Welche Vorteile bringt eine MES-Plattform gegenüber Insellösungen?
Martin Seer
Eine MES-Plattform bietet jede Menge Vorteile. Ein besonders wichtiger ist, dass sich Verantwortliche jederzeit einen aktuellen Überblick über den kompletten Produktionsprozess verschaffen können. Dadurch lassen sich Prozesse optimieren und redundante Arbeiten vermeiden, was sich positiv auf die gesamte Produktion auswirkt. Durch die hohe Transparenz steigt die Produktqualität, Schwachstellen sind frühzeitig erkenn- und behebbar. Das führt zu einer höheren Effizienz und, was besonders erfreulich ist, zu Kosteneinsparungen. Da eine MES-Plattform mit einer einheitlichen Datenbasis arbeitet, stehen allen Mitarbeitenden die gleichen Informationen und Standards zur Verfügung. Sie können auf eine lückenlose Dokumentation und Historie der Prozesse und Produktionsschritte zurückgreifen. Gerade in regulierten Industrien ist das essenziell. Insellösungen und Eigenentwicklungen dagegen sind meistens von Einzelpersonen geprägt und bringen Abhängigkeiten mit sich. Verlässt der Programmierer, der maßgeblich an der Entwicklung des Systems beschäftigt war, das Unternehmen wandert mit ihm fundiertes Wissen ab. Ohne eine genaue Dokumentation wird die Wartung zur Herausforderung. Nicht nur deswegen sollten Fertigungsunternehmen auf digitale Transformation setzen, sondern um Echtzeitanalysen durchführen, IIoT einführen oder übergeordnete Systeme anbinden zu können.
Was unterscheidet HYDRA X for Process von anderen Manufacturing Execution Systemen auf dem Markt – welche Alleinstellungsmerkmale bietet Ihre Lösung?
Seer
HYDRA X for Process ist ein Manufacturing Execution System, das sowohl die Anforderungen der diskreten Fertigung als auch der Prozessindustrie wie etwa bei der Lebensmittel- oder Pharmaherstellung erfüllt. Das MES kombiniert die etablierten Kernelemente von HYDRA X mit prozessorientierten mApps, Manufacturing Apps. Dadurch entstehen maßgeschneiderte Lösungen, die kombinierbar sind und sich für prozessübergreifende Produktionslandschaften eignen.
Sie adressieren verschiedene Branchen mit maßgeschneiderten Lösungen – welche spezifischen Herausforderungen in der Prozessindustrie kann die MES-Plattform von MPDV und dem Tochterunternehmen Felten besonders effizient lösen?
Seer
Hersteller von Lebensmitteln, Kosmetika, pharmazeutischen oder chemischen Produkten sind zunehmend mit sich ständig ändernden Anforderungen konfrontiert. Das kann zum Beispiel die Produktion in kleinen Losgrößen und vielen Varianten sein, wenn sich Bestellmengen kurzfristig ändern oder Produkte schnell verfügbar sein müssen. Diese Herausforderungen lassen sich nur durch eine effiziente Feinplanung lösen, in der Mitarbeitende dank bedienergeführter Prozesse und Echtzeiterfassung sicher durch den Prozess gelenkt werden. So werden Arbeitsschritte transparent und bieten einen 360-Grad-Überblick über alle Geschehnisse – inklusive kritischer Kontrollen und richtiger Verarbeitung von beispielsweise Gefahrenstoffen in der chemischen Industrie.
Ein anhaltendes Thema ist KI: Integriert HYDRA X Künstliche Intelligenz, um Produktionsprozesse zu optimieren?
Seer
Mit unserer AI Suite – KI für die Fertigung – bieten wir Standardanwendungen an. Das hat den Vorteil, dass wir für das Training der KI auf die CRISP-DM-Methode, das Standard-Modell für Data Mining, verzichten können, da sie aufwändig und teuer ist. Unsere Manufacturing Integration Platform (MIP) liefert die Daten für die AI Suite. Sie analysiert und erstellt Prognosen – etwa über Ausschuss, Rüstzeit, Nutzgrad oder Betriebsmittelkonten. Zusammen mit der KI-basierten Ermittlung realistischer Vorgabewerte und Vorhersagen über die Produktqualität verbessern sich die Planungsergebnisse und Produktivität.
Wie unterscheiden sich mApps von klassischen MES-Modulen? Welche Vorteile bringen sie?
Seer
Zuerst waren MES monolithisch aufgebaut, dann wurden sie modularisiert. Mit mApps wird die Modularisierung konsequent fortgeführt. Die Anwendungen sind voneinander vollständig unabhängig und ermöglichen Produktionsunternehmen eine sehr hohe Flexibilität. Sie können mApps ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend passgenau zusammenstellen, da sie sich beliebig miteinander kombinieren lassen. Einen Überblick über die mApps von uns und unseren Partnern können Sie sich in unserem MIP-Marketplace verschaffen.
Was sind die wichtigsten mApps innerhalb von HYDRA X for Process und welche Aufgaben erfüllen sie?
Seer
Wir teilen mApps in insgesamt vier Bereiche ein: Im Compounding und Recipe Management werden die Daten für die richtigen Misch-, Dosier- und Verwiegeprozesse von Substanzen oder Zutaten bereitgestellt. Mengenangaben, Qualitätsstandards sowie andere Herstellerangaben müssen dabei präzise eingehalten, in Rezepten verwaltet und in der Produktion digital dokumentiert werden. Bei Provisioning Logistics werden die Daten von Komponenten und Equipment für die Produktionsprozesse zugeordnet. Hier liegt die Herausforderung mitunter darin, durch die Überwachung und Steuerung von Bereitstellungspuffern und Materialbewegungen Engpässe zu vermeiden. Der vierte Bereich Process Saftey & Integrity umfasst ganzheitliche Sicherheitsmanagement-Systeme wie Hazard-, GHS-, Gefahrengutmanagement und HACCP inklusive Personalanweisungen. Dadurch können die Produktionsprozesse lückenlos und detailliert rückverfolgt, dokumentiert und analysiert werden.
Wie einfach ist es, neue mApps zu integrieren oder bestehende anzupassen? Gibt es individuelle Anpassungsmöglichkeiten für Unternehmen??
Seer
Wenn beispielsweise ein Application-Manager in einer Organisation den Auftrag bekommt, eine mApp anzupassen, dann müssen ihm dafür einfache Mittel zur Verfügung stehen. Wir setzen auf Low-Code-, beziehungsweise No-Code-Anwendungen, die auch Citizen Developer, Anwender ohne Programmierkenntnisse, verwenden können. Deswegen sprechen wir lieber von Modellierung einer mApp als von Programmierung. Das Ökosystem, um neue mApps zu integrieren ist die Manufacturing Integration Plattform (MIP). Dank des offenen Plattformansatzes bieten wir die Möglichkeit, mApps von MPDV und dem Tochterunternehmen Felten mit denen anderer Anbieter beliebig zu kombinieren. Damit hebeln wir den sogenannten Vendor-Look-Effekt, also die Abhängigkeit von einem Anbieter, zugunsten einer hohen Flexibilität bei der Wahl der mApps aus. So können Produktionsunternehmen individuell und ihren Bedürfnissen entsprechend entscheiden, welche Anwendungen für sich wichtig sind.
Wie wird sich HYDRA X weiterentwickeln, um den steigenden Anforderungen an Digitalisierung, Transparenz und Energieeffizienz gerecht zu werden?
Seer
Das gesamte Team von MPDV und Felten arbeitet täglich an der Weiterentwicklung unserer Produkte, um unseren Kunden und Interessenten die passenden Lösungen zu liefern. Eine besonders große Rolle spielen dabei offene Schnittstellen, vielfältige Konfigurationsmöglichkeiten, um eigene Anwendungen entwickeln zu können. In Zeiten schnelllebiger Produktionszyklen und immer kleiner werdenden Losgrößen, müssen Manufacturing Execution Systeme ebenso schnell anpassbar und flexibel sein. Deswegen bieten wir für kostenintensive Bereiche wie Medien- und Energieverbrauch mApps an, mit denen die Produktionsabläufe ganzheitlich ausgewertet und vorausschauend betrieben werden können.