Airbus und Boeing haben über die letzten Jahre den Einsatz der Hochleistungskunststoffe in ihren Flugzeugen stark erhöht. Aber auch andere Bereiche wie alternative Energien, Bauwirtschaft und Bauausführung, Consumer-Bauteile, Öl- und Gas oder Sanitär- und Heizung bauen zunehmend auf diesen Werkstoff.
Wo Plastik Metall ersetzen kann
Waren Hardware, Verschlüsse und mechanische Komponenten früher aus Metall, sind sie heute häufig aus Hochleistungskunststoffen. Denn damit lassen sich Gewicht und Kosten sparen. Kunststoffkomponenten sind etwa 50 Prozent leichter als vergleichbare Teile aus Aluminium, verfügen aber, - je nach seiner Art - über eine ähnlich hohe spezifische Festigkeit. Außerdem weisen sie eine hohe Hitzeresistenz auf, sind nicht korrosionsanfällig und nutzen sich nicht so schnell ab wie die entsprechenden Teile aus Metall. Zum Einsatz kommen die Kunststoffe unter anderem bei der Flügelsteuerung und Fahrwerkstechnik im Flugzeugbau.
Aber auch für Automotive-Anwendungen werden Hochleistungskunststoffe eingesetzt. „Seit vielen Jahren dringen Kunststoffe zunehmend in Bereiche ein, die früher aufgrund ihrer mechanischen und thermischen Beanspruchung und beim Einsatz in aggressiver Umgebung Metallen vorbehalten waren“, hat Dr. Wolfgang Funke, Sales Development Manager bei Solvay Specialty Polymers beobachtet. „Dafür gibt es viele Ursachen. Die zunehmende Umwelt- und Ressourcendiskussion mündet in einer Vielzahl gesetzgeberischer Vorlagen und macht Gewichtseinsparungen unbedingt erforderlich. Weitere Vorteile, die sich ergeben, sind die effizientere Kraftstoffnutzung und Emissionsreduktion.“
Dem gegenüber stehen wachsende Anforderungen an den Komfort eines Fahrzeugs: „Wenn man jetzt noch berücksichtigt, dass nur ein Bruchteil des Gesamtenergieverbrauchs eines Fahrzeugs zur reinen Fortbewegung genutzt wird und der Rest für Nebenaggregate benötigt wird oder durch Reibungsverluste verloren geht, liegt der Einsatz von Materialien nahe, die deutlich leichter sind als Metalle und gegebenenfalls Reibungsverluste minimieren“, ergänzt Funke.
Hitzeverträglichkeit von Kunststoffen
Diese speziellen Kunststoffbauteile müssen nicht nur funktionieren, wenn beispielsweise ein Flugzeug mit laufenden Triebwerken unter der �?quatorsonne gestanden hat, bei Temperaturen von 80°C und mehr, sondern auch bei bis zu - 80°C in den Höhen, in denen es sich bewegt. Ebenso wird bei diesen Temperaturen eine entsprechende mechanische Festigkeit und hohe Verschleißfestigkeit erwartet. Nur wenige Materialien sind für derartige Anforderungen geeignet. Für den Einsatz in anspruchsvollen Umgebungen dieser Art verwendet etwa die Firma Polytron Kunststofftechnik das Polyamidimid (PAI) Torlon von Solvay Advanced Polymers. Dieses besitze einen sehr weiten Einsatzbereich von kryogenen Temperaturen bis hin zu +250°C. „Diese Temperaturbeständigkeit ist sehr wichtig“, so Funke, „denn neben einer extremen Steifigkeit und Festigkeit müssen Kunststoffe, wenn sie denn Metalle ersetzen sollen, ausgezeichnete Medien- und hohe Temperaturbeständigkeit besitzen. Im günstigsten Fall behalten sie diese Eigenschaften unter hoher Temperaturbelastung und in aggressiven Medien wie Ölen, Säuren oder Laugen weitestgehend bei.“ Die Bauteile aus Torlon kommen zum Beispiel als Anlaufscheiben oder Axiallager in der Flügelsteuerung oder als Gleitelemente in den Landeklappen bei Flugzeugen zum Einsatz.
Doch auch hier gibt es Grenzen. Noch können nicht alle Bauteile durch Kunststoffe ersetzt werden. „Und das sollten sie auch nicht!“, ist Funke überzeugt. „Die Grenzen für einzelne Materialien sind unterschiedlich. Eine gemeinsame Grenze aller Kunststoffe ist aber wahrscheinlich die Temperaturperformance, denn die heutigen Hochleistungsmaterialien, die ich kenne, haben Langzeittemperaturbelastungsgrenzen von etwa 250°C.“
Kunststoffe sollten ebenfalls nicht eingesetzt werden, wo die mechanischen Anforderungen an das Bauteil die mechanischen Gegebenheiten des Kunststoffs überschreiten. „Ein klassisches Polyamid wird kaum in einem Bereich eingesetzt werden, wo sehr hohe mechanische Anforderungen bei 250°C gefragt sind. Es gibt aber andere spezielle Kunststoffe, die dort geeignet sind“, weiß Funke. „Von der Mechanik her würde ich die Einsatzmöglichkeiten eines Kunststoffs erst einmal nicht begrenzen wollen.“
Im Automobilbereich bedeutet das zurzeit Folgendes: „Wenn Sie in den Verbrennungsbereich eines Motors gehen, also direkt in den Verbrennungsraum, sehe ich in näherer Zukunft keinen Kunststoff, der den Anforderungen dort genügen würde. Ich will das für die Zukunft aber nicht ausschließen.“
Einsatz im Automobil
Hochleistungskunststoffe kommen in Pkws vor allem im Getriebe zum Einsatz, zum Beispiel in Dichtringen, Anlaufscheiben und Lagerelementen. Bei der Luftregelung (Air Induction) werden sie in Gehäusen, Drosselklappen, Heizungen und Kühlungen eingesetzt. „Wobei das dann jeweils verschiedene Kunststoffe sind“, ergänzt Funke. „Mechanische Bauteile wie Fahrzeug- oder Mittelkonsole sind aus hochfesten Strukturkunststoffen. Das sind allerdings immer Materialien unterschiedlicher Klassen und unterschiedlicher mechanischer Performance.“