Der Austausch von Informationen zwischen unterschiedlichen Maschinen – damit sind im allgemeinen Software-Tools gemeint – ist in der Bürokommunikation Alltag. Bei Engineeringprozessen in den verschiedenen Lebenszyklusphasen von Anlagen ist er hingegen die Ausnahme. Der Austausch maschinenlesbarer Merkmalleisten zur Spezifizierung von Prozessautomatisierungskomponenten konzentriert sich derzeit auf Instandhaltungsprozesse. Für Industrie 4.0 wird die Merkmalleistentechnologie jedoch als gegeben vorausgesetzt.
Maschinen-Maschinen-Kommunikation
Die unterschiedlichen, in den Lebenszyklusphasen der Anlagen beteiligten Gewerke und Funktionen innerhalb der Engineeringprozesse arbeiten mit verschiedenen Tools. Der Austausch der Informationen zwischen den Tools geschieht in der Regel durch den Menschen durch Abschreiben und Eintippen. Der Datentransport per Papier oder E-Mail ist aber umständlich und fehleranfällig. Daher bietet der eCl@ss e.V. mit der Prolist-Merkmalleistentechnologie den Austausch von Informationen in einer Maschinen-Maschinen-Kommunikation. Die Übermittlung der Daten geschieht dabei in einem geeigneten XML-Format.
Damit die Tools einander verstehen, bedarf es einer gemeinsamen Sprache, wie sie im Merkmalleistenlexikon für Geräte der Prozessautomatisierung eindeutig definiert ist. Das Lexikon ist in eCl@ss 8.0ff, Prolist NE 100 und IEC 61987 standardisiert. Hinzu kommt ein allgemeines Klassifizierungssystem, das von der Beschaffung oder dem Händler genutzt wird. Obwohl die Technologie alle Lebenszyklusphasen der Anlagen abdeckt, beschränken sich derzeit die Hauptanwendungen auf die Instandhaltung und das Ersatzteilmanagement.
Workflows und Tools anpassen
Den optimalen Nutzen erhält der Anwender, wenn Planer, Gerätehersteller und Anlagenbetreiber und jeweils möglichst viele Firmen und Dienstleister ihre Workflows und Tools anpassen. Die Einführung der neuen Technologie ist jedoch ein Kraftakt, wie sich gezeigt hat. Die Systemhäuser müssen passende Schnittstellen für ihre Software entwickeln und die Anwender müssen in entsprechende Tools investieren. Schwerer wiegt wohl, dass die Einführung der Merkmalleistentechnologie und die Adaption der vorhandenen Workflows am Anfang zeitaufwendig sind. Sie stellen eine strategische Entscheidung dar, die zunächst mit dem zeitoptimierten Alltagsgeschäft kollidiert, bevor sich die Vorteile auszahlen.
Wie die Praxis zeigt, sind in den Abläufen der Instandhaltung und des Ersatzteilmanagements wenige Partner mit wenigen Tools involviert und es müssen weniger Arbeitsabläufe angepasst werden. Am Anfang sind daher nur die Instandhaltung eines Betreibers oder Instandhaltungsdienstleisters und wenige Gerätehersteller involviert. Die Aufwände zum Einführen einer automatisierten Maschinenkommunikation bleiben überschaubar. Der Nutzen ist hierbei zwar geringer als bei einer Automatisierung der Kommunikation über alle Anlagenlebenszyklusphasen hinweg, stellt sich aber zügig ein.
Die Technologie kann migrierend eingeführt werden. Idealerweise fordert der Errichter einer neuen Anlage, dass die Hersteller bei der Lieferung der Geräte deren elektronische Beschreibungen oder Datenblätter zur Verfügung stellen. Mit den maschinenlesbaren Merkmalleisten enthält dann die Instandhaltungsdatenbank ein Abbild der eingesetzten Prozessautomatisierungskomponenten. Änderungen, wie sie zum Beispiel bei der Inbetriebnahme vorkommen, lassen sich auf elektronischem Weg zuverlässig und einfach dokumentieren. Es ist damit jederzeit zweifelsfrei, welche Geräte an welcher Stelle eingebaut sind, welche Eigenschaften sie haben und wie sie konfiguriert sind.
Wenn im Fall eines Defekts ein Gerät ausgetauscht werden muss, ist bei den üblichen Anlagenlebensdauern von teilweise bis zu dreißig Jahren davon auszugehen, dass identische Geräte nicht mehr am Markt verfügbar sind. Mit der standardisierten, umfassenden und eindeutigen Gerätebeschreibung kann bei den Herstellern ein passender Ersatz angefragt werden. Das Einlesen elektronischer Gerätedaten in die Instandhaltungsdatenbank für eine existierende Anlage ist weniger elegant. Es ist damit zu rechnen, dass der tatsächliche Zustand der Geräte von der vorhandenen Papierdokumentation abweicht. Obwohl Gerätehersteller oft elektronische Gerätebeschreibungen auch für die eingebauten Geräte liefern können, ist ein Abgleich der Daten meist durch eine Bestandsaufnahme vor Ort notwendig.
Der Betreiber kann anschließend die Stammdaten aus der Instandhaltungsdatenbank in seinen Lieferantenkatalog übertragen und hat damit die elektronische Basis für die Planung künftiger neuer Anlagen oder Erweiterungen. In überschaubaren Schritten kann so die Merkmalleistentechnologie in allen Lebenszyklusphasen der Anlage einschließlich des Plant Asset Managements eingeführt werden.
Während in der Praxis eine migrierende Einführung der Gerätebeschreibungen mit maschinenlesbaren Merkmalleisten diskutiert wird, ist die Maschinen-Maschinen-Kommunikation eine der Voraussetzungen für Industrie 4.0 – über das Internet der Dinge und Dienste hinaus. Sie tangiert alle Ebenen vom Shopfloor über Organisation und Planung bis zur Schaffung von Standards. Im Kern geht es gerade darum, dass Maschinen untereinander Daten austauschen, die die Maschinen selbst wieder verstehen. Auch hier geht es um die Standardisierung einer Kommunikationsschnittstelle sowie die Definition einer maschinenverständlichen Sprache. Hinzu kommt, dass das Schema und die Struktur der Prolist-Merkmalleisten auf andere Komponenten wie zum Beispiel Druckbehälter, Rohrbündelwärmetauscher und Kreiselpumpen, um nur Dinge der unteren Instrumentierungsebene zu nennen, übertragen werden kann.
Notwendige Voraussetzung
In den Diskussionen mit Industrie-4.0-Experten hat sich gezeigt, dass für die Prozessautomatisierungskomponenten das Prolist-Merkmalleistenlexikon eine der notwendigen Voraussetzungen darstellt. Damit tut sich eine große Spannweite bei der Anwendung der Technologie maschinenlesbarer Merkmalleisten auf. Das Prolist-Merkmalleistenlexikon ist standardisiert verfügbar und anwendbar. Die internationale Normung der Vielfalt der Merkmalleisten geschieht überwiegend in der Internationalen Elektrotechnischen Kommission, kurz IEC.
Die alltägliche Nutzung der Technologie findet derzeit nicht in allen Lebenszyklusphasen der Anlagen statt, wohl aber in Teilbereichen wie der Instandhaltung und dem Ersatzteilmanagement. Dadurch wird die Einführung der Technologie überschaubar und kann als Katalysator für weitere Anwendungen dienen. Der grundlegende Datensatz ist dazu schon angelegt und die Mitarbeiter sind an den Umgang damit und mit den Tools gewöhnt. Andererseits werden die maschinenlesbaren Merkmalleisten für die Maschinen-Maschinen-Kommunikation vorausgesetzt. Dazwischen werden weitere Schritte liegen – Integrated Engineering könnte ein solcher sein.