Fachbeitrag Geburt der transparenten Kette

04.02.2013

In der Logistikkette hat oft die kleinste �?nderung große Auswirkungen. Besonders bei Just-in-Time- oder Just-in-Sequence-Vorgängen ist es wichtig, dass bei Problemen schnell reagiert werden kann. Für solche Fälle wird die vollständig transparente Lieferkette entwickelt. Eine erste Demo-Version war jetzt erfolgreich.

Mangelnde Datenverfügbarkeit, geringe Informationstransparenz und unzureichende oder fehlende Integration der Informationssysteme sind die Probleme, mit denen produzierende Unternehmen kämpfen. Sie verhindern eine effiziente Gestaltung der Produktionsplanung und Auftragsabwicklung. Um diese Prübleme zu lösen, forschen im Campus-Cluster Logistik des Forschungsinstituts für Rationalisierung (FIR) an der RWTH Aachen Hochschule und Industrie gemeinsam an neuen Konzepten für Produktion, Logistik und Dienstleistung. Das Cluster stellt eine Entwicklungs- und Testumgebung bereit, um die komplexen Zusammenhänge in der Logistik zu entschlüsseln und sie schließlich in einer realen Produktions- und IT-Umgebung zu veranschaulichen. Eine Produktion marktfähiger Erzeugnisse innerhalb des Clusters bietet neben der Fertigung eine direkte Testumgebung in einer realen Wertschöpfungskette, in der Demonstratoren und Piloten zum Einsatz kommen. Schon heute hat das FIR zahlreiche unterschiedliche Lösungen in seine Innovationslabore integriert und miteinander vernetzt. So können verschiedene ERP-Systeme in einer mehrstufigen Lieferkette miteinander papierlos kommunizieren und wichtige Dispositionsdaten austauschen. Außerdem wurde durch die Integration von Auto-ID-Lösungen die Reaktionsfähigkeit innerhalb der einzelnen Planungsstufen erheblich erhöht.

Horizontal und vertikal sehen und reagieren

Aufgrund der geringen Informationstransparenz können Supply-Chain-Akteure heute nur ihre lokalen Prozesse überschauen und sehen dabei nicht das Gesamtbild, das wirtschaftlich gesehen zu günstigeren Entscheidungen führen kann. Dazu muss sowohl die horizontale als auch die vertikale Integration betrachtet werden. Unter der vertikalen Integration versteht man die Harmonisierung und Integration der unternehmensinternen Informationstechnik von der automatisierten Erfassung hochauflösender Bewegungsdaten bis zur Nutzung dieser Daten in Planungs- und Steuerungssystemen. Die horizontale Integration bezeichnet den unternehmensübergreifenden Austausch relevanter Informationen entlang der Lieferkette. Sie befähigt Unternehmen elektronische Nachrichten wie Bestellungen, Bestellbestätigungen oder Lieferavisen papierlos und ohne großen Zeitverzug auszutauschen. Gleichzeitig ermöglicht die horizontale Integration, logistische Kooperationskonzepte wie das Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR) effizient einzusetzen und so die Gefahr von sich aufschaukelnden Beständen und Bestellmengen deutlich zu verringern. Gerade im überbetrieblichen Kontext kommen die Vorteile des Electronic Product Code Information Service (EPCIS) zum Tragen: Es können EPCIS-Ereignisse zwischen Beteiligten der Wertschöpfungskette ausgetauscht und somit Intransparenzen im Warenfluss reduziert werden. Das Zusammenspiel von vertikaler und horizontaler Integration bietet eine stabile Basis für flexible Lieferketten. Durch schnellere Reaktionsfähigkeit und transparente Prozesse kann man Kosten gezielt einsparen. Auf dem Weg zu einer reaktionsfähigen und nachhaltigen Lieferkette muss aber nicht nur die Echtzeitfähigkeit der Systeme und der Kommunikation zwischen den Systemen geschaffen werden. Auch die Informationstransparenz zwischen allen beteiligten Aufgabenträgern ist wichtig.

Logistikdemonstrator im Einsatz

Ein vom FIR gemeinsam mit den Partnern des Logistik-Clusters entwickelter Demonstrator macht die komplexen Zusammenhänge in der Logistik erlebbar und die Potenziale der vertikalen und horizontalen Integration begreifbar. Er bildet dabei wesentliche Schritte der Auftragsabwicklung vom Auslösen des Kundenauftrags bis zur Rohwarenbeschaffung ab. Auf der Cebit konnten Besucher im vergangenen Jahr das System testen, indem sie am Logistikdemonstrator einen Auftrag zur Produktion eines individuellen USB-Sticks über einen Webshop aufgaben. Die daran anschließende inner- und überbetriebliche Auftragsabwicklung wird durch den Einsatz zahlreicher Technik wie RFID und Sprachsteuerung unterstützt. Trotz der unterschiedlichen ERP-Systeme entlang der Lieferkette kann die Auftragsabwicklung reibungslos über den Standard myOpenFactory durchgeführt werden. Eine Rückverfolgung der Materialströme ist per RFID-Tags auf Artikelebene jederzeit möglich. Dazu nutzt der Logistikdemonstrator GS1-Standards. Die versandten USB-Stick-Rohlinge werden mit einem standardisierten Versandetikett und dem Serial Shipping Container Code (SSCC) auf der Verpackung ausgezeichnet. Nach automatisierter Vereinnahmung beim Produzenten und Abgleich mit dem im Vorfeld elektronisch versandten Lieferavis werden die Rohlinge mit lasergraviertem Schriftzug sowie mit spezifischen Dokumenten auf dem Stick kundenindividuell veredelt. Die Produzenten statteten in diesem Beispiel die Einzelprodukte mit einer serialisierten Artikelnummer aus. Diese sowohl auf einem RFID-Tag als auch in einem GS1-DataMatrix hinterlegten Idente ermöglichen eine eindeutige Zuordnung und Rückverfolgbarkeit von (Vor-)Produkten und Sendungseinheiten, auch im Sinne des EPCIS. So können nachgelagert beim Händler diese Idente genutzt werden, um Bestellungen mit Lieferungen abzugleichen sowie unter Zuhilfenahme von Pick-by-Voice-Lösungen die Ein- und Auslagerung unterstützten. Der Demonstrator zeigt, wie man Prozesse in Einkauf, Produktion und Vertrieb deutlich effizienter gestalteten kann und wie Unternehmen schneller auf Informationen zugreifen und somit auf Probleme wie einen drohenden Lieferverzug reagieren können. Zum Beispiel sind die Auswirkungen einer 20Prozent höheren Bestellung des Händlers direkt für alle Teilnehmer sichtbar und es kann auf allen Ebenen entsprechend reagiert werden.

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