Depal stellt eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte dar. Das weiße Pulver, Basis für das Flammschutzmittel Exolit, entwickelte der Schweizer Konzern Clariant Ende der 1990er Jahre. Seit 2004 produziert der Chemieriese es, wo sonst nur noch wenige Grundstoffe hergestellt werden: in Deutschland, im Industriepark Knapsack bei Köln. Unter den halogenfreien Verbindungen haben Organophosphat-basierte Produkte heute den größten Anteil am rund 3,2 Mrd.Euro schweren Markt für Flammschutzmittel (FSM). Diese reduzieren im Brandfall die Gefahr, dass Kunststoff sich entzündet: Sie schäumen bei Erhitzung auf, bilden so eine nicht weiterbrennbare Schutzschicht um Kunststoffelemente und halten zusätzlich den Sauerstoff aus der Umgebungsluft fern. Teilweise wirken sie sogar in der Gasphase und erschweren chemische Reaktionen in der Flamme. Auch Kunststoffbauteile können so höchste Brandschutzklassen erreichen. Eigentlich ein Widerspruch: Phosphor sorgte früher eher für Brände. Streichholzköpfe entzünden sich dank des Elements bei genügend Reibung. Im Vergleich ist die Nachfrage nach Phosphor als Brandverhinderer aber deutlich stärker gestiegen. Denn halogenhaltige Verbindungen (Brom, Chlor, Antimonoxide) für FSM, die in der Vergangenheit hauptsächlich eingesetzt wurden, kamen durch Umweltschutzaspekte in die Kritik. So warnt das Umweltbundesamt vor bromhaltigen FSM, da viele dieser Verbindungen in der Umwelt schwer abbaubar sind und sich in Lebewesen anreichern. Additivhersteller wie Clariant haben mit Exolit und Co. daher gut lachen.
Hohe Nachfrage durch Unterhaltungselektronik
Denn die Nachfrage nach diesen FSM steigt enorm - nicht zuletzt durch Smartphones. Die Unterhaltungsindustrie hat steigenden Bedarf nach leichten, aber robusten Kunststoffen, die direkt neben stromführenden Bauteilen eingesetzt werden. Hier kommen FSM zum Zug. Denn noch vor nicht allzu langer Zeit haben Laptops und Mobiltelefone verschiedener Hersteller Verbraucher verunsichert, weil Akkus in Brand geraten sind. Um dabei entstehende Brände einzudämmen oder idealerweise zu verhindern, sind nicht-brennbare Akkuanschlüsse, Kabel und Steckverbindungen unabdingbar. Gleiches gilt für Bauteile in der Industrie. In Kunststoffgehäusen fließen meist noch höhere Ströme als durch Handys und Laptops. Als Additiv genügen laut Hersteller meist schon relativ geringe Dosierungen. Doch dank seiner vorteilhaften mechanischen Eigenschaften kann Depal Kunststoffen mit bis zu 20Prozent beigemischt werden, ohne dass bedeutende Qualitätsverluste hinzunehmen wären. Abnehmer freuen sich auch über die Flexibilität beim Einsatz des Pulvers: Es ist weiß und kann beliebig eingefärbt werden. Für viele Bauteile von Unterhaltungselektronik ist das egal - wie der Kunststoff im Innern des iPhones aussieht, interessiert nur wenige Hersteller. Aber im Schaltschrank müssen Elektroelemente wie Klemmleisten durch Farben unterscheidbar sein. Bei Clariant führte die steigende Nachfrage schon 2010 zur Entscheidung, die bestehenden Produktionskapazitäten in Knapsack zu verdoppeln - obwohl zuvor bereits die Kapazität der ursprünglichen Anlage bedeutend erhöht wurde, wie Michael Grosskopf weiß, der die Geschäftseinheit Additive leitet. Schon bei der Eröffnung der Erweiterungsanlage versicherte er für einen möglichen weiteren Ausbau: „Die Pläne liegen fertig in der Schublade.“ Dass diese Pläne weiterhin auf Deutschland als Produktionsstandort setzen, ist eine kleine Sensation, wenn man bedenkt, dass der Löwenanteil des Produkts nach China geht. Zwar wuchs der Anteil europäischer Abnehmer durch den Boom der Photovoltaik. Doch seit die Subventionen eingestellt wurden, kommen wieder vermehrt asiatische Hersteller zum Zug. Und auch Unterhaltungselektronik wie Mobiltelefone und Laptops wird heute in überwältigender Mehrheit in Asien hergestellt.
Made in Germany, verarbeitet in China
Aber wieso produziert der Konzern seine Flammschutzmittel nun nicht direkt am Absatzmarkt? Dr. Ulrich Ott, Leiter der Deutschland-Einheit und der Region Europa, nennt gut ausgebildete Mitarbeiter, die ausgebaute Infrastruktur, stabile politische Systeme und weitreichende Planungssicherheit als Gründe für die Entscheidung für Knapsack. „Auch wenn Europa für viele unserer Produkte nicht mehr die Wachstumsregion darstellt, so ist Deutschland im internationalen Vergleich doch nach wie vor ein Standort mit hoher Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit“, meint er - mit Blick nicht nur auf die Produktion, sondern auch, was Forschung und Entwicklung anbelangt. Mit der neu eröffneten Erweiterung ist die Depal-Produktion in Knapsack momentan mit etwa 60Prozent ausgelastet. Doch der Markt für FSM wächst derzeit mit rund sechs Prozent jährlich. Und halogenfreie Verbindungen werden wohl schon bald ihre umweltschädlicheren Vorgänger abhängen. Sollte der Schweizer Chemiekonzern in einigen Jahren erneut eine Erweiterung ankündigen, werden Marktbeobachter sich nicht wundern.