Ein Forscherteam der Professur Schaltkreis- und Systementwurf der TU Chemnitz hat die letzte technologische Hürde für ein Indoor-Navigationssystem genommen. „Wir holen die Satelliten ins Gebäude“, sagt Marko Rößler, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur. „Wir nennen diese bei uns entwickelte Navigation ,Seamless Travel‘. Damit übertragen wir das Prinzip der Outdoor- auf die Indoor-Navigation.“
Hochsynchrones Zeitverständnis als Knackpunkt
Damit die nahtlose Navigation gelingt, braucht es im Großen und Ganzen drei Dinge: einen energiesparenden Mikrochip für mobile Geräte, einen Algorithmus, der die Positionssignale verarbeitet, und Satelliten, die die Positionssignale senden. Sowohl den Chip als auch den Algorithmus entwickelten Rößler und sein Team im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojektes „Find-It – Kompetenzplattform Indoor-Positionierung und Logistik“.
Die Gebäude-Satelliten „SatLets“, die ebenfalls an der TU Chemnitz konzipiert wurden, komplettieren den Aufbau und ermöglichen die Erfassung von Personen und Gegenständen im Raum. Was noch fehlte, war ein gemeinsames Zeitverständnis zwischen alle Komponenten.
„Für das Zusammenspiel zwischen Chip, Algorithmus und Satelliten im Gebäude mussten wir ein hochsynchrones Zeitverständnis zwischen den SatLets im Nanosekunden-Bereich herstellen“, erklärt Rößler. Das sei notwendig, weil die Positionsbestimmung im Gebäude über die Vermessung der Funkwellen erfolge, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. In GPS-gestützten Systemen laufe das über Atomuhren, in den SatLets des TU-Teams hingegen wurde das über einen eigens kreierten Algorithmus gelöst. Denn ohne diese exakten Daten funktioniere die Echtzeit-Navigation nicht, wie Rößler betont.
Innovative Anwendungen möglich
Rößler ist sich sicher, dass die Technologie neue, innovative Anwendungen ermöglichen wird, die den Alltag vieler Menschen bereichern. Dazu zählt zum Beispiel nach einer Bahnreisebuchung die Navigation von zuhause ans richtige Gleis und von dort bis zum reservierten Platz im Zug. Auch könnten etwa Bibliotheksbesucher zum Regal mit dem gewünschten Buch gelotst oder Produkte in Super- und Fachmärkten leichter gefunden werden.
Schutz der Privatsphäre
Alle Anwendungsfelder haben dabei eines gemein, wie Rößler ausführt: „Das Besondere an unserem Ansatz ist bei Vorliegen der technischen Voraussetzungen eine nahezu unbegrenzte Anzahl an Nutzern und der Schutz der Privatsphäre durch die Positionsbestimmung auf dem Gerät des Nutzers.“ Außerdem wolle das Forschungsteam Service- und Sicherheitsfunktionen integrieren. So könne ein Notruf mit der exakten Position abgesetzt, die eigene Position mit Freunden und Familie geteilt oder Essens- und Getränklieferungen bis zur Wohnungstür im Gebäudeinneren navigiert werden.
Es ist eine Technologie, die ähnliches Innovationspotenzial hat wie die Outdoor-Navigation, sind sich die Forscher einig. Gegenwärtig integrieren Smartphone-Hersteller die Technologie bereits in hochpreisige Gerätevarianten. Die Patentanmeldung des Algorithmus ist ebenfalls schon angelaufen.