Harald Ruckriegel, Red Hat Linux erobert die Straße

Harald Ruckriegel ist als Global Automotive Industry Lead and Chief Technologist bei Red Hat für die Konzeption der Go-to-Market-Strategie des Unternehmens im Bereich Automotive verantwortlich. Ausgehend von den Markt- und Kundenanforderungen bestimmt er dabei die Weiterentwicklung des Lösungsportfolios von Red Hat mit der Bereitstellung adäquater Geschäftsanwendungen. Vor seinem Wechsel zu Red Hat war Ruckriegel unter anderem in der BMW Group in Führungspositionen in Bereichen wie Strategie, Vertrieb oder Software Engineering tätig.

Bild: Red Hat
26.10.2022

Softwaregesteuert, autonom und vernetzt – so sieht das Auto der Zukunft aus. Die Transformation zum softwaredefinierten Fahrzeug ist bereits in vollem Gange. Fortschrittliche Fahrerassistenz- und Infotainment-Systeme sind schon Realität und auch das hochautomatisierte Fahren steht direkt vor der Tür. Welche Rolle werden dabei Open-Source-Software und ein zentrales Linux-Betriebssystem spielen?

Die Zukunft der Automobilindustrie liegt in autonomen, vernetzten Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb. Die damit verbundenen Herausforderungen können OEMs nur mit einer umfassenden Digitalisierung und mit der Einführung neuer Architekturkonzepte und Technologien bewältigen. An Bedeutung gewinnen dabei vor allem die Themen Software-defined, Open Source, Edge Computing und Cloud.

Der Trend zum softwaredefinierten Fahrzeug ist klar erkennbar. Dass Software die entscheidende Rolle spielt, zeichnet sich schon länger ab. In der Vergangenheit wurde das Fahrzeug durch die Hardware definiert, auf die die Software aufgesetzt wurde – jetzt verlagert sich der Schwerpunkt immer mehr auf die andere Seite. Schon 2016 hatte es der damalige BMW-Chef Harald Krüger auf den Punkt gebracht, als er erklärte: „Die Wertschöpfung verschiebt sich von der Hardware in Richtung Software und Services.“ Und aktuell zeigen Unternehmen wie Tesla, dass sie zuerst die Software konzipieren und dann das Auto bauen.

Beim softwaredefinierten Fahrzeug wird die Software von der Hardware entkoppelt. Die Vorteile sind Hardware-Unabhängigkeit, Standardisierung, höhere Skalierbarkeit und Flexibilität sowie ein vereinfachtes Management. Vor allem aber unterstützt die Abstrahierung der Software von der Hardware eine schnelle Bereitstellung neuer Funktionen, die der Hersteller dynamisch nachladen und freischalten kann. Es geht also um Software, das ist klar. Ich kann es aber auch konkreter formulieren: Es geht dabei um Open-Source-Software, denn nur ihre Einführung anstelle von proprietären Lösungen ebnet einen Weg zur Etablierung gemeinsamer Standards. Und solche Standardisierungen sind derzeit ein zentrales Thema etlicher Gremien, Initiativen, Communities und von branchenübergreifenden Gemeinschaftsprojekten mit Beteiligung großer Automobilfirmen.

Die Frage lautet jetzt: Werden auch die Linux-basierten Betriebssysteme Teil dieser Zukunft sein, gerade hinsichtlich der bestehenden Standards für funktionale Sicherheit? Meine Antwort lautet ja. Viele OEM-Entwicklungen und Community-Initiativen gehen bereits in Richtung von Fahrzeugplattformen mit einem Linux-basierten Betriebssystem, auf dem die Applikationen und Services laufen. Ein auf funktionale Sicherheit zertifiziertes und speziell für den Automotive-Bereich ausgelegtes Linux-Betriebssystem bringt mehr Flexibilität in das Software-Ökosystem der Automobilindustrie. Fahrzeughersteller und ihre Partner können so ihre Aktivitäten verstärkt auf innovative Anwendungen, Services und Funktionalitäten rund um das Auto der Zukunft ausrichten. Ein standardisiertes Linux-Betriebssystem fungiert dabei als leistungsfähige Basis für alle darüber liegenden spezifischen Softwareplattformen der OEMs: vom Hersteller-Betriebssystem über die Middleware und Applikationen bis hin zu den Services.

Klar ist auch, dass intelligente, vernetzte Fahrzeuge künftig zwangsläufig zu Rechenzentren auf Rädern werden, denn sie müssen in Echtzeit Daten analysieren und Entscheidungen treffen, etwa beim Autonomen Fahren. IT-Technologien müssen folglich an den Einsatzort – sprich das Fahrzeug – gebracht werden. An diesem Punkt kommt das Edge Computing in Form der Vehicle Edge ins Spiel. Die Datenverarbeitung wird dabei von zentralisierten Rechenzentren direkt in das Fahrzeug verlagert.

Softwaredefinierte Fahrzeuge, Open Source und Edge Computing bestimmen somit die Automotive-Zukunft. Allerdings geht es dabei keineswegs nur um die Komponenten und Architektur im Fahrzeug, sondern auch um die Cloud, die die Vorgänge im Auto unterstützt. Das heißt, die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung im Automotive-Bereich erfordern auch die Nutzung einer konsistenten Hybrid-Cloud-Umgebung. Sie schlägt die Brücke von der Cloud-nativen Backend-Entwicklung bis zur Fahrzeug-Software. Nur damit können OEMs letztlich auch während des gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs Over-the-Air-Updates bereitstellen.

Linux ist in vielen IT-Bereichen bereits der wichtigste Innovationstreiber. Ich bin der festen Überzeugung, dass auch im Automotive-Bereich kein Weg an Open-Source-Software und einem Linux-basierten Ecosystem vorbeiführt. Sie werden die Basis für das intelligente, vernetzte und softwaredefinierte Fahrzeug sein, das als wichtiger Knotenpunkt und Teil eines breiten Ökosystems fungiert. In diesem Ökosystem sind dann auch innovative Konzepte wie Car-as-a-Service, Mobility-as-a-Service oder Smart City umsetzbar. Für den Autokäufer der Zukunft heißt das: Er erhält ein Fahrzeug, das Konnektivität und Personalisierung sowie Safety und Security bietet.

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