Immer wenn der Chemielehrer Schutzbrillen austeilte und uns Schüler aufforderte, unbedingt auf unseren Plätzen zu bleiben, wussten wir: Gleich wird etwas Aufregendes passieren. Chemie ist eben, wenn’s stinkt und kracht – oder besser noch beides. Das haben uns unsere Lehrer immer wieder gerne vor Augen geführt. Am besten erinnere ich mich an die Knallgasprobe.
Ein scheinbar leeres Reagenzglas mit einem Stopfen verschlossen, eine kleine Kerze – und los gings. Kaum war der Stopfen weg und das Reagenzglas über die Flamme gehalten, dann konnten wir „Chemie“ hören. Manchmal ein Pfeifen, manchmal ein Ploppen oder sogar einen ordentlichen Knall. Schüler, die genau hinsahen, entdeckten dann im Reagenzglas ein paar Tröpfchen. Der Lerneffekt ist: Wasserstoff (das unsichtbare Gas im Reagenzglas) + Sauerstoff (am und im Reagenzglas) + Flamme (genauer gesagt: Aktivierungsenergie) erzeugen zusammen eine Explosion – und ein wenig Wasser.
Das Experiment klingt harmlos – und ist es eigentlich auch. Vielen kommen jedoch bedrohlichere Szenarien in den Sinn, wenn sie an Wasserstoff denken. Tatsächlich war Wasserstoff bereits an vielen Unglücksfällen in der Geschichte beteiligt. Der wohl Bekannteste ereignete sich 1937, als das mit Wasserstoff gefüllte Luftschiff Hindenburg Feuer fing. Das wäre zwar auch mit anderen Gasen passiert. Aber die Explosion war sehr heftig.
Weniger bekannt ist aber das Unglück in der Styrolfabrik Polysar in Sarnia, Kanada. Im Jahr 1984 kam es dort zu einem Austritt von Wasserstoffgas, der zu einer Explosion führte. Sie forderte zwei Todesopfer und verursachte Schäden in einem Umkreis von bis zu einem Kilometer. Wasserstoff hat also definitiv eine beträchtliche Explosionsenergie.
Zukünftige Bedeutung von Wasserstoff im Energie-Mix
Sicherlich sind diese Negativbeispiele nicht gerade die beste Art, um die enormen Gefahren im Umgang mit Wasserstoff zu diskutieren. Dennoch – unterm Strich gilt: Wasserstoff kann brennen und – noch viel schlimmer – explodieren.
Trotzdem wird in der Industrie mit Begeisterung darüber gesprochen, dass Wasserstoff für einen großen Teil der Dekarbonisierung verantwortlich ist, einschließlich der Verbrennung, der Heizung von Haushalten und Industrieanlagen, der Fahrzeuge und der Balance des erneuerbaren Stromnetzes.
Können diese beiden Perspektiven nebeneinander bestehen? Um es kurz zu machen: Ja. Gefahren sind da, um beherrscht zu werden. Bei den herkömmlichen Energieträgern wie Öl oder Benzin und Gas sind wir an dieses Prinzip gewöhnt. Wer genug über die Gefahren einer Substanz weiß, der kann auch Mittel und Wege entwickeln, diese in den Griff zu bekommen. Dies gilt für Wasserstoff wie für jeden anderen Stoff.
Tatsächlich wird Wasserstoff im Energiemix eine bedeutende Rolle spielen. Denn Sonne- und Windenergie werden schon bald zu den wichtigsten Quellen gehören, wenn es darum geht, den Energiebedarf der Welt in Zukunft zu stillen. Solarenergie und Windkraft scheinen fast unerschöpflich, da sie erneuerbar und nicht endlich sind.
Beide Primärenergiearten sind jedoch nicht ständig verfügbar und selten vorhersehbar. Sie sind sehr stark wetterabhängig. Nachts scheint die Sonne nicht und der Wind weht nicht immer zuverlässig. Daher gibt es ein enormes Problem in Bezug auf Angebot und Nachfrage. Die Wende hin zu regenerativen Energien kann somit nur gelingen, wenn wir das Problem der Speicherung des erzeugten Stroms aus Wind- und Solarenergie dauerhaft lösen.
Wichtiger Energiespeicher für die Erneuerbare Energien
Bestehende Technologien wie Batterien reichen nicht aus, um die erforderliche Speicherleistung zu erbringen. Hier bietet Wasserstoff die Lösung. Mit dem Power-to-Gas-Verfahren kann er durch Elektrolyse von Wasser erzeugt werden, wenn ein Überangebot an elektrischer Energie im Vergleich zur Nachfrage besteht. Das Gas kann gespeichert und / oder über große Entfernungen transportiert werden. Wenn der Strombedarf das Angebot übersteigt, kann der Wasserstoff über Brennstoffzellen oder wasserstoffbefeuerte Turbinen wieder in die benötigte elektrische Energie umgewandelt werden.
Die Verfahren müssen so durchgeführt werden, dass keine Gefahr für Mensch und Umwelt besteht. Wie bereits erwähnt, lassen sich Gefahren nur überwinden, wenn man sie gut kennt. Bei Wasserstoff ist es insbesondere die Brand- und Explosionsgefahr, die von ihm ausgeht, wenn bestimmte äußere Bedingungen nicht sehr präzise eingehalten werden.
So ist etwa nur ein Wasserstoff-Luft-Gemisch mit einer Wasserstoffkonzentration zwischen 4 und 77 Volumenprozent entzündlich. Umgekehrt gilt also: Reiner Wasserstoff lässt sich nicht entzünden. Wichtig ist auch zu wissen, dass die meisten Zündquellen zu einer Entzündung eines explosiven Wasserstoff-Luft-Gemisches führen. Speziell sind auch die Gefahren, die von tiefkaltem flüssigem Wasserstoff ausgehen. Bevor Sie also die Nutzung von Wasserstoff als dauerhaften Energieträger für Ihre Anwendung in Erwägung ziehen, informieren Sie sich unbedingt im Detail über die Eigenschaften von Wasserstoff und seine Gefahren.