Deutschland weiterhin attraktivster Markt Kapazitäten zur Wasserstoffelektrolyse sollen auf das 1.000-Fache steigen

Wasserstoff, der direkt aus erneuerbaren Energien und nicht mit Netzstrom hergestellt wird, dürfte als einziger die von der EU festgelegten Grenzwerte für die CO2-Intensität einhalten.

Bild: iStock, peterschreiber.media
19.05.2021

Bis 2040 sind weltweit 1.000-mal so viel wie die derzeit in Betrieb befindlichen Gigawatt-Elektrolyseur-Kapazitäten geplant. Ein großer Teil der Investitionen entfällt dabei auf den deutschen Markt.

Die Bundesregierung hat gerade ihr Klimaschutzgesetz nachgebessert und die Pläne zur Erreichung der Kohlenstoffneutralität verschärft. Auch die EU und andere Länder haben Dekarbonisierungsziele bis 2040 oder 2050 vorgelegt und damit erheblichen Handlungsbedarf für ihre Energieversorgung geschaffen.

„Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen in den kommenden Jahrzehnten sämtliche Sektoren der Wirtschaft auf kohlenstofffreie Energiequellen umgestellt werden“, sagt Hanns Koenig, Head of Comissioned Projects, Central Europe von Aurora Energy Research. „Besonders in Bereichen, die die Klimaneutralität anders nicht oder nur schwer erreichen können, wird dabei Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen: Das betrifft vor allem bestimmte Industriezweige wie die Stahlerzeugung und Teile der Chemiebranche, aber auch Teile des Transportsektors wie den Flugverkehr.“

Wasserstoff wird derzeit hauptsächlich aus Erdgas hergestellt, wobei das entstehende CO2 in die Atmosphäre entlassen wird. Mit dem Ziel der Klimaneutralität rückt daher das Potenzial von emissionsstoffarm produziertem Wasserstoff in den Fokus. Dieser kann beispielsweise aus Erdgas mit CO2-Abscheidung und -einlagerung (CCS, „blauer Wasserstoff„) oder durch Elektrolyse von Wasser mit Grünstrom („grüner Wasserstoff„) hergestellt werden.

Viele Regierungen in Europa fördern besonders letzteres; so strebt die EU bereits bis 2030 eine Elektrolyseur-Kapazität von 40 Gigawatt (GW) an, und die nationalen Regierungen in Europa haben zusammen bereits 34 GW zugesagt.

Unternehmen ergreifen Chancen der Wasserstoffwirtschaft

„Unsere Marktanalyse zeigt, wie schnell die Unternehmen auf diese Chance reagieren und neue Wasserstoffproduktionsanlagen entwickeln“, sagt Anise Ganbold, Global Energy Markets Lead von Aurora Energy Research: „Wir haben in unserer globalen Elektrolyseur-Datenbank derzeit Projekte mit einer Gesamtleistung von 213,5 GW, die bis zum Jahr 2040 realisiert werden sollen. Das ist das Tausendfache der derzeit installierten Kapazität. Sollten all diese Projekte in Betrieb gehen, könnten sie bis zu 32 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr produzieren, was bereits die Hälfte des heutigen Wasserstoffbedarfs ausmacht.“

Mit 23 Prozent der bis 2040 angedachten Projekte ist Deutschland weltweiter Spitzenreiter, auf Europa insgesamt entfallen 85 Prozent. Der Vergleich mit den europäischen Zielen zeigt jedoch auch, dass wohl ein großer Teil der Projekte nicht oder erst nach 2030 realisiert werden wird, es sei denn, die Ziele werden erhöht.

Viele der Projekte sind noch in einer sehr frühen Konzeptphase, andererseits gibt es auch sehr konkrete Planungen: So sollen bis 2030 allein in Deutschland mehr als 9 GW, in den Niederlanden 6 GW und in Großbritannien 4 GW in Betrieb gehen - Tendenz steigend.

Auch die Größe der einzelnen Elektrolyseur-Projekte wächst schnell, ein Zeichen dafür, dass die Technologie und die Lieferkette reifer werden: Heutzutage haben die meisten Elektrolyseure Leistungen von unter 10 Megawatt. Schon 2025 wird eine typische Anlage 100 bis 500 MW leisten und Wasserstoff für direkt angeschlossene Verbraucher erzeugen. Bis 2030 werden die Anlagegrößen auf 1 GW und mehr steigen, verbunden mit groß angelegten Projekten, die in Ländern mit billigem Strom Wasserstoff für den Export produzieren.

Deutschland bleibt attraktivster Markt für Wasserstoffanwendungen

Der halbjährlich erscheinende Hydrogen Market Attractiveness Report von Aurora Energy Research bewertet die europäischen Länder nach ihrer Attraktivität für Investitionen in emissionsarmen Wasserstoff: Basierend auf Kriterien wie Politik, Anreizsysteme, Produktionskosten und voraussichtlichen Zentren der Wasserstoffnachfrage behält demnach Deutschland den Spitzenplatz als attraktivster Markt für entsprechende Projekte.

„Allerdings stellen inzwischen auch andere Länder ambitionierte Wasserstoffpläne vor und holen auf“, sagt Ganbold „Zum Beispiel verfolgt Italien eine langfristige, strategische Politik, um sich einerseits als Wasserstoffbrücke zwischen Afrika und Westeuropa zu positionieren und andererseits bis 2050 ein Fünftel seines Endenergieverbrauchs auf wasserstoffbasierte Quellen umzustellen. Polen wiederum konzentriert sich auf kurzfristige Ziele, will bis 2025 zwei Gigawatt Elektrolyseur-Kapazitäten bauen und ein Carbon Contract for Difference-System einführen, um teurere Produktionsmethoden für emissionsarmen Wasserstoff zu fördern.“

Insgesamt werten die Studienautoren die Ergebnisse ihrer Analyse als Zeichen dafür, dass die schnelle Entwicklung einer Wasserstoffinfrastruktur in den kommenden Jahren immer wahrscheinlicher wird. Allerdings gebe es neben ehrgeizigen Plänen in vielen Ländern auch noch erhebliche Hürden bei den Rahmenbedingungen: Von Bürokratie, über mangelnde Richtlinien bis hin zu kontraproduktiven Anreizen. Auch die erhebliche Kostendiskrepanz zwischen der „grünen„ Wasserstoffproduktion aus Elektrolyseuren und den bestehenden, CO2-intensiven Wasserstoffquellen bleibe vorerst bestehen.

Erfolgsentscheidend: Strompreis und CO2-Intensität des Wasserstoffs

Unternehmen, die in Elektrolyseur-Projekte investieren, müssen sich Gedanken machen, welches Geschäftsmodell sie damit verfolgen und wie sie ihr Vorhaben dafür optimal gestalten. Das betrifft sowohl die genutzten Energiequellen als auch den Abnehmer des produzierten Wasserstoffs. Die meisten Projekte in Auroras Elektrolyseur-Datenbank werden Windkraft nutzen, gefolgt von Solarenergie; ein kleiner Teil plant die Nutzung von Netzstrom. Als Endverbraucher wird in den meisten Fällen die Industrie genannt, gefolgt von der Mobilität.

„Der Erfolg von grünem Wasserstoff aus Elektrolyse wird von zwei Schlüsselfaktoren abhängen“, sagt Koenig: „Zum einen sind das die Stromkosten, die den größten Teil der Produktionskosten ausmachen. Und zum anderen die CO2-Bilanz, die entscheidend ist, ob der erzeugte Wasserstoff als klimafreundlich gelten kann.“

Beim Preis für Strom aus dem Netz dürfte Frankreich bis 2040 am günstigsten sein. Bei der CO2-Intensität werden die Stromnetze in Norwegen, Schweden und Frankreich am besten abschneiden.

„Nur in diesen Ländern werden mit Netzstrom betriebene Elektrolyseure wohl die relativ strengen Grenzwerte einhalten, die die EU bis 2030 für das Label „nachhaltiger“ Wasserstoff plant„, sagt Koenig. „Die Alternative zur Minderung des CO2-Fußabdrucks ist, sich vom Netz zu entkoppeln und sich direkt mit Grünstrom aus Wind, Sonne und Wasser zu versorgen, zum Beispiel über PPAs.“

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