Verfahrenstechnik Gut getaktet

12.06.2014

Über Veränderungen an einer Anlage sollte erst entschieden werden, wenn Aufwand und Nutzen berechnet wurden. Mit ingenieurtechnischem Know-how und Modellierungswerkzeugen lassen sich Engpässe identifizieren, neue Produkte in bestehende Anlagen integrieren und Neuentwicklungen transferieren.

Bei der Optimierung neuer oder bestehender Batch-Anlagen stehen die Betreiber und Planer regelmäßig vor einer Reihe von Fragen: Wie kann die Kapazität der Anlage gesteigert werden? Wo liegen die Engpässe (Bottlenecks) im Prozess? Welche Maßnahme bewirkt wie viel und mit welchem Aufwand ist sie realisierbar? Die Zusammenhänge in den Anlagen sind oft schwer zu überblicken, insbesondere wenn im Prozess unterschiedlich getaktet wird, bei der Herstellung mehrerer Produkte oder wenn das Verfahren Rückführungen enthält. Sollen darüber hinaus kontinuierliche Prozesse integriert werden, erhöht sich die Komplexität noch einmal.

Eine übersichtliche und belastbare Datenbasis ist jedoch oft nicht vorhanden, Bilanzen und Auswertungen zum Ist-Stand lassen sich schwer abbilden. Zwar existieren häufig aus dem Betrieb heraus Verbesserungsvorschläge. Eine Bewertungsgrundlage für die einzelnen Maßnahmen lässt sich aber aus den genannten Gründen nicht oder nur mit enormem Aufwand herstellen. Zudem ist bei vorab definierten Verbesserungswünschen oft fraglich, ob sie tatsächlich dem Gesamtprozess nutzen oder ob die Verbesserung nicht an anderer Stelle wieder zunichte gemacht wird.

Die Prozessplaner von InfraServ Knapsack greifen daher für die Optimierung von Batch-Prozessen auf Modellierungswerkzeuge zurück, wie zum Beispiel den Aspen Batch Process Developer. Mit solchen Tools ist es möglich, das betriebliche Prozess- und Produkt-Know-how mit all seiner Komplexität zu bündeln und somit ein bewertbares Abbild des Ist-Stands zu erzeugen. Auf dieser Basis können die Prozessplaner Ansatzpunkte für Verbesserungen ableiten, die Ergebnisse bewerten sowie den Nutzen von Verbesserungsvorschlägen schneller und genauer quantifizieren. Zudem lassen sich die Berechnungen immer wieder als Grundlage für weitere, neue Varianten-Entwicklungen nutzen.

Ist-Situation abbilden

Die Vorteile einer Batch-Prozesssimulation zeigt der zu Grunde liegende Workflow. Um ein Modell der Ist-Situation zu erstellen, müssen im ersten Schritt belastbare Daten in Form von Apparatelisten oder Ansatzzetteln erhoben werden. Angaben zu realen Batch-Zeiten ergänzen die Datenlage. In der Simulationssoftware werden zunächst die für die Anlage erforderlichen Apparatedaten – vor allem Behältervolumina und zulässige Füllstände – in einer Datenbank hinterlegt. Diese wird dann um die Randbedingungen der beteiligten Reaktionen und Medien ergänzt. Im letzten Schritt gibt der Nutzer die betrieblichen Abläufe und Prozessparameter in Form eines Rezepts ein. Darüber hinaus ermöglicht ein integriertes Schritt-Masse-Zeit-Diagramm, Prozess-Know-how aus unterschiedlichsten Datenquellen übersichtlich zu dokumentieren und dabei gleichzeitig ein leistungsfähiges Rechenmodell des Gesamtprozesses zu erzeugen.

Um sich nach der Eingabe einen Überblick über den gesamten Prozess zu verschaffen, steht unter anderem das Gantt-Diagramm zur Verfügung. Diese Darstellungsform zeigt schnell und übersichtlich, wo Engpässe liegen oder wo Abhängigkeiten existieren, die beispielsweise zu unnötigen Wartezeiten führen. Zusätzlich lässt sich die aktuelle Kapazität einer Anlage durch Hinterlegung von Produktionsplänen einer realistischen Kampagne berechnen. Planer verschaffen sich so eine solide Basis für effektive Verbesserungsideen und deren Bewertung.

Ergebnisse quantifizieren

Aus der Auswertung des Ist-Zustands entwickeln die Prozessplaner gemeinsam mit den Anlagenbetreibern verschiedene Optionen zur Prozessoptimierung, so beispielsweise

  • gezieltes Entkoppeln von Schritten, etwa durch zusätzliche Puffer

  • Optimierung von Abläufen bei Wäschen, Filtrations- und Trocknungsvorgängen

  • Beschleunigung von Aufheiz- oder Abkühlvorgängen sowie von Reaktionen an ausgewählten Stellen im Prozess.

Die Berechnung dieser Varianten wird durch eine Simulationssoftware deutlich vereinfacht, da Anlagen- und Reaktionsdaten sowie die Struktur des Prozesses schon im Programm existieren. Für die Simulation neuer Optionen ist deshalb lediglich ein Duplizieren und Umformulieren der Rezepte sowie gegebenenfalls die Hinterlegung möglicher neuer Apparate in der Datenbank erforderlich – ein großer Vorteil gegenüber den häufig verwendeten Tabellenkalkulationen.

Nach der Berechnung können die Ingenieure das Verbesserungspotenzial im Abgleich mit der Ausgangssituation quantitativ analysieren und daher eindeutig bewerten, ob eine Einzelmaßnahme ausreicht, um die Produktionsziele zu erfüllen oder ob doch eine ganze Reihe von Veränderungen notwendig sind. Dabei lassen sich Kosten und Nutzen für jede Variante gegenüberstellen und bewerten. Ein Abgleich mit dem Apparatebestand zeigt, inwiefern sich vorhandenes Equipment für andere Zwecke einsetzen lässt.

Klarer Blick auf Energien und Emissionen

Das Modell erlaubt neben der Betrachtung des Produktionsprozesses auch das Einbinden von Prozessenergien. So ist es möglich, Heiz- und Kühlmedien in den einzelnen Prozessschritten zu definieren und den Energiebedarf während der gesamten Kampagne zu analysieren. Die Ingenieure können damit prüfen, welche Bedarfsspitzen bei vorgegebener Taktung auftreten und ob sie sich durch die Energieversorgung abdecken lassen. Darüber hinaus können Abluftemissionen aus dem Prozess berechnet werden. Mit den Modellierungswerkzeugen lassen sich aber nicht nur bestehende Anlagen optimieren, sondern auch Verfahren vom Labor- in den Produktionsmaßstab übertragen. Dazu wird das Verfahren zunächst auf Basis der Laborbedingungen implementiert. Unter Berücksichtigung des angestrebten Outputs sowie verfügbarer Apparatedaten können Anwender daraufhin den Prozess programmunterstützt skalieren.

Die während der Optimierung gesammelten Informationen sind über die Simulationssoftware jederzeit abrufbar. Dies gilt für bereits umgesetztes Know-how, kurzfristig umsetzbare Varianten, aber auch für hypothetische Ansätze zur künftigen Geschäftsentwicklung eines Betriebs. So kann das entstandene Modell ohne großen Aufwand in späteren Projekten weiterverwendet werden. Insgesamt stellt die Modellierung von Batch-Prozessen hohe Anforderungen an die Ingenieure. Denn bei der Planung neuer Produktionsanlagen, der Kapazitätserhöhung oder auch der Umrüstung bestehender Anlagen auf andere Produkte ist eine Vielzahl von Daten zu beachten und richtig auszuwerten.

Werkzeuge wie der Aspen Batch Process Developer sind hier für die Prozessplaner der InfraServ Knapsack interessante Hilfsmittel, um die Komplexität von Batchprozessen besser zu beherrschen. Die übersichtlichen Auswertungsmethoden erlauben ein tief greifendes Prozessverständnis und die Identifizerung aller Bottlenecks. Über die quantifizierbare Prozess­performance lassen sich Verbesserungsoptionen einfacher vergleichen sowie jeweils Kosten und Nutzen analysieren. So entstehen letztlich valide Informationen, um Veränderungen an Batchprozessen umfassend zu bewerten und daraus praxistaugliche Schlüsse zu ziehen.

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