09:26 Der Spruch vom Arbeiten, wo andere Urlaub machen, ist inzwischen ein wenig abgedroschen. Doch wenn er bei einem Unternehmen wirklich zutrifft, ist es SRI. Direkt vor den Toren Kemptens mitten im Allgäu gelegen, denkt man hier an alles, nur nicht unbedingt an Elektronikfertigung. Aber genau das ist es, was seit über 50 Jahren bei SRI gemacht wird. Grund genug, einen Blick hinter die ländliche Idylle zu werfen.
09:41 Mein erster Gesprächspartner ist Geschäftsführer Manuel Stelzer. Er verspätet sich etwas, da er schnell noch einen Kunden begrüßen wollte - ein nicht ganz unbedeutender Automobilzulieferer ist heute im Haus. Aber dazu später mehr.
09:49 Die Historie von SRI ist lang: Bereits 1962 wurde das Unternehmen in Durach als Siemens-Standort gegründet - allerdings noch nicht dort, wo das Unternehmen heute auf etwa 28.000 qm fertigt. „Es gab damals an den Siemens-Standorten Berlin und München einen Arbeitskräftemangel. Daher wurden viele Fabriken auf dem Land gegründet - wie auch wir hier in Durach“, erläutert Manuel Stelzer den Standort. Bis 1997 wurde SRI als Siemens-Standort betrieben, dann wurde aus dem Unternehmen eine GmbH und an eine italienische Siemens-Tochter überführt. „Dort war das Zentrum für Mobilfunk“, erläutert Manuel Stelzer „und mit Mobil- und Richtfunk haben wir uns ab 1995 beschäftigt.“
10:02 Im Jahr 2007 folgte dann der Zusammenschluss der Mobilfunksparten von Siemens und Nokia zu Nokia-Siemens-Networks (NSN), zu dem auch SRI gehörte. „Wir sind dann NPI(New Product Introduction)-Standort geworden. Neue Produkte aus dem Konzern heraus wurden zunächst bei uns gefertigt“, erinnert sich Manuel Stelzer. „Wir waren dafür verantwortlich, die Produkte an andere Standorte weltweit zu verteilen.“ Aber bei NSN wurde es bald zu eng: An insgesamt 15 Standorten wurde weltweit gefertigt. Um das Heft des Handelns weiterhin selber in der Hand zu halten, bot das damalige Führungsteam NSN einen Management Buyout an, der auch akzeptiert wurde - trotz namhafter Konkurrenz durch große EMS-Anbieter.
10:14 Was zunächst gut anlief, mündete 2011 in einer massiven Krise und ein Jahr später in der Insolvenz. Was war passiert? „Das war eine Verquickung aus der Krise im Solarmarkt und einem massiven Umsatzeinbruch in der Telekommunikation“, nennt Manuel Stelzer die Gründe für die wirtschaftliche Talfahrt. „Wir hatten zwar einen kontinuierlichen Rückgang des Telekommunikations-Geschäfts eingeplant, aber dann ging es in einem großen Absatz nach unten.“ Die Lage auf dem Solarmarkt ist bestens bekannt. Was für viele Unternehmen das Ende bedeutet hätte, brachte für SRI die Chance zu einem Neuanfang: Seit dem 1. April 2013 gehört SRI zur TQ-Gruppe, am 1. August wurde die Insolvenz aufgehoben.
10:27 Dass es mit SRI weitergeht, führt Manuel Stelzer nicht zuletzt auf die Mitarbeiter zurück. „Die Mitarbeiter haben auf Gehalt verzichtet und sind gleichzeitig von der 35- auf die 40-Stunden-Woche gewechselt“, erklärt er. „Dadurch sind wir am Markt wettbewerbsfähiger geworden. Und wir konnten auch TQ davon überzeugen, dass wir tolle Mitarbeiter haben.“ Die halten im Allgäu, so erläutert Manuel Stelzer, einem Unternehmen besonders die Treue. So sind viele Mitarbeiter schon seit 40 Jahren oder länger dabei. Und das hat sich auch durch die Krise nicht nennenswert verändert. „Inzwischen liegen wir bei der Fluktuation im Branchendurchschnitt von fünf bis zehn Prozent, früher war die Fluktuation noch geringer“, so Manuel Stelzer. Insgesamt 300 Mitarbeiter sind derzeit in Durach tätig, darunter auch 25 Entwicklungsingenieure. Damit erweitert SRI die Zahl der Entwickler in der TQ-Gruppe auf insgesamt 125. Und auch eine andere Entwicklung passt sehr gut: Die Entwicklung eigener Produkte. Denn auch die Mutterfirma beschränkt sich bekanntlich nicht auf EMS. „Wir haben ein WHDI-Modul entwickelt, mit dem man ohne Zeitversatz HD-Videosignale kabellos übertragen kann“, beschreibt Manuel Stelzer die Eigenentwicklung. „Bei einigen großen Filmverleihern sind wir schon im Programm und hoffen, hier einen Durchbruch zu schaffen.“
10:43 Den stärksten Schub erlebt SRI derzeit im Automotive-Markt. Grund dafür sind zwei Serienprojekte mit dem eingangs erwähnten Automobilzulieferer sowie weitere Projekte, die gerade anlaufen. Aber auch für andere Zulieferer und OEMs fertigt SRI. Und auch die erneuerbaren Energien hat man in Durach trotz schlechter Erfahrungen nicht aufgegeben. „Wir haben zwei Kunden für Solarspeichersysteme und fertigen in kleineren Stückzahlen auch noch Solarwechselrichter“, erklärt Manuel Stelzer. Im Mobilfunk gibt es ebenfalls nach wie vor Aktivitäten. „Wir haben gerade ein Riesenprojekt von NSN gewonnen, das etwa fünf Jahre laufen wird“, so Manuel Stelzer.
10:52 Als große Stärke seines Unternehmens sieht Manuel Stelzer die Fähigkeit, mittlere bis große Stückzahlen zu fertigen - und das innerhalb kürzester Zeit. „Wir können bei Ramp-Ups extreme Geschwindigkeit aufnehmen“, so Manuel Stelzer. „Wir haben zu Hochzeiten der Solarbranche innerhalb von zwei Monaten einen kompletten Ramp-Up vom Auftragseingang bis zur Volumenproduktion von 1.500 Wechselrichtern im Monat realisiert.“ Stückzahlen von 5.000 im Monat sieht er als die ideale Größe, bei denen die Vorzüge von SRI optimal zur Geltung kommen. „Aber auch kleinere Aufträge sind für uns interessant. Wir wollen unsere Kunden von Anfang an begleiten“, erklärt Manuel Stelzer, „und machen den Musterbau immer schon auf unseren Serienlinien, um dann später keine Veränderungen vornehmen zu müssen.“
11:03 Bereits ab 2000 hat man sich bei SRI mit dem Thema Lean Production beschäftigt. „Da lief ein großes Beratungsprojekt mit McKinsey hier am Standort, und wir haben dann unsere eigenen Lean-Experten ausgebildet“, erinnert sich Manuel Stelzer. „Wir haben weltweit andere Fertigungen aus dem Mobilfunkbereich beraten, neue Konzepte eingeführt und die Lean-Aktivitäten vorangeführt. Das Ergebnis war unter anderem der Best-Factory-Award im Jahr 2005 - und ein Vorteil gegenüber Wettbewerbern. Auch das war sicher ein Grund, warum sich die TQ-Group für ein Investment in SRI entschlossen hat.
11:09 Teil dieser Gruppe zu sein ist aus Manuel Stelzers Sicht auch ein Anreiz, als Entwickler für SRI zu arbeiten. „Ein Entwickler hat bei uns die Möglichkeit, sich breit zu entwickeln. Er wird nicht in ein bestimmtes Gebiet gedrängt, sondern kann sich im kompletten Elektronik-Spektrum frei entfalten“, beschreibt Manuel Stelzer die Möglichkeiten. Und diese Möglichkeiten sind nun eben nicht mehr auf den Standort Durach beschränkt, sondern bieten sich innerhalb der gesamten Gruppe. „Und wenn man ein gutes Konzept, eine gute Idee hat und das auch verkaufen kann, hat man durchaus die Möglichkeiten, seine eigenen Ideen umzusetzen“, ergänzt er.
11:15 Jetzt kommen die Mitarbeiter zu Wort - wir werden sehen, ob sich die Meinung der Geschäftsführung und die der Mitarbeiter decken.
11:19 Julia Fleschhut absolviert eine Ausbildung zur Elektronikerin für Geräte und Systeme. Im vierten und letzten Jahr ihrer Ausbildung wird sie gerade in die Fertigung eingearbeitet. „Das wäre mein zukünftiger Arbeitsbereich, wenn ich übernommen werde.“ Zu ihren Aufgaben gehört es vor allem, für einen reibungslosen Ablauf an der Fertigungslinie zu sorgen. „Morgens rüste ich die Maschine, stelle alles ein und lade die Programme. Dann wird das noch von einem Spezialisten geprüft und schließlich wird produziert“, beschreibt sie ihre Tätigkeit. „Falls Fehler auftreten, muss ich die beheben und sehen, dass die Maschine läuft und die Produkte fertig werden.“
11:24 Das würde sie nach ihrer Ausbildung auch weiterhin gerne bei SRI tun. „Hier sind sehr gute Leute, die einem alles sehr kompetent erklären können“, so Julia Fleschhut. Spaß macht es ihr natürlich auch. Oder wie sie es in ihren eigenen Worten zusammenfasst: „Mir gefällt es einfach, das ist einfach meins.“
11:27 Schon deutlich länger dabei ist Joachim Graf, der inzwischen als Schichtführer bei SRI tätig ist. Auch er absolvierte die Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme und durchlief danach verschiedene Stationen im Unternehmen, bis er vor sieben Jahren in seine heutige Position wechselte. Und heute ist es seine Aufgabe, die Arbeit zu organisieren und die Produktion am Laufen zu halten. „Wir kriegen unsere Vorgaben für den Tag, haben die Mitarbeiter und müssen dann schauen, dass wir die Leute an den richtigen Positionen einsetzen und dass am Abend das Richtige fertig dasteht“, beschreibt er seine Tätigkeit. Zwischendurch, so führt er weiter aus, muss er natürlich noch Störungen und Probleme aus der Welt schaffen.
11:34 Auch nach 16 Jahren arbeitet Joachim Graf immer noch gerne bei SRI. „Es hat mir immer Spaß gemacht. Und da wir stets neue Kunden hatten, wurde es nie langweilig“, erklärt er. „Es sind immer wieder neue Aufgabengebiete dazu gekommen und andere weggefallen. So bleibt es abwechslungsreich und interessant.“ Auch in der Krise ist er geblieben. „Man hat uns gesagt, dass es weitergeht - und wir hatten das Vertrauen und sind geblieben.“ Heute zahlt sich dieses Vertrauen aus.
11:40 Wieder zurückgekehrt ist Sibylle Ali Ahmad, die sich in der Produktion um die Montage kümmert und Baugruppen testet. Bereits vor der Insolvenz war sie im Rahmen von Zeitarbeit für SRI tätig. Zwischenzeitlich war sie in anderen Unternehmen tätig, hat sich jetzt aber wieder bei SRI beworben und ist seit Anfang September zurück im Unternehmen. „Ich arbeite unheimlich gerne hier. Die Arbeit ist abwechslungsreich, und ich lerne immer wieder neue Dinge“, erklärt sie. „Und man hat auch keine Angst, mir neue Dinge beizubringen.“ Wie ihre Kollegen schätzt sie das gute Arbeitsklima und will nirgendwo anders arbeiten. „Ich kriege auch jetzt, nachdem ich wieder vier Wochen da bin, das Grinsen nicht aus dem Gesicht“, erklärt sie. „Ich fühle mich hier einfach wohl. Ich werde gefordert und habe neue Aufgaben. Dazu ist jeder freundlich und hilft einem.“ Viel besser kann man es wohl in der Tat nicht treffen.
11:48 Es folgt eine ausführliche Führung durch die Produktion. In Fertigungsfragen bleibt hier kein Wunsch unerfüllt. Wenn man dieses Potential sieht, weiß man, dass TQ hier einen guten Fang für die Gruppe gemacht hat - und dass man sich um SRI in Zukunft auch keine Sorgen machen muss.