Gehäuse- & Kühltechnik Kluge Verpackungswahl

14.10.2013

Die meisten Entwickler konzentrieren sich auf die Elektronik und verschwenden nur wenige Gedanken an das Gehäuse. Dabei lauern hier zahlreiche Gefahren, die die beste Elektronik außer Gefecht setzen können. Die richtige Verpackungswahl schon zu einem frühen Zeitpunkt macht daher jedem Entwickler das Leben leichter.

Gehäuse werden oft stiefmütterlich behandelt und ans Ende aller Überlegungen gestellt, nach dem Motto: „Es gibt so viele Standardgehäuse, da wird schon eines passen.“ Das ist leider üblich, obwohl die Einhausungen häufig auch funktionskritische Aufgaben übernehmen: Die Palette reicht von der Sicherstellung von Schock- und Vibrationsfestigkeit über Einhaltung der IP-Schutzarten und der strikten EMV-Richtlinien bis hin zum Wärmemana- gement. Da applikationsspezifische Aus- führungen um ein Vielfaches teurer sind als Standardgehäuse, lohnt es sich oft in hohem Maße, schon frühzeitig Überlegungen zum „Packaging“ in die Entwicklung mit einzubeziehen. Zu den vorrangigen Entscheidungskriterien zählen die Einsatzbereiche sowie Vorgaben der Anwendungsbranchen, wie sie etwa in der Bahn- oder Verkehrstechnik vorliegen. Außerdem beeinflussen das Platzangebot im Gehäuse, die Stromversorgung, das verfügbare Zubehörprogramm sowie nicht zuletzt die Konfektionierung, die Ergonomie sowie die Möglichkeiten zur Individualisierung den Auswahlprozess. Angesichts der Entscheidungskriterien, die vielfältiger sein können als die des elektronischen Innenlebens, hat es sich sowohl hinsichtlich des Zeitaufwands als auch der Kosten als vorteilhaft erwiesen, die Gehäusehersteller bereits in einem frühen Stadium in die Entwicklung mit einzubeziehen - und sich rechtzeitig mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Standardgehäuse den Anforderungen genügen oder ob Modifikationen erforderlich beziehungsweise möglich sind. Standardgehäuse stehen in hoher Zahl ab Katalog zur Verfügung; sie sind einfach bestellbar und rasch erhältlich, es liegen unzählige funktionelle Erfahrungswerte vor. Und sie sind überwiegend die kostengünstigste Alternative, die auch für Prototypen eingesetzt wird. Doch wie sieht es mit den Anpassungsmöglichkeiten an individuelle Anforderungen aus? Zunächst sollte, wer eine spätere Programmerweiterung seines Geräts nicht ausschließt und seinen Kundenkreis nicht durch ein uneinheitliches Erscheinungsbild abschrecken möchte, darauf achten, dass mehrere Größen und Ausführungen einer Gehäusefamilie erhältlich sind. Das ist meist entweder mit zahlreichen Standardgrößen und/oder mit entsprechenden Aufbausätzen gegeben. Zur kundenspezifischen Gestaltung gibt es mehrere Möglichkeiten, so die Ergänzung der Gehäuse durch Frontfolien oder Displays.

Metall oder Kunststoff

Die wirklichen Individualisierungs-Überlegungen beginnen beim Gehäusematerial: Metall auf der einen und Kunststoff auf der anderen Seite. Letztere, also etwa ABS, Polyamid oder Polycarbonat, eignen sich wegen ihres geringen Gewichts vor allem für Handheld-Gehäuse, wobei allerdings zu prüfen ist, ob sie den Anforderungen an Wärme- und Chemikalienbeständigkeit genügen und auch schlagfest sind. Hingegen ist Metall grundsätzlich robuster, der traditionelle Stahl wird indes immer häufiger durch Aluminium und Al-Legierungen ersetzt. Denn Aluminium ist das dritthäufigste Element auf der Erde; seine Vorteile sind ein geringes Gewicht, eine hohe Stabilität und Korrosionsbeständigkeit sowie gute elektrische und thermische Leitfähigkeit. Außerdem lassen sich dank moderner Fertigungsverfahren wie dem Strangpressen Seitenwände und andere Gehäusebauteile aus Al-Profilen nach Kundenwunsch kostengünstig herstellen. So besteht die Möglichkeit, komplexe Profilgeometrien wie Gewindekanäle, Kühlelemente oder Führungsnuten für die Aufnahme von Leiterplatten und anderen elektronischen Einbauelementen ohne spätere aufwändige Nachbearbeitung zu erzeugen. Jedoch können Metallgehäuse unter bestimmten Einflüssen (Salzwasser, Regen) erodieren. Außerdem wirken sich besonders bei Aluminium die Materialstärke sowie die Oberflächenbehandlung, zum Beispiel Eloxierung oder Pulverbeschichtung, in hohem Maße auf die Gehäuseeigenschaften aus. Wünschenswert wäre, die Vorteile von Standardgehäusen mit denen von kundenspezifischen Ausführungen zu einer Lösung zu vereinen, bei der die jeweils spezifischen Nachteile umgangen werden. Ein Ansatz dafür sind so genannte Produktplattformen mit einer gemeinsamen Basis und zahlreichen ergänzenden (Standard-)Einzelteilen. Damit lassen sich erfahrungsgemäß mehr als drei Viertel aller Aufgaben realisieren; bei weiteren zehn Prozent sind durch ein definiertes Spektrum kleinerer Anpassungen - Bohrungen, Aussparungen, Sonderfarben - die gewünschten individuellen Modelle einfach und kostengünstig erreichbar.

Individuell auf den ersten Blick

Besonders häufig tritt der Wunsch nach Individualisierung bei Frontplatten auf, denn diese prägen mit Beschriftungen und Firmenlogos den ersten Eindruck und wirken verkaufsfördernd. Hier gibt es spezielle Programme, die mit verschiedenen Ausbrüchen für unterschiedliche Steckverbinder, LEDs, Griffe, Schalter und Aufdrucke die Möglichkeit der individuellen Fertigung und Gestaltung mit Farbverläufen und künstlerischem Design zum Bedrucken oder Gravieren innerhalb weniger Tage zum Ergebnis führen. Dazu lädt sich der Anwender 2D- oder 3D-Daten herunter und zeichnet die gewünschten mechanischen Bearbeitungen auf seinem CAD-System ein. Begrenzende Faktoren können als Makros direkt ins Frontplattendesign eingebunden werden. Danach werden Ein- und Aushebegriffe sowie EMC-Schirmungsmaterial und Befestigungen gewählt. Der Digitaldruck kann mit bis zu 32 Millionen Farben mit hoher Haltbarkeit und Beständigkeit gegen schädliche Umwelteinflüsse (Licht, Wärme, Kälte, Chemikalien) und mit bis zu höchst filigranen Details (Schriftgröße 3 Punkt) erfolgen.Bei den für die Gerätehersteller wichtigen Außen- und Innenmaßen ist eine millimetergenaue Genauigkeit wesentlich, weil die oft schon vorliegenden Abmessungen der Leiterplatten die bestimmenden Faktoren sind. Dazu sind meist auch ausreichend Befestigungsmöglichkeiten an den zu erwartenden Stellen vorgesehen. In solchen Fällen bieten Profilgehäuse deutliche Vorteile der Variabilität in der Länge, denn die Profile können je nach Bedarf der Anwendung abgeschnitten werden.Wo die elektromagnetische Verträglichkeit einen hohen Stellenwert besitzt, bieten sich zunächst Metallgehäuse an, weil sie sehr viel bessere EMV-Eigenschaften aufweisen als solche aus Kunststoff. Jedoch sind die Gehäusehersteller inzwischen in der Lage, deren EMV-Eigenschaften durch Bedampfen des Kunststoffs mit CrNi- oder Al-Schichten oder Lackieren mit Leitlack zu optimieren.

Wärmemanagement

Hitze ist ein Abfallprodukt und einer der größten Feinde elektronischer Bauelemente; thermisch bedingte Ausfälle zählen zu den häufigsten Ursachen für Störungen und Versagen. Denn Leistungsfähigkeit und Temperatur stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang. Da einer der vorrangigen Zwecke von Gehäuse der Schutz und die Sicherheit der Komponenten in ihrem Inneren ist, muss die Temperatur so niedrig wie möglich gehalten werden. Sie hängt sowohl von der Oberfläche und Wandstärke des Gehäuses ab als auch vom Gehäusematerial sowie der Belüftung. Zu kleine Oberflächen und schlechte Belüftung sollten vermieden werden; in manchen Fällen hilft die Ergänzung des Gehäuses durch im Zubehörprogramm erhältliche Kühlkörper und Kühlrippen. Generell gilt: Je niedriger der Wärmewiderstand des Gehäuses, desto besser wird die Wärme aus dem Bauteil abgeleitet. Bei der Wahl der Kühllösung, ihrer Dimensionierung und Optimierung sowie der Lokalisierung von Hotspots hilft im Extremfall eine thermische Simulation, wie sie von Spezialisten angeboten wird.Schließlich noch der Aufbau: Eine komplizierte Bauweise treibt die Lohnkosten stark in die Höhe; hier können Rast- oder Schnellverschlüsse hilfreich sein. Darüber hinaus bieten viele Gehäusehersteller einen Bestückungs- und Montageservice an, einschließlich der Prüfung des Endgeräts.

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