Corporate News Mischkalkulation

14.06.2013

Bei der Kreation von Gewürz- und Backmischungen sind Innovation und Überraschung mehr denn je gefragt. Das richtige Mischen einer Vielzahl von Rohstoffen ist eine komplexe verfahrenstechnische Herausforderung.

Wer eine Gewürz- oder Backmischung benutzt, der wird, wenn er mit ihr zufrieden ist und den fertigen Kuchen oder das gewürzte Brathähnchen genießt, manches Mal dem Erfinder danken, der ihm so viel Arbeit erspart hat. Aber das Wissen darum, dass Oma noch alle Arbeitsschritte selbst in ihrer Küche ausgeführt hat, könnte die Idee aufkommen lassen, die Herstellung von Gewürz- und Backmischungen sei eine simple Sache. Weit gefehlt! Dahinter steckt Herkulesarbeit und Ingenieurskunst, wie Matthias Kruse, Bereichsleiter Vertrieb bei Zeppelin Reimelt, erklärt. „Bei Gewürz- und Backmischungen kommt man schnell auf 600 oder 700 Rohstoffe.“ Wie finden alle in der richtigen Menge ihren Weg in die Tüte? „Es geht immer um Leistung und Genauigkeit“, sagt Kruse, man könne nicht beides maximieren: Je größer die Behälter und Dosierorgane, desto schwieriger werde das grammgenaue Dosieren. Darum müsse man ein Optimum aus beidem anstreben. Der Anlagenbauer stehe vor der Herausforderung, gemeinsam mit dem Kunden eine Anlage zu entwickeln, die ihm die größtmögliche Flexibilität biete. „Dabei spielt die Logistik eine entscheidende Rolle. Es handelt sich nämlich nicht um eine reine Förder-, Dosier- und Mischaufgabe, sondern die Konzeption geht bis in die Warenwirtschaft hinein.“ Gefordert sei eine flexible und gegen Fehlbedienung gesicherte Konzeption. Auch die Rückverfolgbarkeit von Zutaten werde immer wichtiger. Wie kann trotzdem der erforderliche Durchsatz gewährleistet werden? Man benötige einen möglichst breiten Dosierleistungsbereich, bei hoher Feindosiergenauigkeit. „Der Kunde weiß ungefähr, welche Tonnagen er herstellen will, kann aber nur eine Aussage machen zu den Rezepten, die er derzeit einsetzt.“ Nun müsse der Anlagenbauer aus der Vielzahl von Rezepten repräsentative Referenzrezepte auswählen, um so die Anlage auch für mögliche zukünftige Rezepte auszurüsten und dem Kunden auf diese Weise Investitionssicherheit zu bieten. „Entscheidend ist, dass die Systeme zum Dosieren und Fördern für möglichst viele Komponenten genutzt werden können - und das, obwohl diese sehr unterschiedliche Eigenschaften haben.“ Wenn man ein Dosiersystem mit Behältern habe, das universell einsetzbar sei, sei man einen großen Schritt weiter.

Container statt Rohrleitung

Diesen Weg verfolge Zeppelin Reimelt. Statt klassischer Rohrleitungen setzt das Unternehmen mit seinem ReciPure-System auf mobile Container. Sie können nach einem Produktionsdurchgang entweder für dasselbe Rezept weiterbenutzt werden, oder sie werden gereinigt und für andere Rezepte eingesetzt. Dieses Containersystem könne man auch mit konventioneller Fördertechnik kombinieren, so Kruse. Eine große technologische Herausforderung sei das automatische Bewegen der Container und Vorlagenbehälter. „Die Container, die die Zutaten an den Dosierstationen einsammeln und einem Mischer zuführen, fahren entweder auf angetriebenen Rollbahnen, oder es handelt sich um Flurfahrzeuge, die sich auf einer im Boden eingelassenen Schleife funkgesteuert flexibel bewegen.“ Daraus erwächst eine komplexe Aufgabe, denn der Kunde will natürlich eine bestimmte Anzahl von Chargen pro Stunde erzielen. „Wie will man das garantieren, wenn man 600 verschiedene Rezepte hat? Wir haben ein Simulationsprogramm, mit dessen Hilfe wir die für die Abläufe benötigte Zeit vorausberechnen können und dabei auch feststellen können, ob sich mehrere Flurfahrzeuge zur selben Zeit an derselben Produktvorlage drängeln“, so Kruse. „Das Programm deckt das auf und kann für jedes Rezept den Durchsatz berechnen.“ Dieses Simulationsergebnis wird dem Kunden mitgeteilt und gibt ihm so Sicherheit für seine Investitionsentscheidung. Wie entwickelt sich der Konsum von Gewürz- und Backmischungen, und welche Trends sind zu beobachten? „Backmischungen behaupten sich gut im Markt, obwohl häusliches Backen seit Jahren rückläufig ist“, sagt Dirk Radermacher, Geschäftsführer des Verbands der Hersteller kulinarischer Lebensmittel. Die positive Absatzentwicklung in Deutschland werde von zwei Entwicklungen getragen: der wachsenden Beliebtheit von Trendgebäcken wie Muffins und Brownies und der verstärkten anlassbezogenen Vermarktung durch den Einzelhandel - etwa zu Weihnachten oder Ostern. Mengenrückgang verzeichne hingegen die Gruppe der eher traditionellen Tortenbackmischungen. „Zu den wirtschaftlichen Aspekten ist anzumerken, dass Kostensenkungen in Zeiten steigender Rohstoffkosten für die Hauptingredienzien sowie steigender sonstiger Kosten nicht mehr zu erzielen sind“, sagt Radermacher. Die Aufgabe bestehe darin, den Verbraucher durch Attraktivität und Qualität zu überraschen und Neugierde zu schaffen. „Wir sehen gerade das Backmischungssortiment als eine Produktgruppe, von der die Verwender Impulse und Innovationen erwarten, um selbst wiederum der Familie und Gästen eine Überraschung zu bereiten.“ Um den reinen Herstellungsprozess herum muss der Produzent sich mit einer ständigen Flut von neuen Gesetzen und Verordnungen auseinandersetzen, wie der Lebensmittelinformationsverordnung und dem wachsenden Informationsbedürfnis des Einzelhandels.

Natürliche Aromen treiben die Preise hoch

Bei Gewürzmischungen gebe es eine Hinwendung zu größerer Vielfalt und Reinheit. „Immer wieder gibt es Trends zu einzelnen Gewürzen oder Kräutern - in jüngster Zeit etwa Ingwer, Zitronengras oder Bärlauch.“ Eine bereits stabile Entwicklung sei das so genannte Clean Labelling, also der Verzicht auf kenntlichmachungspflichtige Zusatzstoffe. Dasselbe gelte für den Verzicht auf allergene Stoffe sowie auf Aromen, die nicht als „natürlich“ bezeichnet werden. „Diese Produktentwicklungen sind aufwendig und kostspielig; umso mehr, als seit Jahren der Rohstoffmarkt der Gewürzindustrie äußerst angespannt ist“, erklärt Radermacher. Durch den steigenden Wohlstand in Anbauregionen wie Indien, Südostasien, Brasilien und China würden immer größere Mengen vor Ort konsumiert statt exportiert. Zudem fielen durch politische Spannungen immer wieder einzelne Lieferländer ganz oder teilweise aus - wie �?gypten, Syrien und Iran. Umweltkatastrophen wiederum vernichten Ernten und ganze Anbaugebiete manchmal über Jahre hinaus. So hat 2005 der Wirbelsturm Katrina den gesamten Muskatanbau auf Grenada zerstört, eines der wichtigsten Muskatanbaugebiete weltweit. „Die Flächen sind erst zu einem kleinen Teil rekultiviert, denn Muskat braucht acht Jahre vom Anbau bis zur ersten Ernte“, so Radermacher. Hin und wieder sollte man also ruhig daran denken, welch schwierige, langwierige und über die Welt verteilte Arbeit dahintersteckt, etwas scheinbar so Einfaches wie eine Gewürz- oder Backmischung herzustellen.

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel