Power & Leistungselektronik Mehr Power für die Medizin

12.02.2013

Immer mehr Stromversorgungskomponenten werden speziell für die Medizintechnik entwickelt. Doch den sich daraus ergebenden Chancen für die Hersteller sind auch Grenzen gesetzt.

Kleiner, leiser, sicherer, leistungsstärker, nach außen völlig abgeschlossen: Der Ruf der Hersteller von Medizintechnik an die Stromversorgungs-Branche ist deutlich. Die Anforderungen sind hoch, das regulatorische Umfeld herausfordernd und ständig im Wandel. Trotz der Hürden tummeln sich immer mehr Stromversorgungszulieferer auf diesen Märkten - besonders im begehrten Segment der Risikoklasse-II-Geräte. Denn in einem sind sich alle einig: Die Medizintechnik ist ein Wachstumsmarkt und wird dies auf Jahre hinaus bleiben.

So erwarten deutsche Unternehmen laut einer Umfrage der deutschen Außenhandelskammern nach wie vor in 56 Prozent der relevanten Ländermärkte ein Marktwachstum in der Medizintechnik von über fünf Prozent. Zwar stagnieren auch viele EU-Länder in Sachen Medizintechnikbedarf, dem GTAI-Bericht „Branchen International“ vom Juli 2012 zufolge sind dafür jedoch die BRIC-Staaten sowie der nahe Osten, aber auch Märkte wie die Türkei enorm im Anstieg begriffen - wegen ihres starken Nachholbedarfs und umfangreicher Investitionsankündigungen beispielsweise bei Klinikausstattung und Rettungswesen.Hinzu kommt laut Branchenverband Spectaris die derzeitige Home-Gesundheitswelle auch im deutschen und den anderen sonst ziemlich gesättigten europäischen Binnenmärkten. So wird vom Home-EKG-Messgerät bis zur Allzweck-Gesundheitsstation inzwischen selbst in den deutschen Discountmärkten verschiedenste Mess- und elektronische Wellnessgerätschaft verkauft. Ein weiterer Hoffnungsträger ist das Thema Assistenzsysteme für die immer älter werdende Bevölkerung Europas.

Immer mehr Geräte erfüllen die nötigen Normen

Von diesem Wachstumstrend möchten natürlich auch die Hersteller von Stromversorgungskomponenten profitieren. Während bis vor wenigen Jahren die Auswahl an Stromver- sorgungsgeräten mit Zulassung für den medizintechnischen Einsatz sehr begrenzt war, oder die Hersteller der Geräte mühevolle Entwicklungsbegleitung und Zulassungsprozesse nach den medizinischen DIN-Normen und dem Medizintechnikgesetz in Kauf nehmen mussten, sind heute zahllose Komponenten auf dem Markt, die bereits von sich aus die Bedingungen der Medizintechnikgeräteverordnung, die notwendige EN 60601 und sämtliche spezifischen Vorschriften zu erfüllen.

Dies bestätigen auch die Anwender wie die Firma GS Elektromedizinische Geräte, der deutsche Marktführer für Rettungswesen-Defibrillatoren, oder das Nürnberger Unternehmen Solectrix, das bildverarbeitende 3D-Hochleistungssysteme unter anderem für die Medizintechnikbranche herstellt. GS-Entwicklungsleiter Uwe Gellert begrüßt insbesondere das immer größer werdende Angebot an speziellen Controllern und Peripherieausstattung auch für die Stromversorgung seiner medizintechnischer Risikoklasse-IIb-Geräte, die beispielsweise von Texas Instruments in verschiedensten Ausführungen angeboten werden. Probleme wie die Kontrolle der Be- und Entladeströme, so Gellert, „waren bis vor wenigen Jahren sehr aufwändig zu lösen. Heute sind die ursprünglichen Risiken der kleineren, leichteren und weniger selbstentladenden Lithium-Ionen-Technologie durch entsprechende Ausstattung viel problemloser in den Griff zu bekommen.“

Entsprechend bringt sein Unternehmen derzeit ein neues Herzdruckmassage-Gerät auf den Markt - das sogar wegen der dabei schnell abrufbaren großen Lade- und Entladeströme trotz deren deutlich höheren Innenwiderstands von etwa 200 Milliohm, statt etwa 150 Milliohm, mit den deutlich leichteren Lithium-Polymerakkus arbeiten wird - Stichwort „Doppelte Leistung, halbes Gewicht.“ Die Ausstattung für das „Cell-Balancing“ - also Standardlösungen, die das Sicherheitsmanagement eigenhändig übernehmen und etwa selbständig Energiebilanzierungen im Sinne von Energieinput-Output Analysen vornehmen, ist heute laut Gellert absolut zufriedenstellend auch für den anspruchsvollen medizintechnischen Einsatz.

Netzgeräte für die Medizintechnik

Aus einem ganz anderen Bereich kommt TDK-Lambda. Traditionell stellt der Spezialist für AC/DC-Netzgeräte und DC/DC-Wandler in seiner Medizintechniksparte seit Jahrzehnten beispielsweise die stationäre Stromversorgung für Kernspintomografen und Röntgengeräte her und versorgt damit unter anderem die Siemens-Großgeräte in den Kliniken. Doch auch bei TDK-Lambda sind inzwischen zwei reine Medizintechnik-Netzteilreihen im Angebot, die den besagten mobilen Wachstumsmarkt im mittleren Segment anpeilen.

�?hnlich Bicker Elekronik, das letztes Jahr vier neue Modelle der Netzteil-Serie BEO-3500M vorstellten, die für den Einbau in lüfterlos arbeitende Medizintechnik-Systeme konzipiert sind und nach den MT-Normen EN/UL60601-1 geprüft und zugelassen wurden. Auch hier im Fokus: Lüfterlos per Konvektionslüftung und mit einem hohen Wirkungsgrad von bis zu 93 Prozent. Die Besonderheit bei all diesen Geräten: Stärkere Ein-Ausgangs-Isolierung, höhere Isolationsspannung zwischen Eingang und Erdung und somit weniger Ableitströme als bei nicht-medizintechnischen Geräten. Dazu weniger Störanfälligkeit.

Warum dies nötig ist, liegt besonders dann auf der Hand, wenn man sich ein so genanntes Klasse-3-Gerät vorstellt, dessen Stromkreis im direkten Patientenkontakt ist. Beispiel: Eine Operation am offenen Herzen. Ein externer Herzschrittmacher, der das Herz im direkten elektronischen Strom am Schlagen hält, bis der künstliche kleine Herzschrittmacher eingesetzt ist. Eine Über- oder Unterspannung - nicht auszudenken. Allerdings, so TDK, seien die normalen Serienprodukte in der Regel nur bis Klasse zwei, also dem direkten Patientenkontakt aber ohne unmittelbaren gemeinsamen Stromkreislauf, zugelassen. Der direkte Stromkreiskontakt sei dann in der Regel ein Feld für hochspezialisierte Komponenten.

Der Konverterspezialist Recom hat zum Thema Isolation und Ableitspannen seine eigene Produktphilosophie entwickelt. Zwar macht die besagte 3. Edition der UL/EN60601 Unterschiede zwischen der Sicherheit für Patient und Personal. Für Geräte und Systeme, die nicht in Kontakt mit dem Patienten kommen (MOOP, Means of Operator Protection), sind auch reduzierte Luft- und Kriechstrecken ausreichend, wie sie in der EN60950-1 für normale elektronische Ausrüstungen definiert sind. Da aber zugleich die Forderung nach sehr niedrigen Ableitströmen aus der EN60601 erfüllt sein muss, sei man als Hersteller, so Recom-Geschäftsführer Karsten Bier, „oft besser beraten, auch hierfür reinforced isolierte DC/DC-Wandler einzusetzen, wie sie bei Geräten mit direktem Patientenkontakt (MOPP, Means of Patient Protection) als 2. Isolationsbarriere vorgeschrieben sind.“ Diese Barriere isoliert die Medizinelektronik im Inneren des Systems von Diagnosetools wie Endoskop oder EKG-Elektroden.

Die erste Isolationsbarriere auf der Versorgungsseite wird wie bisher schon durch ein wie oben genanntes „medizinisches“ Netzteil realisiert.Die Luft- und Kriechstrecken im Trafo von reinforced isolierten DC/DC-Wandlern müssen rund drei Mal größer sein als beispielsweise für elektronische Bürogeräte vorgeschrieben ist. Hierfür habe man bislang die Primär- und Sekundärwicklung des Trafos getrennt voneinander auf entgegen gesetzte Hälften eines Ringkerns gewickelt. So hatte man jedoch auch die beiden Magnetfelder voneinander getrennt - mit, so Bier „einigen unerwünschten Nebenwirkungen für die Leistungsfähigkeit des Trafos“. Da sich die beiden Magnetfelder nicht mehr optimal überlagern können, sinkt der Wirkungsgrad. Dadurch steigen die Wärmeverluste im Trafo und damit die Betriebstemperatur. Beides würde man zu gerne vermeiden, da hohe Effizienz und knapp bemessene Energiebudgets bei Neuentwicklungen im Pflichtenheft stehen.

Ingenieure von Recom sei es nun gelungen, ein neues Trafokonzept zu realisieren. Dabei seien die Primär- und Sekundärwicklung so ineinander verzahnt, dass die für „reinforced-Isolation“ vorgeschriebenen Luft- und Kriechstrecken eingehalten werden und die Magnetfelder sich nahezu optimal überlappen. Durch eine „quasi-resonante“ Schaltungstopologie erzielen die neuen Wandler nach Angaben des Unternehmens 15 bis 20 Prozent mehr Leistung im selben Gehäuse und sind aufgrund der geringeren Wärmeverluste für Umgebungstemperaturen bis 85 °C zugelassen. Gleichzeitig konnte die Wicklungskapazität auf Werte von wenigen Pikofarad reduziert werden. Dies sorge für niedrigere Ableitströme, wie sie in der Medizinelektronik erwünscht sind. Und noch ein wichtiger Punkt: sie gewinnen dadurch Kompaktheit zurück.

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