Fast-Start-up unterstützt, bei Ethernet/IP QuickConnect und Device Level Ring (DLR Medienredundanz).
Aufgrund der extrem schlanken Architektur des Mikroprozessors und der Firmware erreichen sie im Fast-Start-up-Betrieb unter Profinet eine Hochlaufzeit von weniger als 150 Millisekunden. Unter Ethernet/IP benötigen sie im entsprechenden QuickConnect-Betrieb sogar nur rund 90 Millisekunden. Derzeit ist kein anderer Anbieter von Fast-Start-up-I/O-Modulen bekannt, der auch nur annähernd die Zeiten der TBEN-L-Geräte erreichen würde.
Kompakte Ergänzungen
Gerade für Spezial-Maschinenbauer dürften die kompakten Block-I/O-Module der neuen TBEN-S-Familie interessant sein. Auf 32 mal 145 Millimetern bieten diese Geräte ein komplett eigenständiges Multiprotokoll-Block-IO-Modul in IP67. Sie verfügen sowohl über den erweiterten Temperaturbereich von -40 bis +70 °C wie auch über die integrierten Webserver der größeren Bauformen sowie interne Switches, die eine Installation in Linie ermöglichen. Die Ausgänge können einen Strom von 0,5 beziehungsweise 2 A schalten.
Auch im Schaltschrankbereich ergänzt Turck seine Multiprotokoll-Palette. Die kompakte FEN20-Reihe zielt auf Installationen in kleineren Schaltkästen und Bedienpulten. Einfache Schalter, Taster und Leuchten können mit den IP20-Block- I/O-Modulen einfach Ethernet-fähig gemacht werden – auch nachträglich. Auch die FEN20-Reihe verfügt über den integrierten Webserver.
Zwei Bauformen bietet Turck an: Die kleinere Bauform FEN20-4DIP-4DXP bietet 4 digitale Eingänge und vier universelle digitale Kanäle. Die große Variante FEN20-16DXP liefert bis zu 16 universelle digitale Kanäle.