Die industrielle Kommunikation hat in den letzten fünfzig Jahren eine rasante Entwicklung genommen. War anfangs die Vernetzung einzelner Anlagenteilen eher eine Seltenheit, weil technisch aufwendig und teuer zu realisieren, ist sie heute das zentrale Element der Digitalisierung. Ohne kommunikative Vernetzung ist Industrie 4.0 nicht denkbar. Auch der Entwicklungsprozess von Kommunikationslösungen selbst hat sich in dieser Zeit gewandelt. Zwar ist es prinzipiell einfacher geworden, flexible Kommunikationslösungen zu realisieren. Jedoch ist der Dschungel an Möglichkeiten und Vorschriften gewachsen. Hinzu kommt die Schnelllebigkeit unserer Zeit. Gerätehersteller, die Anfang der 2000er Jahre selbst eine Kommunikationslösung entwickelt haben, konnten davon ausgehen, diese über viele Jahre einsetzen zu können. Heute ist die Investition in solche Entwicklungskosten mit einem viel höheren Risiko verbunden.
Standards immer im Blick
Die zunehmende Vernetzung nicht nur innerhalb der OT-Ebene, sondern auch zwischen OT- und IT-Ebene ist nur mit definierten Kommunikationsschnittstellen möglich. Standardisierte Kommunikationsprotokolle wie Profinet, EtherCAT, EtherNet/IP auf OT-Ebene und OPC UA, MQTT oder TSN für die Kommunikation zwischen OT- und IT-Ebene ermöglichen den zuverlässigen und sicheren Datenaustausch und sind somit essenziell. Allerdings steigen die Marktanforderungen in Bezug auf Leistung, Sicherheit oder Performanz. Daher müssen auch die standardisierten Protokolle permanent angepasst werden, und das in immer kürzeren Zeiträumen. Wer also Kommunikation in ein Automatisierungsgerät integrieren möchte, muss nicht nur einen Standard kennen, sondern dabei gleich mehrere im Blick behalten und beobachten, wie sie sich weiterentwickeln. Wer sich nur am Rande mit Kommunikationstechnik befasst, hat es nicht leicht, diesen Überblick zu wahren. Gleichzeitig ist auch die Abschätzung schwierig, welche neue Technologie nur ein Hype ist und welche sich wirklich durchsetzen wird.
Unternehmen, deren Kernkompetenz in der Entwicklung von Lösungen für Netzwerkkommunikation liegt, verfügen in diesem Bereich über breitgefächertes Know-how, können Trends besser einschätzen und sind bei Veränderungen konsequent am Ball. Dieses Know-how zu erwerben und auf aktuellem Stand zu halten, kostet Zeit und Geld und fließt in den Preis einer Kommunikationsschnittstelle mit ein. Entwickelt ein Gerätehersteller hingegen die Kommunikationslösung selbst, sind diese Kosten – im Gegensatz zu den Kosten für eingesetzte Komponenten – nicht transparent. Sie fallen unter die sogenannten „eh-da-Kosten“. Mit steigender Komplexität industrieller Kommunikation auf technischer und normativer Ebene steigen mittelfristig aber auch die Kosten für Entwicklung und „Wartung“ einer Kommunikationslösung – und sie fallen deutlich mehr ins Gewicht als die reinen Komponentenkosten. Im Zuge des Fachkräftemangels wird es zudem immer fraglicher, ob es sich lohnt, eigenes Personal mit der Entwicklung von Lösungen zu betrauen, die außerhalb der eigenen Unternehmenskernkompetenzen liegen.
Normen-Dschungel
Neben den vielfältigen technischen Standards gilt es zudem diverse Normen und gesetzliche Vorgaben im Blick zu haben. Sie bilden zusammen mit den Anwenderanforderungen die Grundlage für Kommunikationsstandards. Hier gibt es zahlreiche relevante Regularien, die sich immer wieder verändern und durch neue ergänzt werden. Relevant für die industrielle Kommunikation sind unter anderem: IEC 62443, NIS 2, der Cyber Ressilience Act oder auch die neue EU-Maschinenverordnung. Ein wesentliches Ziel aller Richtlinien besteht darin, Sicherheit zu gewährleisten. Gemeint ist damit beides: Safety, also die Funktionale Sicherheit, ebenso wie Security, also der Schutz vor Cyberangriffen. Und die Forderung nach Sicherheit betrifft längst nicht mehr nur die klassischen KRITIS-Bereiche, sondern immer mehr Branchen.
In der neuen Fassung der Maschinenverordnung werden beispielsweise zum ersten Mal explizit die Sicherheitsanforderungen für sogenannte mobile Maschinen festgelegt: Unter anderem ist eine Möglichkeit gefordert, diese über eine „Supervisor-Funktion“ von außen sicher abzuschalten und wieder zu starten. Es wird also eine kabellose Not-Halt-Kommunikation benötigt. Solche veränderten gesetzlichen Forderungen stellen Entwickler vor immense Herausforderungen. Natürlich kann man auch diesen beträchtlichen Aufwand inhouse erledigen. Einfacher und mittelfristig kostengünstiger ist es aber, diese Aufgabe an erfahrene Dienstleister und Hersteller von Safety-Lösungen auszulagern, die für die Implementierung sicherer drahtloser Netzwerkstruktur verschiedene Protokolle und Hardwareansätze kennen. Sie wissen auch, welche technischen Anforderungen je nach Zielmarkt erfüllt sein müssen.
Angst vor Kontrollverlust
Dennoch gibt es viele gerade auch deutsche mittelständische Unternehmen, die trotz der Komplexität der Aufgabe nach wie vor die passenden Kommunikationslösungen selbst entwickeln. Getrieben ist das unter anderem von einem Unabhängigkeitsstreben. Man will wissen, wie die eingesetzte Lösung funktioniert und nicht abhängig sein von einem externen Zulieferer. Beide Argumente greifen heute jedoch nicht mehr. Mit zunehmender Komplexität bedingt durch verschärfte rechtliche Vorgaben und technische Weiterentwicklungen in immer kürzeren Zeiträumen, muss man sehr vertraut sein mit der Materie, um Kommunikationslösungen verstehen und sicher und zuverlässig entwickeln zu können. Abhängig hingegen bleibt man bei Eigenentwicklungen von Komponentenlieferanten. Was das bedeutet, haben viele in den letzten Jahren unangenehm erfahren. Abgekündigte Bauteile werden die Branche auch künftig beschäftigen. Dann braucht es schnell Redesigns mit alternativen Komponenten. Ein Aufwand, den man neben dem Alltagsgeschäft eigentlich nicht leisten kann. Auch dieses Risiko lässt sich bei einer Zukaufentscheidung der Kommunikationslösung an den Dienstleister auslagern.
Ohne versteckte Kosten
Kommunikationstechnik vom externen Experten zuzukaufen ist also aus mehreren Gründen sinnvoll. Die zunehmende Komplexität der Thematik erfordert Profis, die sich Vollzeit mit Technik und Normen auseinandersetzen. So entstehen zukunftssicher Produkte, die jeweils zum aktuellen Stand der Technik weiterentwickelt werden. Zudem ist Security kein Stempel, den man einem Produkt nach seiner Herstellung eben schnell einmal aufdrückt. „Security by design“ lautet die Devise, die Vorgaben aus der IEC 62443 beispielsweise im gesamten Designprozess im Blick hat. Zudem sind Zertifizierungsprozesse mit Zukaufprodukten einfacher und risikofrei.
Dass es beim Zukauf keine versteckten Kosten gibt, ist ein weiterer Vorteil ebenso wie Skalierbarkeit und Flexibilität. Mit Lösungen vom Technologiepartner kann man je nach Projekt auf den Kommunikationsstandard und den Formfaktor zugreifen, die die jeweilige Lösung und der jeweilige Markt erfordern. Zudem kommt man viel schneller zu einem Proof of Concept. Man kann zum Beispiel mit geringem Aufwand fertige Automatisierungsgeräte mit anderer Kommunikationsschnittstelle anbieten und sehen, wie sie vom Markt angenommen werden beziehungsweise durch Unterstützung weiterer Kommunikationsprotokolle neue Märkte erschließen, da die Verbreitung der verschiedenen Netzwerke geographisch stark variiert, was insbesondere für den Export von Automatisierungsgeräten relevant ist. Da Kommunikationsschnittstellen fertig entwickelt zur Verfügung steht, ist die Time-to-Market deutlich verkürzt. Und letzten Endes werden mit dem Zukauf von Kommunikationsschnittstellen im eigenen Haus Entwicklungskapazitäten frei, die man für die Umsetzung der eigenen Kernkompetenzen bestens gebrauchen kann. In Zeiten des Fachkräftemangels ist auch das ein schlagkräftiges Argument.