Eine technische Neuerung jagt die andere. Der Elektronikmarkt ist schnelllebig. Während wir uns längst daran gewöhnt haben, dass spätestens nach zwei Jahren ein neues Smartphone her muss, stellt die Industrie andere Anforderungen. Nicht nur die lange Lebensdauer, sondern auch die lange Verfügbarkeit von Elektronik ist für Industriekunden zentral. Genau diese Anforderungen werden oft nicht erfüllt. Insbesondere dann nicht, wenn für die Steuerung von Industrieanlagen ein herkömmlicher PC verwendet wird. Das führt zunehmend zu Frust und Ärger.
Consumer-Markt beeinflusst die Industrie
Viele Hersteller industrieller Elektronik lassen sich vom Consumer-Markt Takt und Marschrichtung diktieren. Dadurch kommen Geräte auf den Markt, die den Anforderungen der Industrie schlicht nicht gewachsen sind. Willkürliche Produktabkündigungen und frühzeitige Feldausfälle sind die Folge. Aufwändige Requalifikationen verursachen einen enormen Zeit- und Kostenaufwand. Gerade bei älterer Elektronik ist es schwierig, überhaupt passenden Ersatz zu finden. Gelingt das nicht, werden kostenintensive Anpassungen nötig.
Retrofit-Computer entschärfen das Problem
Die Embedded-Spezialistin Syslogic hat dieses Problem erkannt und reagiert mit einer eigenen Retrofit Serie darauf. Unter Retrofit versteht man die Modernisierung oder die Nachrüstung bestehender Anlagen oder Geräte mit modernen Komponenten. Gerade bei Computern stellt die Kompatibilität eine Herausforderung dar. Das, weil bestehende Software vielfach nicht mit aktueller Hardware kompatibel ist, oder weil mittlerweile veraltete Schnittstellen zur Systemanbindung nicht mehr angeboten werden.
Syslogic knüpft mit ihren Retrofit-Industriecomputern genau da an. Rapahel Binder, Product Manager bei Syslogic, sagt: „Wir sind in der Lage, Standardgeräte mit Retrofit-Funktionen zu ergänzen.“ Dadurch ließen sich die Industriecomputer in alte Anlagen oder Maschinen integrieren.
Aufbauend auf einer X-86-Architektur stattet Syslogic ihre Industriecomputer auf Kundenwunsch mit heute kaum mehr gebräuchlichen Schnittstellen aus. Dazu zählen Floppy-Schnittstellen, die benötigt werden, um alte Software, die nur auf 3,5-Zoll-Diskette verfügbar ist, einzulesen. Floppy-Laufwerke, die über USB angesteuert werden, sind in diesem Fall nutzlos, da sie auf einer anderen Datenstruktur aufbauen. Entsprechend integriert Syslogic alte Floppy-Laufwerke, um bestehende Software auf die modernen Industriecomputer zu übernehmen. Weitere typische Retrofit-Schnittstellen sind VGA, PS/2 zur Ansteuerung alter Eingabegeräte, meist Tastaturen; oder parallele Schnittstellen (LPT) zur Integration von Peripheriegeräten wie Druckern. Außerdem verlangen Retrofit-Anwendungen häufig nach mehreren seriellen Schnittstellen wie RS485, RS422, RS232, oder Profibus sowie CAN die in modernen Industriecomputern selten integriert werden.
RT-DOS und MS-DOS auf moderner Hardware?
Neben einer flexiblen Schnittstellenbelegung zeichnen sich die Syslogic Retrofit-Industriecomputer durch skalierbare Prozessorplattformen aus. Nur so lassen sich tiefe Taktfrequenzen bis 60 Megahertz realisieren, wodurch sich die Industriecomputer für RTOS (Real-time Operating System) eignen, da diese von der Taktfrequenz abhängig sind. Dank dieser Rückwärtskompatibilität lassen sich auf den modernen Industriecomputern alte Betriebssysteme wie RT-DOS oder MS-DOS betreiben. Gleichzeitig sind sie auch mit Windows XP und Windows CE kompatibel.
RT-DOS und MS-DOS, was sich nostalgisch anhört, wird häufig nachgefragt. Raphael Binder sagt: „Die Kunden, die bei uns Retrofit-Computer beziehen, kommen aus unterschiedlichen Industriesparten – von der Verkehrsleittechnik über den Maschinenbau bis zur Medizintechnik.“
Grundsätzlich sind Retrofit-Industriecomputer immer dann interessant, wenn sich Anlagen oder Maschinen mechanisch nach wie vor auf dem neuesten Stand befinden, die Elektronikkomponenten aber veraltet oder nicht mehr erhältlich sind. Oder wenn sich eine Neuinvestition aus unternehmerischer Sicht nicht lohnt.
Retrofit garantiert langfristige Produktivität
Als Beispiel nennt Binder die Spritzgussmaschinen eines deutschen Unternehmens aus der Kunststoffverarbeitung. Deren Lebensdauer wurde mit einem Retrofit-Industriecomputer beträchtlich verlängert. Um die bestehende Software einzulesen, stattete Syslogic ihre Industriecomputer mit einer Floppy-Schnittstelle aus. Dank der skalierbaren VortexDX-Prozessorplattform konnten die Programme zur Steuerung der Anlage problemlos implementiert werden. Positiv auf die Zuverlässigkeit der Gesamtanlage wirkt sich zudem die hohe Belastbarkeit und lange Lebensdauer der Retrofit-Industriecomputer aus.
Ein weiteres Beispiel aus der Praxis sind die Verkehrsleitsysteme eines Schweizer Anbieters. In der Verkehrsleittechnik werden die Systeme ständig modernisiert, jedoch selten komplett erneuert. Entsprechend ist es für das Schweizer Unternehmen zentral, dass die eingesetzten Industriecomputer oder Eins-zu-eins-Ersatzgeräte auch nach 10 Jahren und mehr erhältlich sind. Syslogic liefert heute Retrofit-Industriecomputer, die Geräte aus den Achtzigerjahren ersetzen. Entsprechend lassen sich die Verkehrsleitsysteme wirtschaftlich betreiben und erweitern, ohne dass die Grundarchitektur angetastet wird.
Die Beispiele zeigen, dass Retrofit-Industriecomputer im Investitionsgütermarkt oft die einzige Lösung sind, um bestehende Anlagen oder Maschinen weiter wirtschaftlich einzusetzen. Werden Software-Anpassungen nötig, weil die bestehende Software nicht mit aktueller Hardware kompatibel ist, bedeutet das oft ein betriebswirtschaftliches Desaster. Entsprechend wächst die Nachfrage nach Retrofit-Industriecomputern.
Raphael Binder fasst zusammen: „Retrofit-Industriecomputer erleben aktuell einen Trend, weil die Industrie nicht mit der Kurzlebigkeit des Consumer-Marktes mithalten kann und will.“ Zudem unterhielten die meisten großen Maschinenbauer bereits eigene Refurbishing-Center, in denen sie alte Anlagen für ein zweites Leben fit machten, so Binder. Das steigere die Nachfrage weiter.