Prozessautomation & Messtechnik Futter für die Drahtlosen

ABB AG


Das drahtlose Thermometer ist direkt am Rohr montiert, Kabel und Schutzrohre werden nicht benötigt. Denn es wird über Mikro-TEGs versorgt.

03.05.2012

Im industriellen Umfeld bietet batteriegestützte Drahtlos-Technologie oft nur unbefriedigende Teillösung. Der britische Feinchemie-Hersteller Robinson Brothers testet bereits die Stromversorgung seiner Messgeräte mit thermoelektrischen Generatoren. Die Harvester-Einheit funktioniert zuverlässig - bereits seit über drei Monaten.

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Vermaschte Netzwerke tragen deutlich zur Zuverlässigkeit drahtloser Kommunikation bei. Diese bieten räumlich redundante Kanäle zwischen zwei Knoten innerhalb des Netzes durch Weiterleitung von Nachrichten über verschiedene Wege. Das erhöht die Fehlertoleranz der Kommunikation und ermöglicht die Realisierung von Netzwerken, die sowohl gegen den Ausfall von Kommunikationsverbindungen als auch von Routergeräten tolerant sind. Durch die räumliche Redundanz von vermaschten Netzwerken wird auch in ISM-Bändern (Industrial, Scientific, Medical) eine zuverlässige Kommunikation gewährleistet. Natürlich sind die Weiterleitung von Nachrichten und die erhöhten Anforderungen an die Datensicherheit mit einem zusätzlichen Energiebedarf verbunden, der durch Energieoptimierung ausgeglichen werden muss.

Energie ernten aus der Temperaturdifferenz

Beim Einsatz drahtlos kommunizierender Geräte lassen sich erhebliche Einsparungen erzielen, wobei allerdings ein regelmäßiger Austausch von Batterien diese Einsparungen schnell wieder zunichte machen kann, was wiederum den Einsatz batteriebetriebener Geräte infrage stellt. Beim Energy Harvesting - wörtlich: Energie ernten - wird Energie aus der Prozessumgebung in nutzbare elektrische Energie umgewandelt, die wiederum zur Versorgung drahtloser Geräte genutzt wird. Die am häufigsten eingesetzten Mechanismen sind photovoltaische, thermoelektrische und kinetische Wandler. Thermoelektrische Generatoren (TEG) nutzen den Temperaturunterschied zwischen heißen oder kalten Prozessen und der Umgebung, um Wärmeenergie mithilfe des Seebeck-Effekts in elektrische Energie umzuwandeln. Der Wirkungsgrad von TEGs ist zwar recht niedrig, doch die Technologie ist robust und stabil. Besonders in der Prozessindustrie stehen häufig große Temperaturreservoire und damit große Wärmemengen zur Verfügung. Die von handelsüblichen TEGs bereitgestellte Leistung reicht aus, um eine Vielzahl von drahtlosen Sensorknoten in unterschiedlichen Szenarien zu versorgen. Einem internationalen Team von Entwicklern und Wissenschaftlern bei ABB ist es gelungen, einen autarken Temperatur-Messumformer mit einem vollständig integrierten Energy-Harvesting-System auf der Basis von thermoelektrischen Generatoren zu realisieren. Die TEGs wurden so in das Gerät integriert, dass die Handhabung, Stabilität und der Formfaktor des Thermometers unverändert bleiben, während die Lebensdauer und die Messwertaktualisierungsrate gegenüber batteriegespeisten Geräten erheblich verbessert werden. Der ABB Energy Harvester verfügt außerdem über eine intelligente Pufferlösung, die eine Versorgung auch dann sicherstellt, wenn die Temperaturdifferenz einmal nicht ausreicht, um daraus genügend Energie abzuzweigen. Aufgrund der vorgegebenen Größe des gewählten Thermometers war eine Integration herkömmlicher TEGs, die normalerweise eine Größe von 10 cm² bis 20 cm² haben, nicht möglich. Stattdessen wurden neuartige mikrothermoelektrische Generatoren - so genannte Mikro-TEGs - eingesetzt, die in einem waferbasierten Fertigungsverfahren hergestellt werden. Die größte Herausforderung bei der Integration in die Geräte bestand darin, die Stabilität und Robustheit des Messumformers zu erhalten. In den meisten Fällen ist der Prozess wärmer als die Umgebungsluft, sodass die „heiße“ Seite der TEGs mit möglichst optimaler thermischer Leitfähigkeit an den Prozess gekoppelt werden muss. Die andere Seite ist zum Kühlen über einen Kühlkörper mit der Umgebungsluft gekoppelt. Um Anwendungen gerecht zu werden, in denen das Prozessrohr von einer dicken Isolierung umgeben ist, muss der Kühlkörper in ausreichendem Abstand positioniert werden.

Überschuss ab 30 K Temperaturdifferenz

Bei einem Mindesttemperaturunterschied zwischen dem Prozess und der Umgebung von etwa 30 K ist das System in der Lage, genügend Energie sowohl für die Messtechnik als auch die drahtlose Kommunikation zu liefern. Bei Temperaturgefällen von mehr als 30 K wird mehr Energie gewonnen als benötigt wird. Dieser Überschuss könnte genutzt werden, um schnellere Aktualisierungsraten zu ermöglichen. Um den Wärmestrom durch die TEGs zu maximieren, wurden umfangreiche numerische Simulationen durchgeführt. Seit 2011 arbeitet ABB mit Kunden zusammen, um zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Erfahrungen in der Praxis zu sammeln und Wünsche der Anwender bei weiteren Produktentwicklungen zu berücksichtigen. Als einer der ersten setzte der britische Hersteller von Spezialchemikalien Robinson Brothers auf Wireless-Technologie kombiniert mit autarker Energieversorgung von ABB. Eingesetzt werden die Thermometer zur Temperaturmessung im Pipelinenetz der zentralen Dampfversorgung. Das Powermanagement der Geräte erlaubt die pausenlose Auswertung der momentan aktiven Energiequelle: Pufferbatterie oder TEG. Mediumtemperatur und Elektroniktemperatur liefern Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit der Harvester-Einheit und somit auf die Stabilität der Energieversorgung.

„Ewig betreibbar - ohne Energie aus der Pufferbatterie“

„Das Thermometer ist nun seit mehr als drei Monaten in Betrieb und benötigt keinerlei Energie aus der Pufferbatterie“, sagt Tom Rutter, Leiter der MSR-Technik. „Es sieht so aus, als könnte es ewig so weiter arbeiten, wenn nur Dampf durch die Leitung strömt.“ Das System wurde vom Spezialisten ICA Services installiert, welcher Energy Harvesting empfiehlt, um insbesondere den Verdrahtungsaufwand zu minimieren. Bei der Version zur Rohrmontage und indirekter Messung über die Oberflächentemperatur dauerte es von der Installation bis zur zentralen Anzeige der ersten Messwerte weniger als eine Stunde. Keine Verdrahtungspläne, keine Kabel, kein Schutzrohr. Die Anlage musste nicht abgeschaltet werden, um den zusätzlichen Messpunkt zu erschließen. Das System bei Robinson Brothers benötigt eine minimale Temperaturdifferenz von etwa 30 K zwischen Rohroberfläche und Umgebung. Das Thermometer sendet seine Messwerte alle acht Sekunden aus der Produktionshalle an ein Wireless Gateway auf dem Dach des gegenüberliegenden Bürogebäudes. Von dort gelangen die Messwerte in das Firmennetzwerk und per ModbusTCP an den Schreiber. Dieser ist in der Lage, Messwerte grafisch darzustellen und über viele Wochen zu archivieren. „Ich sehe keinen Grund, warum wir die Energy-Harvesting-Technologie nach dieser erfolgreichen Erprobungsphase nicht weiter einsetzen sollten“, sagt Tom Rutter. „Wir haben immerhin um die 10.000 Signale am Standort, aber bislang kaum Erfahrungen mit Wireless-Technologie. Wir werden das in zukünftigen Projekten auf jeden Fall berücksichtigen, da das Einsparpotenzial bei Verdrahtungskosten und Installationsaufwand gegenüber konventioneller Installation offensichtlich ist.“ Mit einem Anteil von 90Prozent belegen Verdrahtung und Installation den Löwenanteil bei der Realisierung einer Temperaturmessstelle. Da ist der Einsatz von Wireless-Technologie nicht nur technologisch sondern auch wirtschaftlich interessant. ABB arbeitet auch an der Erschließung weiterer Energiequellen, die in typischen Installationen der Prozessindustrie zur Verfügung stehen, wie Licht, Vibration, elektromagnetische Felder, kinetische Energie von strömenden Medien oder bewegten Teilen.

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