Aufschluss gibt zunächst die Konstruktion des Gehäuses, in das die Leiterplatte eingebaut werden soll: Ist dieses als primärer Umgebungsschutz für eine Baugruppe ausgelegt, wird häufig ein Schutzlack verwendet, der den Schutz verstärkt, den das Gehäuse bietet. Leistet das Gehäuse jedoch keinen primären Schutz der Baugruppe vor der Betriebsumgebung, sind Harze oft die bessere Wahl. Ein Blick auf ihre Gemeinsamkeiten zeigt: Sowohl Lacke als auch Harze sind allgemein organische Polymere, die nach dem Aushärten eine elektrisch isolierende Schicht bilden. Diese Schicht weist einen gewissen Grad an chemischer Beständigkeit auf und bietet Wärmewiderstand. Auch bei der chemischen Zusammensetzung der Polymere bestehen Gemeinsamkeiten. Am häufigsten werden Acryl, Epoxid, Polyurethan und Silikon verwendeten.
Harz: Dicker Schutz
Harze können mit einer Dicke von 0,5 Millimeter und mehr aufgetragen werden. Zwar erhöht die Dicke das Gewicht und oft auch den Stückpreis gegenüber Lack, bietet aber einen besseren Schutz der Leiterplatte gegen chemische Angriffe, vor allem bei verlängertem Eintauchen. Je nach Formel schützt Harz zudem besser gegen Erschütterungen, da seine Masse die Kräfte über die ganze Leiterplatte verteilt, anstatt sie zu konzentrieren. Eine Schicht dunkel eingefärbtes Harz verbirgt die Leiterplatte vollständig und macht das Design sicherer. Je nach Harzart kann dessen Entfernung aber auch die Leiterplatte zerstören.
Harze sind normalerweise Zweikomponentensysteme (2K): Harz und Härter werden gemischt, beginnen eine chemische Reaktion und erzeugen ein quervernetztes Polymer. Harze haben häufig eine hohe Viskosität und enthalten mineralische Füllmittel, die ihre Leistung verbessern. Da sie nicht durch Sprühen aufgetragen werden, sind die meisten Zusammensetzungen frei von flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) und zur Aushärtung bei Raumtemperatur ausgelegt. Wärmezufuhr kann die Aushärtezeit reduzieren. Einige Harzen erfordern eine Nachhärtung, um optimale Eigenschaften zu entwickeln. Die meisten Aushärtereaktionen sind exothermisch: Chemische Verbindungen werden gelöst und erneut angeordnet, was naturgemäß Wärme erzeugt. Die Wärme lässt sich kontrollieren, indem die Menge an Material, die in einem einzigen Vorgang gegossen wird, sorgfältig berechnet wird.
Wird zu viel Harz auf einmal aufgetragen, können die Bauteile überhitzen. Ein Mischpaket erleichtert das Auftragen: Die zwei Komponenten werden getrennt und im richtigen Verhältnis geliefert; der Benutzer mischt die Komponenten und gießt sie bis die erforderliche Dicke erreicht ist. Wie bei Lacken wird immer häufiger eine automatisierte 2K-Dosiervorrichtung verwendet, um das Harz zu mischen und nach Bedarf gleichbleibend und wiederholbar zu dosieren. Bei bestimmten Anwendungen, bei denen bisher eine 2K-Harzformel die erste Wahl zum Schutz der Leiterplatte war, könnte nun ein neuer 2K-Schutzlack die bessere Wahl sein. Er weist im Vergleich zu 1K-Lacken verbesserte mechanische Eigenschaften auf. Außerdem entfällt durch den Wechsel von einem Harz zu einem Schutzlack der Gewichtsnachteil.
Schutzlacke: Einfach zu verarbeiten
Schutzlacke können mit einer Dicke zwischen 25 und 100 μm
aufgetragen werden und erhöhen das Baugruppengewicht nur minimal. Da sie oft durchsichtig sind, können beschichtete Bauteile leicht erkannt und die Beschichtung nachgearbeitet werden. Ihre chemische Beständigkeit und ihr Wärmewiderstand sind bei kurzem Aussetzen der Baugruppe generell gut. Lack setzt die Bauteile relativ geringen Spannungen aus – ein Vorteil bei Bauteilen mit dünnen Stiften oder Füßen. Die meisten Lacke sind 1K-Systeme mit langen Badstandzeiten, niedrigen Aushärte- oder Trocknungstemperaturen und einer kurzen Trocknungszeit. Als 1K-Lösung sind sie einfacher zu verarbeiten und aufzutragen basieren jedoch häufig auf Lösungsmitteln. Eine neue Variante sind 2K-Lacke aus Epoxid und Polyurethan: Sie kombinieren den Schutz und die Eigenschaften eines Harzes, sind aber genauso einfach aufzutragen wie ein Schutzlack. Da dabei keine Lösungsmittel verwendet werden, sind sie umweltfreundlicher. Sie bieten eine hohe Deckkraft und ihre Flexibilität schützt empfindliche Bauteile. 2K-Lacke bieten gute mechanische Eigenschaften und Abriebfestigkeit, sind aber im Vergleich zu 1K-Lacken schwieriger zu verarbeiten und praktisch nicht mehr zu entfernen, was eine Reparatur der Leiterplatte erschwert.
Lacke können manuell per Pinsel oder Sprühpistole sowie durch Eintauchen aufgetragen werden. Für ein einheitlicheres Ergebnis kommen heute häufig auch selektive Lack-Robotersysteme zum Einsatz. Die Sprühanwendung hat zu einer niedrigen Viskosität der Lacke geführt, so dass diese im Sprühvorgang atomisiert werden können. Bisher waren hohe Konzentrationen an Lösungsmitteln nötig, um die Viskosität des Grundharzes zu verringern. Außerdem war dadurch eine hohe Wärme nötig, um die Lösungsmittel zu entfernen und die Lacke trocknen zu lassen. Ein Aushärten bei Raumtemperatur würde die Lösungsmittel im Lack einschließen. Durch wachsendes Umweltbewusstsein hat sich der Einsatz von Lösungsmittel mittlerweile geändert und der VOC-Gehalt und der Anteil an Lösungsmitteln im Lack sind gesunken. Moderne Lackmaterialien sind oft lösungsmittelfrei und zu 100 Prozent festkörperhaltig und trocknen je nach Zusammensetzung mit Wärme, Feuchtigkeit oder UV-Strahlung.
Auf die Umgebung kommt es an
Bei der Frage Lack oder Harz spielen die Konstruktion der Leiterplatte, das Gehäuse und die erwartete Nutzungsumgebung eine wichtige Rolle. Wie eingangs beschrieben, kann ein Lack je nach Gehäuse zusätzlichen Schutz zum Primärschutz bieten oder dann wirken, wenn der Primärschutz defekt oder undicht ist. Außerdem bietet er Schutz gegen hohe Feuchtigkeit und Kondensatbildung im Gehäuse. Oft sind Harze Teil des Gehäuses und somit Teil des Primärschutzes eines Systems. Somit müssen sie verschiedenen Verunreinigungen widerstehen, denen das Gehäuse in seiner Nutzungsumgebung ausgesetzt ist. Harze finden oft bei Hochspannungselektronik und in explosionsfähigen Umgebungen eingesetzter Elektronik Verwendung, um eine vollständig dielektrische Schicht zu bilden, die jede Funkenbildung verhindert. Ein gutes Leiterplatten- und Gehäusedesign erlaubt ein schnelles und effizientes Aufbringen von entweder Lack oder Harz, und zwar sowohl effizient bezüglich der erforderlichen Verarbeitungszeit als auch bezüglich der erforderlichen Materialmenge.
Um die Vorteile beider Technologien zu kombinieren, hat Electrolube Lacke entwickelt, die auf einer ähnlichen 2K-Chemie wie Harze basieren, aber durch selektive Beschichtungsvorrichtungen im Bereich von 200 bis 400 Mikrometer aufgetragen werden können. Diese neuen 2K-Schutzlacke haben gute Ergebnisse in kondensierenden Umgebungen erzielt: In Umgebungskammertests, in denen Bedingungen mit starker Kondenswasserbildung simuliert werden, hat eine in Ure-
thanharz eingegossene Baugruppe die höchsten Gesamtwerte bezüglich Leiterplattenschutz erzielt und die geringsten Veränderungen bei Kondenswasserbildung gezeigt. Obwohl der 2K-Lack zehnmal so dick ist wie der Harzeinguss erzielte der 2K-Lack nahezu die gleichen Ergebnisse wie der Harzeinguss. Er kann ohne Rissbildungsgefahr dicker aufgetragen werden als frühere Lacke und bedeckt damit auch scharfe Kanten. Diese neue Lackart bietet dort Vorteile, wo herkömmlicher Schutzlack nicht mehr eingesetzt werden kann und ein Eingießen erforderlich ist.