Dezentrale Antriebstechnik erfreut sich wachsender Beliebtheit. Der Weg von zentral zu dezentral bietet zahlreiche Vereinfachungen und ermöglicht einen kompakten und ökonomischen Aufbau. Statt zentral im Schaltschrank, sitzen Umrichter nahe am Motor oder sind direkt auf ihm angebracht. So werden Schaltschränke in ihrer Größe deutlich reduziert, da sie nur die zentrale Einspeisung beinhalten müssen. In einigen Fällen kann komplett auf sie verzichtet werden, was Platz und Kosten spart. Auch der Aufwand für die Verkabelung fällt bei dezentralen Lösungen viel geringer aus, weil es nicht mehr nötig ist, für jeden Antrieb Motor- und Geberkabel durch die gesamte Maschine zu führen. Ein Kabel reicht für alle Antriebe, was vor allem bei weit verzweigten Anlagen mit mehreren Achsen den Arbeitsaufwand bei der Verlegung sowie Platzbedarf und Materialkosten senkt.
Kompakt und modular
Ein Trend, der dezentrale Antriebstechnik attraktiv macht, ist die zunehmende Modularisierung. Ganze Maschinenteile können im Werk fertiggestellt und schneller in Betrieb genommen werden. Außerdem können Maschinenbauer Maschinenmodule anbieten und damit kundenspezifische Wünsche flexibler realisieren. Die Gesamtinbetriebnahme der Anlage muss nicht mehr beim Maschinenbauer erfolgen, sondern kann direkt beim Kunden durchgeführt werden.
Schon seit geraumer Zeit setzt Baumüller dezentrale und zentrale Antriebe in modularen Maschinenkonzepten ein: Der Einsatz von dezentralen Antrieben erlaubt abhängig von der Applikation einen wirtschaftlicheren Aufbau. Oft ist die Entscheidung für eine dezentrale Lösung schlicht eine Entscheidung für kompakten Aufbau.
Eingesetzt wird die Technik bei unterschiedlichen Anwendungen. Baumüller bietet nicht nur für industrielle Anwendungen dezentrale Konzepte, sondern auch im Bereich der mobilen Antriebe. Das mobile Antriebskonzept powerMELA, das in Stadtbussen und Erntemaschinen Gebrauch findet, kombiniert einen wirkungsgradoptimierten permanenterregten Synchronmotor mit einem Umrichter. Vorteil ist der kompakte Aufbau des Systems. Sowohl im industriellen als auch im mobilen Bereich muss individuell abgewägt werden, welche Art und Kombination die passende Lösung darstellt.
Stellt sich ein dezentrales System als die wirtschaftlichere Lösung heraus, kann in der Regel ohne Probleme umgestellt werden. Bei Baumüller etwa gehören beide Antriebe zur gleichen Produktfamilie. Die mechanischen Motoranbindungen bleiben daher gleich und bei der Inbetriebnahme ändert sich nichts. In der Maschine muss lediglich der Einbauraum für die Elektronik vorhanden sein. Auch die Firmware sowie die Feldbusoptionen in den Geräten sind bei einer Umstellung identisch. Das heißt, es bestehen keine Unterschiede in den Funktionalitäten der Geräte oder bei deren Softwaretools.
Sollte konstruktionsbedingt kein Platz mehr für den aufgebauten Regler vorhanden sein, gibt es die Möglichkeit, die Elektronik motornah anzubringen. Voraussetzung dafür ist, dass sowohl der Motor, als auch der Umrichter über eine hohe Schutzart bis zu IP 65 verfügen. Zum Vergleich: Umrichter im Schaltschrank haben in der Regel nur IP 00 oder IP 20. Für den dezentralen Einsatz werden daher andere Gehäuse notwendig. Das gesamte Paket muss darüber hinaus die Rahmenbedingungen im Bezug auf Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel Temperatur und Vibration, erfüllen.
Auf Motorenseite eignen sich die Baumüller-Motoren ohne zusätzliche Änderungen für den Einsatz in dezentralen Antriebskonzepten. Auch im Falle eines späteren Umbaus sind sie leicht zu handhaben. Anlagen können besser erweitert werden und sind schneller zugänglich, was alternative Servicekonzepte ermöglicht. Es müssen keine Änderungen im Schaltschrank vorgenommen werden, lediglich die Antriebe an der Maschine werden angepasst. Es können Antriebe hinzugefügt oder weggelassen werden, da ausschließlich die Kabellänge variiert werden muss. Im Servicefall kann so ein defekter Antrieb schnell entnommen und durch einen anderen ersetzt werden, wodurch Stillstandzeiten vermieden werden.
Keine Schaltschrankkühlung
Kein Problem bei der Umstellung bereitet die EMV, denn für zentrale und dezentrale Lösungen gelten die gleichen Normen. Verglichen mit zentralen Konzepten müssen Maschinenbauer bei dezentralen Konzepten keine zusätzlichen Entstörmaßnahmen wie Filter oder Drosseln integrieren. Die kurzen Motorleitungen können im System hinsichtlich EMV sogar hilfreich sein.
Ein weiteres entscheidendes Thema ist die Kühlung. Bei dezentralen Lösungen fällt die Schaltschrankkühlung weg, wodurch Einsparungen entstehen. Die direkt am Antrieb austretende Wärme wird normalerweise an die Umgebung abgegeben. Nur wenn die Umgebungstemperatur an der Maschine einen gewissen Wert nicht übersteigen darf, muss mit geeigneten Kühlmaßnahmen entgegengewirkt werden. Sie sind bedingt durch den jeweiligen Produktionsprozess dann aber meistens ohnehin schon an der Anlage vorhanden.
Der Faktor Kühlung ist ein Grund, warum sich dezentrale Antriebstechnik im industriellen Umfeld vor allem bei kleinen Einzelleistungsbedarfen durchsetzen wird. Branchen, die dezentrale Antriebe nutzen können, sind etwa Verpackung, Lebensmittel und Logistik, aber auch solche, wo sehr viele Antriebe in einer Maschine verbaut werden, beziehungsweise Platz gespart werden muss. Im mobilen Bereich bietet Baumüller eine Auswahl an dezentralen Antrieben mit Nennleistungen bis 140 kW. Diese hohen Leistungen machen allerdings zusätzliche Maßnahmen, etwa hinsichtlich Kühlung, notwendig.
Sowohl was die Integration als auch was die Kosten anbelangt, müssen bei der Entscheidung für oder gegen dezentrale Antriebe oder für eine Mischform die jeweiligen Vorzüge berücksichtigt werden. Um Erfolg zu erzielen, sind Beratung und ein gut sortierter Baukasten an Produkten notwendig. Am Ende steht der größtmögliche Kundennutzen im Vordergrund. Darum muss ein Produktspektrum angeboten werden, das zentrale, dezentrale und hybride Antriebssysteme gleichermaßen abbildet und der Vielzahl der Applikationen entsprechen kann.