Verfahrenstechnik „Innovation kann man nicht anordnen“

16.04.2012

NNE Pharmaplan ist einer der größten Anbieter von Engineering-Dienstleistungen mit Fokus auf die Pharma- und Biotechindustrie. Stefan Berg, Leiter der Region Zentraleuropa, und Dr. Dirk Hollmann, Leiter der Abteilung Primary Manufacturing in Deutschland, sehen die Branche einem langsamen Wandel unterzogen: weg von den Blockbustern, hin zu mehr maßgeschneiderten Produkten - kombiniert mit Diagnostika.

Herr Dr. Hollmann, die Biotechnologie verliert hierzulande derzeit Rückhalt. Verliert Deutschland den Anschluss?

Dirk Hollmann:Ich will nicht ausschließen, dass die Gefahr vorhanden ist. Aber das Biotech-Geschäft hat sich in den letzten fünf Jahren auch verändert: Es geht nicht mehr darum, große Mengen an Wirkstoffen in großen Produktionsanlagen zu produzieren, sondern aufgrund höherer Ausbeuten und spezifischerer Wirkungen kleinere Mengen in kleineren, flexiblen Anlagen zur Verfügung zu stellen. Für Unternehmen, die als Lohnfertiger in diesem Bereich mit klassischen Methoden produzieren, geht der Marktanteil leicht zurück. Denn sie sind nicht in der Lage, flexible Kundenanforderungen so leicht zu erfüllen, wie das mit Single-Use-Technik möglich ist.

Single-Use-Anwendungen werden also noch weiter zunehmen?

Hollmann:Bei kleineren Mengen bietet sich auch aufgrund der höheren Projektabwicklungsgeschwindigkeit eine Single-Use-Lösung an. Diese kann zu geringeren Investitionskosten führen. Bisher gibt es aber nur wenige Anlagen in reiner Single-Use-Technik. Verbreiteter sind Hybridlösungen je nach prozesstechnischen Anforderungen. Tatsache ist, dass im Single-Use-Bereich ein höherer Umsatzanstieg zu verzeichnen ist als im klassischen Stahlkessel-Bereich.

Liegt das auch an neuen Marktbedürfnissen?

Hollmann:Chemische Produkte wie beispielsweise Kopfschmerztabletten werden natürlich weiterhin gebraucht. Aber der Trend geht ganz klar in die Entwicklung spezifischer Medikamente für spezifische Anwendungen. Es gibt Krankheiten, die sich nur mit biotechnologisch erzeugten Produkten wie monoklonalen Antikörpern behandeln lassen. Für schwerere Krankheiten wird im Biotech-Bereich deshalb eine höhere Entwicklung zu verzeichnen sein. Hier ist die Krebsforschung und -behandlung ein Bereich, in dem sich viele Entwicklungen bewegen.Stefan Berg:Ein anderer Trend ist das Verschwinden der Blockbuster, Medikamente, die von der breiten Masse eingenommen werden und den Herstellern Milliarden Umsätze generieren. Diese Blockbuster wird es in Zukunft seltener geben, da sich die Produktion in Richtung spezifischer Medikamente hin entwickelt. Für diese ist die Wahrnehmung aber eine andere.

Das heißt, ein Konzern kann sich nicht mehr bloß auf sein Aspirin oder sein Lipitor verlassen?

Hollmann:Richtig, dies hat in der Vergangenheit nach dem Auslaufen des Patents ja schon zu dramatischen Einbußen geführt, wenn kein neues Produkt oder Nachfolgeprodukt in der Pipeline war. Daher werden sich die Entwicklungen in Zukunft auf mehrere Kandidaten mit gegebenenfalls geringerer Anwendungsbreite verteilen als sich auf einen potentiellen Blockbuster zu konzentrieren.Berg:Wirklich spannend wird die Verknüpfung von Medikament und Diagnostika wie zum Beispiel bei Zelboraf von Roche werden. Dies ist ein Beispiel für ein sehr interessantes personalisiertes Medikament, dessen Wirkung vorab am Körper eines jeden Patienten getestet werden kann. Wenn dann die Wirksamkeit nachgewiesen ist, ist eine gute Argumentation gegenüber der Krankenkasse, ein solch hochwertiges Medikament zur Behandlung einzusetzen, möglich.

Trotzdem schrauben die forschenden Pharmaunternehmen ihre F&E-Ausgaben zurück.

Berg:Von einigen Pharmaunternehmen weiß ich, dass man von Forschung und Entwicklung enttäuscht ist. Es werden mehrere Milliarden ausgegeben, aber der Output der letzen Jahre war eher enttäuschend. Dann reduziert man natürlich den in-House-Aufwand und kauft innovative Lösungen ein.Hollmann:Die Pharmaindustrie schaut immer nach interessanten Gelegenheiten. Wenn in einem Start-up die Entwicklung ein erfolgsversprechendes Ergebnis geliefert hat, wird die Lizenz erworben - oder gleich die gesamte Firma. Das wird auch weiterhin ein Modell für die forschenden biotechnologischen Konzerne sein. Es ist eher die Ausnahme, wenn kleine Firmen aufgrund eines neu entwickelten Produkts zu großen Playern werden. Es wird eher in die andere Richtung gehen: Sobald eine bestimmte Größe erreicht ist, werden kleine Unternehmen von größeren gekauft.Berg:Alle beobachten, was der Markt bringt. Innovationen kann man eben nicht anordnen - auch nicht mit Geld.

Und welche Märkte bringen für NNE Pharmaplan das größte Wachstum?

Berg:Für uns ist dort ein Markt, wo die Pharmaunternehmen investieren. Im Moment konzentriert sich der Markt auf Investitionen in China, weil die ansässigen Unternehmen dort den Markt versorgen wollen. Viele Investoren entscheiden sich auch für den Standort Russland, weil ein Pharmaunternehmen was in Russland verkaufen möchte, auch dort produzieren muss. Wir folgen unseren Kunden zu den Standorten.

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