Verfahrenstechnik „Erfinden Sie den Korrosionsschutz neu, Herr Dr. Fürbeth?“

16.04.2012

Nanotechnologie im Korrosionsschutz: Ist das besonders innovativ oder eigentlich nur eine Verlegenheitslösung angesichts des Chromat-Verbots? P&A hat nachgefragt: bei Priv.-Doz. Dr.-Ing. Wolfram Fürbeth, Leiter der Arbeitsgruppe Korrosion im Dechema-Forschungsinstitut.

„Nanotechnologie spielt auf jeden Fall künftig eine große Rolle im Korrosionsschutz - zusammen mit vielen anderen Systemen. In den letzten Jahren wurden neue Korrosions-Schutzschichten weniger vom Innovationsgedanken vorangetrieben, sondern eher aus der Not heraus - denn etablierte, gut funktionierende Schutzschicht-Systeme auf Chromat- oder Blei-Basis wurden aus Umwelt- und Gesundheitsschutzgründen verboten. Die Suche nach Alternativen hat zahlreiche Entwicklungen ausgelöst: von der Silanchemie über dünne organische Filme als Haftvermittler, sogenannte Self Assembled Monolayers, bis hin zur Verwendung von Nanopartikeln. Letztere werden wohl vor allem dort, wo besonders guter Langzeit-Korrosionsschutz verlangt wird und hohe Anforderungen an die Optik gestellt werden, Anwendung finden: in der Luftfahrt und der Automobilbranche etwa. Der klassische schwere Korrosionsschutz, im Offshore-Bereich beispielsweise, wird zumindest mittelfristig noch nicht davon profitieren. Am Dechema-Forschungsinstitut beschäftigen wir uns unter anderem mit dem Einbau von Nanopartikeln in andere Schutzschichtsysteme. Besonders innovativ und vielversprechend sind dabei Nanokapseln oder mesoporöse Nanopartikel, in die man Korrosionsinhibitoren einbringt. Das Ziel sind selbstheilende Schichten. Der Korrosionsinhibitor wird dabei nur im Bedarfsfall freigesetzt: eben wenn ein Defekt entsteht. Auslöser für die Freisetzung kann zum Beispiel die mechanische Belastung, der pH-Wert oder eine Potentialänderung sein. So wird der Werkstoff dann vor weiterer Korrosion geschützt, auch wenn der Defekt nicht tatsächlich behoben ist. Selbst dafür gibt es aber bereits Forschungsansätze: Polymersysteme, die tatsächlich eine Barrierewirkung im Defekt entfalten, diesen also mehr oder weniger wieder verschließen.

Heute gibt es bereits erste Nanopartikel-basierte Systeme im Handel, die als Chromatersatz gelten können, wobei gerade die selbstheilende Performance, die man Chromat zugeschrieben hat, noch nicht befriedigend erbracht wird. In einigen Jahren werden wohl die Forschungsaktivitäten bezüglich selbstheilender Schichten den Korrosionsschutz noch einen großen Schritt nach vorne bringen. Man wird dann eventuell mit Defekten in Schutzschichten leben können - aber generell vermeiden werden wir Korrosion wohl nie“.

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