Die Dekarbonisierung ist die größte Herausforderung für das Change Management, der sich Unternehmen heute gegenübersehen. Net-Zero-Programme werden häufig als einzelne, lokal begrenzte und kurzlebige Initiativen behandelt, anstatt als umfassende, unternehmensweite Veränderungen, die für einen substanziellen Fortschritt notwendig sind.
Sie existieren oft isoliert und haben nur einen begrenzten Einfluss auf die übergeordneten Unternehmensziele, was zu einer systematischen Unterausstattung mit Ressourcen und einer unzureichenden Priorisierung innerhalb der Organisation führt. Dadurch wird ihre Fähigkeit, eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, erheblich beeinträchtigt.
Die Ergebnisse des Net Zero Reports von Engie Impact zeigen, dass derzeit zwei Drittel (66 Prozent) der Organisationen in irgendeiner Form eine öffentliche Verpflichtung zur Reduzierung der CO2-Emissionen eingegangen sind, aber nur ein bescheidenes Fünftel gibt an, ihre Ziele erreicht oder sogar übertroffen zu haben. Dieses bestätigen auch die Daten des Net Zero Tracker, einer Datenbank der Non-Profit-Organisation The New Climate Institute. Von den 2.000 umsatzstärksten Unternehmen der Welt haben nur 2 Prozent einen umfassenden Plan, wie sie ihre Net-Zero-Ziele erreichen wollen, während weitere 28 Prozent Pläne veröffentlicht haben, die als unvollständig gelten.
Hürden auf dem Weg zur Dekarbonisierung
Dekarbonisierung ist wie jede komplexe Veränderungsinitiative in einem Unternehmen auf mehreren Entscheidungsebenen angesiedelt und erfordert einen ganzheitlichen unternehmerischen Ansatz. Es handelt sich nicht um ein lineares Unterfangen, sondern vielmehr um eine komplexe Integration von spezialisiertem Dekarbonisierungs-Know-how und organisatorischen Transformationsfähigkeiten.
Schwerpunktsetzung bei der Dekarbonisierung
Viele Führungskräfte unterstützen die langfristige Vision, verfolgen aber oft einen reaktiven statt transformativen Ansatz. Es ist wichtig, klare Ziele zu setzen, die geschäftlichen Beweggründe zu erläutern und die Umsetzung auf allen Ebenen zu priorisieren. Wie bei Gesundheit und Sicherheit sollten Führungskräfte der Dekarbonisierung oberste Priorität einräumen und Ressourcen für diejenigen bereitstellen, die den größten Einfluss auf die Umsetzung haben. Ein transformativer Ansatz hilft dabei, konkurrierende Prioritäten zu beseitigen und ein nachhaltiges Engagement für die Dekarbonisierung zu gewährleisten.
Wirksame Governance für die Dekarbonisierung
Vielfach wird auf zentralisierte Unternehmensprojekte unter der Leitung eines Chief Sustainability Officers (CSO) gesetzt. Doch selbst erfahrene CSOs sind meist mit Governance-Strukturen konfrontiert, die für eine schnelle Dekarbonisierung suboptimal sind. Herkömmliche Governance- und Change-Management-Systeme sind oft nicht in der Lage, effektive Dekarbonisierungsprogramme zu integrieren. Vordenker der Dekarbonisierung erkennen die Notwendigkeit organisatorischer Veränderungen, die eine umfassende Governance-Anpassung erfordern.
Unternehmen sollten eine breitere Perspektive einnehmen, wenn sie in die Dekarbonisierung auf Standort- oder Werkebene investieren. Sie sollten Synergien durch horizontale Koordination über Kompetenzsilos hinweg suchen. Chancen für einen beschleunigten Fortschritt durch gemeinsame Ressourcennutzung können durch einen isolierten Ansatz auf Standortebene verpasst werden.
Dekarbonisierung finanzieren
Budgets für Investitionen zu finden, ist eine Herausforderung. Hohe Zinssätze können Nachhaltigkeitsprojekte zudem als zusätzliche Kosten erscheinen lassen, wodurch herkömmliche Finanzierungsoptionen an Attraktivität verlieren. Viele Kreditgeber sind jedoch bereit, Unternehmen zu unterstützen, die ihre Emissionen reduzieren wollen. Kapital in Form von Green Bonds oder Net Zero Übergangskrediten ist verfügbar, was die Bedeutung innovativer Drittfinanzierungen für große grüne Investitionen unterstreicht.
Die Zusammenarbeit zwischen Chief Financial Officers (CFOs) und Nachhaltigkeitsexperten ist entscheidend. Die Dynamik zwischen dem CFO und dem CSO gewinnt an Bedeutung, insbesondere da die Finanzfunktion zunehmend verpflichtet ist, nachhaltigkeitsrelevante Informationen zu veröffentlichen. Diese Entwicklung unterstreicht die zentrale Rolle der Finanzfunktion bei der Planung der Dekarbonisierung und die Notwendigkeit einer frühzeitigen Abstimmung zwischen Finanzierung und Umsetzung.
Integrierte Daten für die Dekarbonisierung
Unternehmen verfügen oft über Energie- oder Kohlenstoffverbrauchsdaten, aber der Zugang ist begrenzt und Kommunikationslücken behindern die Zusammenarbeit. Bei einer intelligenten Datenerfassung geht es darum, interne Barrieren abzubauen, die Zusammenarbeit zu fördern und die vorhandenen Daten effizient zu nutzen.
Unternehmen sollten zwingend überlegen, welche Daten für die Verbesserung der CO2-Effizienz ihres Geschäftsmodells von großer Bedeutung sind. Ein praktischer Ansatz könnte mit Energieverbrauchs- und Abfallkennzahlen beginnen. Schritt für Schritt könnte dann die Datenkapazität erweitert werden.
Ein zweiter Schwerpunkt ist die Datenqualität. Investitionen in die Verbesserung der Datenqualität haben eine Beschleunigung der Verarbeitung und eine Optimierung der Berichterstattung zur Folge. Das Fehlen eines perfekten Datensatzes sollte kein Hindernis für den Fortschritt sein. Eine solide Schätzung der Emissionen kann vorläufig ausreichen.
Ressourcen für die Dekarbonisierung
Die Umsetzung von Dekarbonisierungsstrategien erfordert beispielsweise technisches Wissen, Beiträge von Beschaffungsspezialisten und ein Verständnis für kulturelle Veränderungen. Anreize, Schulungen und die Definition eines Business Case können erforderlich sein. Herausforderungen können durch die Bildung von Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Teammitgliedern bewältigt werden, um eine Vielfalt von Perspektiven zu gewährleisten.
Einige Organisationen suchen Partnerschaften mit externen Dekarbonisierungs- oder Unternehmenstransformationsexperten für kurz- und langfristige Unterstützung. Die Transformation von Mitarbeitenden und Kompetenzen ist ein schrittweiser Prozess, um unterschiedliche Fähigkeiten zu integrieren, die Zusammenarbeit zu fördern und die Dekarbonisierungsbemühungen zu beschleunigen.
Fazit
Die Unternehmen stehen vor der Notwendigkeit, ihre Herangehensweise an die Dekarbonisierung grundlegend zu überdenken. So wie die Entwicklung des Internets und digitaler Technologien in den letzten Jahrzehnten nahezu jeden Aspekt des Geschäftslebens verändert hat, wird auch die Dekarbonisierung die Art und Weise, wie Unternehmen agieren und mit Kunden, Mitarbeitenden und Lieferanten interagieren, nachhaltig beeinflussen. Die Revolution der Dekarbonisierung wird ebenso tiefgreifend, wenn nicht noch tiefgreifender, sein und alle Unternehmen müssen sich zwingend der transformativen Veränderungen bewusst sein, die die Dekarbonisierung mit sich bringen wird.