Die Digitalisierung beschäftigt derzeit fast alle Unternehmen, und die Pandemie hat die Digitalisierungsbemühungen bei den meisten sogar noch einmal verstärkt. Während ihnen allerdings die Einführung von Cloud-Services oder der Aufbau moderner Infrastrukturen vergleichsweise leichtfällt, tun sie sich oft schwer, auf Basis von Datenauswertungen messbaren Mehrwert zu generieren – sei es nun durch Verbesserung ihrer operativen Prozesse, Verbesserung von operativen, taktischen oder strategischen Entscheidungen oder gar die Entwicklung neuer und innovativer Geschäftsmodelle. Häufig wissen Unternehmen zwar, dass sie ihre Daten nutzen müssen, um langfristig erfolgreich zu sein, verfolgen aber keine dedizierte Datenstrategie.
Bedeutung einer Datenstrategie
Ohne Datenstrategie laufen Initiativen, aus Daten unternehmensrelevantes Wissen zu generieren und zu nutzen, oft unkoordiniert und ziellos ab. Beispielsweise bauen Unternehmen in solchen Fällen gerne neue Datenplattformen auf und tragen möglichst viele Daten zusammen, ohne jedoch konkrete Anwendungsfälle zu verfolgen.
Oder sie gewinnen Erkenntnisse aus ihren Daten, die sie dann nicht nutzen, weil sich Entscheider doch lieber auf ihre Erfahrung oder ihr Bauchgefühl verlassen. In vielen Fällen wird auch an konkreten Anwendungsfällen gearbeitet ohne im Vorfeld zu hinterfragen, ob diese Anwendungsfälle überhaupt die höchste Priorität haben sollten.
Eine Datenstrategie verhindert so etwas, weil sie die Rahmenbedingungen für die Wertschöpfung aus Daten absteckt und einen Fahrplan für die Umsetzung aller Maßnahmen liefert. Damit deckt sie weit mehr als nur technologische Themen ab. Sie berücksichtigt ebenso organisatorische Aspekte wie Zuständigkeiten und die Unternehmenskultur, Prozesse für die Definition und Umsetzung von Anwendungsfällen in interdisziplinären Teams sowie datenbezogene Fragen: Bei welchen Geschäftsproblemen können Datenanalysen zu einer Verbesserung beitragen? Welche Datenquellen können wir dafür anzapfen? Reicht die Qualität der Daten aus? Benötigen wir weitere Daten? Stimmt das Kosten-Nutzen-Verhältnis? Mit welchen Anwendungsfällen sollen wir starten?
Management und Mitarbeiter benötigen Datenkompetenz
Der zentrale Faktor in einer Datenstrategie ist der Mensch, und das in verschiedener Hinsicht. Zum einen müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter von Anfang an in alle Veränderungsprozesse einbeziehen und durch Schulungen ihre Datenkompetenz erhöhen. So lernen Mitarbeiter, das Potenzial von Entscheidungen auf Basis von Daten zu verstehen und wertzuschätzen sowie den Empfehlungen der neuen Tools zu vertrauen, verstehen aber auch deren inhärente Limitationen. Datengetriebene Organisationen entstehen nicht von heute auf morgen. Es kostet Zeit, eine neue Entscheidungskultur zu etablieren – und das gelingt nur, wenn die Mitarbeiter und vor allem das Management mit an Bord sind.
Zum anderen betrifft die Datenstrategie meist alle Unternehmensbereiche, hat also idealerweise einen zentralen Verantwortlichen, der alle Aktivitäten koordiniert. Dieser manchmal Chief Data Officer (CDO) genannte Datenverantwortliche benötigt die aktive und sichtbare Unterstützung der Geschäftsführung sowie weitreichende Kompetenzen und Ressourcen. Er erarbeitet gemeinsam mit dem Management und Vertretern der Fachbereiche die Visionen und Ziele für die Datennutzung im Unternehmen, gleicht die Ziele mit dem Status Quo ab und ermittelt Bedarfe. Darauf aufbauend formulieren die Beteiligten dann die Datenstrategie und legen Maßnahmen für die Umsetzung fest.
In der Regel sollte der Datenverantwortliche nicht der CIO oder CTO sein, denn da die Datenstrategie kein reines Technologiethema ist, kann es eine falsche Signalwirkung haben, wenn die IT die Führung übernimmt. Besser geeignet ist meist ein unabhängiger Experte für Datenwertschöpfung, der eine Affinität zum eigentlichen Geschäft des Unternehmens mitbringt und die Belange der Fachabteilungen vertritt. Schließlich sind es ihre Abläufe und Entscheidungen, die durch Daten verbessert werden sollen.
Schnelle Erfolge sorgen für Akzeptanz
Mithilfe von Daten optimieren Unternehmen komplexe Planungsprozesse und spielen unterschiedliche Planungsszenarien durch, um bestmögliche Entscheidungen zu treffen. So lasten sie etwa ihre Produktionsanlagen unter Berücksichtigung von Materialbeständen und zugesagten Lieferterminen optimal aus und sorgen dafür, dass Ausfälle in der Lieferkette möglichst geringe Auswirkungen haben.
Oder sie planen ihren Personaleinsatz so, dass er nicht nur den Erfordernissen des Unternehmens entspricht, sondern auch die Wünsche der Mitarbeiter berücksichtigt. Darüber hinaus helfen Datenauswertungen auch, Einsparpotenziale im Einkauf und Bestandsmanagement zu erkennen, optimale Wartungsfenster für Maschinen zu bestimmen und neue Umsatzquellen zu erschließen.
Mögliche Anwendungsfälle gibt es also in allen Industrien und meist über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Die Herausforderungen ist meist die Festlegung, wo und wie ein Unternehmen seine Datenreise starten sollte. Eine Datenstrategie erlaubt es Unternehmen, diese Herausforderung systematisch anzugehen und kontinuierlich neue Anwendungsfälle für die Datennutzung zu entwickeln. Machbarkeit und Nutzen entscheiden über deren Umsetzung, wobei auch die eigenen Ambitionen und Ziele die Priorisierung beeinflussen. Ist ein strategischer Wettbewerbsvorteil wichtiger als der unmittelbare ROI, kann das durchaus dazu führen, dass ein Anwendungsfall vorgezogen wird.
Gerade bei den ersten Projekten sollten sich Unternehmen allerdings auf Anwendungsfälle konzentrieren, die sie schnell und mit überschaubarem Aufwand umsetzen können. Einerseits sorgen sie damit für Erfolgserlebnisse, die nicht nur die Motivation der Mitarbeiter erhöhen und die Akzeptanz der neuen Initiativen steigern, sondern gewinnen auch Erfahrungswerte für weitere, umfangreiche Vorhaben. Andererseits helfen ihnen die konkreten Anwendungsfälle bei der Technologieauswahl und dem gezielten Einsatz von Data Scientists und anderen Datenspezialisten, die im Markt sehr gefragt sind und nur begrenzt zur Verfügung stehen.
Mangelnde Datenqualität als K.O.-Kriterium?
Eine schlechte Datenqualität kann ein großes Problem für Unternehmen sein, denn fehlerhafte Daten zu analysieren kann zu falschen Entscheidungen führen. Kommt es zu einem derartigen Fall, liefern die Algorithmen keine verwertbaren Erkenntnisse. Ob eine schlechte Datenqualität die Hebung von Datenpotenzialen erschwert oder gar verhindert, lässt sich pauschal aber nicht beantworten, sondern hängt vom Anwendungsfall sowie Art und Umfang der Mängel in der Datenqualität ab.
Viel wichtiger ist jedoch für Unternehmen, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie sich die Datenqualitätsprobleme nachhaltig beseitigen lassen. Natürlich können Datensätze (einmalig) aufbereitet werden, um Fehler zu korrigieren. Häufig sind es aber die Prozesse selbst, die diese Daten erfassen und die es zu überdenken gilt.
Wenn ein Servicemitarbeiter den Grund für einen Maschinenausfall nicht ordnungsgemäß dokumentiert, steckt dahinter in der Regel keine Bösartigkeit, sondern meist fehlende Zeit oder fehlendes Verständnis, was mit der Dokumentation im Nachgang noch geschieht. Versteht der Mitarbeiter jedoch, dass diese Informationen für Anwendungen wie zum Beispiel vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) wertvoll sind und ist gar in entsprechenden Projekten involviert, wird er auch eher motiviert sein, seine Daten als das zu sehen, was sie sind: ein wertvolles Wirtschaftsgut im Unternehmen.
Im Rahmen der Datenstrategieentwicklung werden alle Aspekte betrachtet, die es zu einer nachhaltigen Datenwertschöpfung bedarf. Jedes Unternehmen, das verstanden hat, dass sich durch Datenauswertungen nicht nur Wettbewerbsvorteile erzielen lassen, sondern ganze Industrien transformiert werden, ist gut beraten, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.