Siemens hat die weltweit erste metallgekapselte, gasisolierte Schaltanlage für bis zu 145 Kilovolt (kV) gebaut, die mit chemisch reiner Luft als umweltfreundliches Isoliergas arbeitet. Bisher setzen solche Anlagen das klimawirksame Gas Schwefelhexafluorid (SF6) ein. Es isoliert die elektrischen Leiter voneinander und wird genutzt, um den Lichtbogen zu löschen, der beim Trennen der Schaltkontakte entsteht. Die neue Anlage mit Clean-Air-Technologie nutzt für die elektrische Isolierung ein Gemisch aus Stickstoff und Sauerstoff. Weil sich dieses Gas nicht für das Löschen des Lichtbogens eignet, entwickelte Siemens für diese hohen Spannungen eine Vakuumschaltröhre.
Hochspannung ohne Emissionen
Gasisolierte Hochspannungs-Schaltanlagen finden sich in Umspannwerken oder in großen Industriebetrieben, die direkt an das Hochspannungsnetz angeschlossen sind. Die Schalter müssen im Kurzschlussfall extrem schnell und bei Strömen bis zu 40.000 Ampere die elektrische Verbindung unterbrechen, damit der Kurzschluss nicht andere Anlagenteile und Netzbereiche beschädigen kann. Dabei entsteht zwischen den Kontakten des Schalters ein Lichtbogen, der heute durch eingeblasenes SF6 gelöscht wird.
SF6 ist das stärkste bekannte Treibhausgas und wird hauptsächlich in der Hochspannungstechnik eingesetzt. Es ist heute nur in extrem geringen Mengen in der Atmosphäre enthalten, aber dieser Anteil steigt. Siemens hat für SF6 einen geschlossenen Kreislauf von der Produktion über den Anlagenbetrieb bis hin zur Entsorgung etabliert, der gewährleistet, dass praktisch kein Gas entweicht. Da es aber weltweit Bestrebungen in Politik und Industrie gibt, die Verwendung von SF6 zu minimieren, hat Siemens eine Alternative entwickelt.
Neues Antriebskonzept erforderlich
Siemens entwickelte daher für seine Hochspannungs-Schalter die sogenannte Clean-Air-Technologie. Als Isoliergas, das Überschläge zwischen den stromführenden Leitern verhindert, dient ein Gemisch aus 80 Prozent Stickstoff und 20 Prozent Sauerstoff – praktisch die natürliche Zusammensatzung der Luft. Für das Löschen des Schaltlichtbogens entwickelten die Ingenieure eine Vakuumschaltröhre für Hochspannung.
Diese Technik ist heute für Mittelspannungen bis 40 kV etabliert, kann aber nicht direkt auf höhere Spannungen übertragen werden. Neu konzipiert wurde vor allem der Antrieb zum Bewegen der elektrischen Kontakte. Sie werden aufgrund der höheren Spannung viel weiter auseinandergezogen und müssen deshalb sehr viel schneller bewegt werden. Außerdem sind sie größer und haben deutlich mehr Masse. Deshalb muss sehr viel Bewegungsenergie sehr schnell auf die Kontakte übertragen werden. Das bisher angewandte Schaltprinzip von SF6-Anlagen unterscheidet sich grundlegend von dem der Vakuumschalter und konnte deshalb nicht als Grundlage dienen.
Das Stickstoff-Sauerstoff Gemisch hat aber eine geringere Durchschlagsfestigkeit als SF6, das heißt, Lichtbögen treten schon bei geringeren Feldstärken auf. Daher ist die neue Schaltanlage etwas größer ausgelegt, erreicht aber dennoch einen mehr als 30 Prozent geringeren CO2-Fußabdruck. Für Konverterstationen in offshore-Windparks hat Siemens bereits einen Vakuumschalter für 72,5 kV Spannung entwickelt. Mit der 145 kV Anlage weitet der Konzern diese umweltfreundliche Technik unter dem Namen Blue GIS nun für Standard-Anwendungen aus.