Ein erster Blick auf die Elektromobilität gilt gewöhnlich nicht der Infrastruktur, sondern den Fahrzeugen. Denn sie sind es, die vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Zunahme erneuerbarer Energien, im Verkehrsbereich ganz neu gedacht und konzipiert werden müssen. In Europa denkt man dabei hauptsächlich an vierrädrige Pkw, in Asien vermehrt an Zwei- und Dreiräder. Eine ganzheitliche Sicht berücksichtigt hingegen folgende elektrisch angetriebene Fahrzeuggruppen:
Schienenfahrzeuge des Nah- und Fernverkehrs (U- und S-Bahn, Zug)
Busse (Oberleitungsbusse, Hybridbusse)
batteriebetriebene Zweiräder (Pedelec, E-Bike, Segway)
Pkw mit Elektroantrieb oder Hybridantrieb
neuartige Kleinstfahrzeuge (Drei- oder Vierräder)
Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb.
Die zunehmende Sichtbarkeit der Elektromobilität sorgt dafür, dass sich zudem die Mobilitätsstrukturen gravierend verändern werden - wenn auch durchaus langfristig gedacht -, und, dass sich die Verkehrsräume ändern. Bei letzterem sind die Kommunen als gestaltende Instanz gefragt, die für die öffentliche Infrastruktur sorgen und dafür den nötigen ordnungsrechtlichen Spielraum benötigen. Denn in Städten wird diese „neue Mobilität“ als erstes umgesetzt werden. Kurze Wege im Stadtverkehr, eine vorhandene Strominfrastruktur und viele Anknüpfungspunkte zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sind prädestiniert, um neue Mobilitätskonzepte zu erproben.
Kommunale Infrastrukturen
Der Aufbau kommunaler Infrastrukturen beruht auf Entwicklungen, die von unzähligen Innovationen geprägt sind, und die sich über eine Dauer von zweihundert Jahren bis heute erstrecken. So erleben wir derzeit mit dem Aufkommen der Elektromobilität in Kombination mit der Erzeugung des Stroms aus erneuerbaren Energien eine ähnliche Herausforderung wie etwa beim Aufbau des Hochspannungsnetzes zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts oder wie beim steigenden Strombedarf in den 1950er und 60er Jahren aufgrund des Booms an elektrischen Haushaltsgeräten. Um die Herausforderungen anzugehen erfordern die notwendigen, branchenüberreifenden Kooperationen entsprechende Netzwerke, die sich mit dem gezielten Erfahrungsaustausch im Umfeld der technischen Infrastruktur und Mobilität befassen. Denn die Einbindung des Verkehrs in das Energiesystem ist eines der am schwierigsten zu steuernden Gebiete. Die Kommunen engagieren sich dafür und forcieren die Zusammenarbeit mit den Stadtwerken und der Wirtschaftsförderung. So können Kommunen die wirtschaftspolitischen Ziele der Bundes- und Landesregierung im Bereich Elektromobilität unterstützen und die heimische Automobil- sowie Zulieferindustrie fördern - etwa durch Initiierung von Aus- und Weiterbildungsprojekten gemeinsam mit der Kfz-Innung und den Berufskollegs. Hierbei können in der Region qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten werden - und neue Geschäftsfelder entstehen:
Aufbau dezentraler regenerativer Energieerzeugungs- und Speichersysteme,
neues Produkt: Autostrom aus 100 Prozent erneuerbarer Energien,
Ertüchtigung des Stromnetzes.
Nachhaltige Mobilität integrieren
Aus ÖPNV-Unternehmen sollten integrierte Mobilitätsdienstleister werden, die beispielsweise Leihfahrzeuge (Elektro-Pkw und Pedelecs) in Kombination mit dem ÖPNV anbieten. Demgegenüber engagieren sich zahlreiche Betriebe - sei es aus Prestigegründen oder aus Umweltbewusstsein - für Elektromobilität und wollen Vorreiter sein. So hat eine Unternehmerinitiative in Wuppertal 2012 bewirkt, dass innerhalb von drei Monaten einhundert E-Fahrzeuge neu zugelassen wurden.Ein weiterer Lösungsansatz könnte sein, die neue Mobilität in einen Energiewendeprozess einzubetten, wie ihn die Stadt Dortmund beispielhaft vorführt. Dort ist die Mobilität Bestandteil in einem „Masterplan Energiewende“, in dem auch der Umbau der kommunalen Fahrzeugflotte angestrebt wird. Ähnliche Strukturen verfolgt die Landeshauptstadt Düsseldorf mit dem „Masterplan Industrie“. Die darin unter anderem vorgeschlagenen Flottenversuche mit E-Fahrzeugen werden im Projekt „E-Carflex Business“ im Rahmen des Modellregionenprogramms des Bundesverkehrsministeriums (BMVBS) umgesetzt. In Köln steht bei „colognE-mobil“ (Phase II des Projektes) die Einbindung von Elektromobilität in alle wesentlichen Verkehrsträger und Anwendungen im Vordergrund. In Krefeld sind insgesamt zehn Linienbusse mit Hybridantrieb im täglichen Einsatz. Und in Aachen läuft das Projekt „eMoVe - elektromobiler Mobilitätsverbund Aachen“, in dem die Einbindung von Elektromobilität in die Verkehrsentwicklungsplanung der Stadt Aachen angestrebt und zum Beispiel im Bebauungsplan „Richtericher Dell“ umgesetzt wird. Vertreter dieser und weiterer Städte wie Duisburg, Bochum, Essen und Bottrop haben sich in einem interkommunalen Erfahrungsaustausch zusammengefunden. Darin werden gemeinsam mit den Akteuren Lösungen aufgezeigt, wie man neue Mobilitätsformen mit entsprechenden Anreizen wie freies Parken oder Gestalten der rechtlichen Rahmenbedingungen wie Zufahrtsbeschränkungen für Fahrzeuge einführen kann. Ergebnisse fließen in die jährliche überregional ausgerichtete Konferenz „Elektromobilität in Kommunen“ ein. Gastgeber sind im Wechsel der TÜV Rheinland in Köln (2013) und die Stadtwerke Düsseldorf (2014).
Mobilität und Kraftstoffstrategie
Ein wichtiger Meilenstein für die Elektromobilität ist die Demonstration von Fahrzeugen. Das hat das Modellregionen-Programm gezeigt, dessen Projekte bereits in der zweiten Phase (2012 bis 2015) sind. Einige Kommunen sind als Projektpartner beteiligt, entweder als Betreiber eigener Fahrzeugflotten, als Infrastrukturanbieter über kommunale Unternehmen oder indem sie Elektromobilität und stadtplanerische Gesichtspunkte in Einklang bringen. Es besteht kein Zweifel, dass aufgrund der grundlegenden technischen und physikalischen Vorteile die elektrischen Antriebe deutlich an Bedeutung gewinnen werden, auch wenn der Verbrennungsmotor in Verbindung mit einem breiten Spektrum an Kraftstoffen noch Optimierungspotenziale hat und wohl noch lange Zeit die Antriebstechnik bestimmen wird. Die Themenfelder sind entsprechend:
energieeffiziente Antriebe
neue Kraftstoffe
batteriebetriebene Elektromobilität und
neue Mobilitätskonzepte.
Anwendungsbereiche sind: Straße mit Pkw, leichten und schweren Nutzfahrzeugen, Busse; Off Road-Anwendungen wie zum Beispiel in der Landwirtschaft; Schiene; Luft- und Schifffahrt und das auch in internationalen Kooperationen. Diese Elemente sind auch Bestandteil der Kraftstoff- und Antriebsstrategie in NRW. Denn die von der EU geforderte CO 2-Reduktion der Neuwagenflotte auf 95g CO 2/100km ist nur durch eine Hybridisierung der Pkw-Flotten zu erreichen. In Zukunft werden also diverse technische Fahrzeuglösungen unterschiedliche Mobilitätsanforderungen abdecken. So können beispielsweise elektromotorisch angetriebene kompakte Batteriefahrzeuge im städtischen Kurzstreckenverkehr und schwere Brennstoffzellen-Hybrid-Busse im ÖPNV eingesetzt werden.
Akzeptanz und Lebensstile
Für die Kommunen muss Elektromobilität mehr leisten, als mit einer Batterie statt mit einem Tank zu fahren. Städte und Gemeinden wünschen sich neue Mobilitätskonzepte, welche die neuen Lebensstile und die gesellschaftlichen Entwicklungen berücksichtigen. Nachhaltig sind daher nur sogenannte ganzheitliche Alternativen, die zahlreiche Handlungsfelder für die Kommunen mit sich bringen:
Modelle zur Kollektivnutzung wie Carsharing, Firmenwagen und so weiter, also Stärkung von Fahrzeugnutzung gegenüber Fahrzeugbesitz
Unterschiedliche Fahrzeuge für Ballungsraum, Fernverkehr und weitere Einsatzgebiete
Akzeptanz ist die Schwester der Bürgerbeteiligung. Das Dortmunder Modell hat Aussicht auf Erfolg, weil die Bürger mitgenommen werden. Es macht vom kommunalen Lenkungskreis Elektromobilität über den im Rathaus ausgerichteten Energiewendekongress mit seinen Mobilitätsforen bis hin zu Runden Tischen zum Thema deutlich, dass nicht nur der Wechsel der Technologien, sondern auch der Umbau des innerstädtischen Verständnisses von Mobilität auf der Tagesordnung steht.
Gesamtplanerische Verkehrskonzepte
Die Erstellung eines gesamtstädtischen Verkehrskonzeptes „Elektromobilität“ ist nur in Kooperation mit den Verkehrsbetrieben sinnvoll. Hierbei ist der Elektroverkehr als Teil der kommunalen Siedlungs-, Stadt- und Verkehrsplanung und der gesamtstädtischen Energiekonzeption zu sehen. All dies dient dem Ziel, konventionell betriebene Motorfahrzeuge zu ersetzen. Wie das erreicht werden kann, dafür gibt es mehrere Ansätze:
Veränderte Planung: Stärkung der Nahraum-Erreichbarkeit, also Förderung der Zentrenverdichtung, Vermeidung von Verkehr und Förderung der Fuß- und Radmobilität
Stärkung öffentlicher Verkehre - Bus und Bahn
Verändertes Verhalten bei der individuellen Mobilität: „Benutzen statt Besitzen“ von Fahrzeugen um Nutzer dazu zu veranlassen, Fahrzeuge seltener und bewusster zu bewegen.
Aber auch der innerstädtische Lieferverkehr, Sozialdienste, Taxen, Carsharing, Müllabfuhr, Straßenreinigung und andere Transportfelder müssen neu geregelt werden:
Umladestationen am Stadtrand: In der Umweltzone dürfen sich nur noch Elektrolastwagen bewegen, wie das Beispiel Bremen zeigt. Dort besteht ein Durchfahrverbot in der City für Lkw, die die Abgasnorm Euro IV nicht erfüllen.
Kommunale Unternehmen bilden einen Pool von (Leih-) Fahrzeugen für Handwerker und Verwaltung
Bei neuen innerstädtischen Mobilitätskonzepten sollte großer Wert auf eine gute Verknüpfung mit dem ÖPNV gelegt werden. Somit sind alle Verkehrsträger einzubeziehen. Dies kann durch Kooperation mit ÖPNV-Angeboten im Nah- und Fernverkehr erfolgen sowie durch bessere Abstimmung zwischen ÖPNV und Radverkehr. So muss auch die Veränderung von Transportmodi verbessert werden - Umstieg von einem Verkehrsmittel auf ein anderes:
Vernetzung/Integration
neue Angebotsformen
Standardisierung von Schnittstellen und Nutzeroberflächen in der Informations- und Kommunikationstechnik
Welche weiteren Ziele oder Handlungsfelder müssen die Städte mitbetrachten? Auch Elektrofahrzeuge benötigen Platz, und sie brauchen eine intelligente Lade-Infrastruktur, die in die Stadtentwicklung zu integrieren ist. Dabei kann die Infrastruktur im privaten und teilöffentlichen Raum - etwa bei kommunalen Unternehmen, auf Firmenparkplätzen oder vor Einkaufszentren - sowie im öffentlichen Raum aufgebaut werden.Die Projekte zeigen, dass der Aufbau der Lade-Infrastruktur mit großen Investitionen und geringem Erlös verbunden ist und dass weniger öffentliche Lade-Infrastruktur benötigt wird als noch vor zwei Jahren vermutet. So muss die Lade-Infrastruktur teilweise durch die Nutzerinnen und Nutzer finanziert werden - beispielsweise über die Parkgebühr. Eine Finanzierung durch die Kommunen wird aufgrund der knappen Kassen nicht möglich sein. Elektromobilität soll letztlich nicht nur in die Mobilitätskonzepte, sondern auch in weitere städtebauliche, umwelt- und energiepolitische Gesamtkonzepte eingebunden werden:
Über Siedlungsverdichtung an den ÖPNV-Achsen können durch Park+Ride-Parkplätze attraktive Angebote für Elektrofahrzeuge geschaffen werden.
Mit der Lärmreduzierung verbessert sich die Lebensqualität in der Stadt.
Wenn also Elektromobilität auf die planerischen Herausforderungen eine Antwort findet, wird sie erfolgreich sein. Andernfalls werden sich die Kommunen auf ihre drängenden Aufgaben zurückziehen. Denn Planungsentscheidungen in den Kommunen, auch zur Elektromobilität, fällt der Rat - und nicht eine Landes- oder Bundesregierung.
Spielräume der Kommunen
Die ordnungspolitischen Instrumente sind meist Bundes- und Landesvorgaben, welche von den Kommunen umzusetzen sind. Jedoch können Kommunen die Vorgaben entscheidend mitgestalten, etwa durch Kontrollmaßnahmen. Dies geschieht in folgenden Bereichen:
Straßenverkehrsordnung
Verkehrssicherheit
Sicherheitsstandards
Ferner kann die Kommune Nutzervorteile einräumen und Anreizsysteme schaffen. In finanzieller Hinsicht wären dies Sonderrechte der Straßen- und Wegenutzung:
gebührenfreie Parkplätze für Carsharing-Fahrzeuge und Elektroautos
Befreiung von der City-Maut
Nutzungsrecht für Busspuren
Ausnahmeverordnungen für die Zeit der Markteinführung
Diese Ansätze werden jedoch kontrovers diskutiert, denn Aspekte wie Gleichbehandlung und Behinderung des Busverkehrs müssen natürlich dabei ebenfalls berücksichtigt werden. Öffentliche Ladestationen belegen in den Städten Parkplätze, die in der Regel Teil einer Parkraumbewirtschaftung sind, sodass es zu Flächenkonkurrenzen kommen kann, insbesondere dann, wenn es zu einer ordnungsrechtlichen Privilegierung von E-Fahrzeugen kommen sollte. Die Generierung von Einnahmen aus Parkflächen steht dann möglicherweise dem Interesse entgegen, monetäre Anreize für die Elektromobilität zu schaffen. Weiterhin sind stadt- und raumplanerische Gesichtspunkte zu beachten, die oft einen weiten zeitlichen Horizont haben. An nicht-finanziellen Ansätzen bietet sich als Steuerungsinstrument die Emissionsgesetzgebung an - hier besonders die Festlegung von Schadstoffgrenzwerten oder von Flottendurchschnittswerten für den CO 2-Ausstoß. Auch eine �?nderung der Beschaffungsrichtlinie könnte den Ausbau der Elektromobilität beschleunigen. Denn die kommunalen Fahrzeugflotten sind dabei von erheblicher Bedeutung - unter anderem aufgrund ihrer Vorreiterrolle, aber auch aufgrund der geringen Reichweite und des großen Einsatzspektrums - Abfallwirtschaft Friedhofsamt, Öffentlichkeitsarbeit - sowie der hohen Einsatzintensität.
Branchenübergreifendes Netzwerk gefragt
Ein Netzwerk Technische Infrastruktur und Mobilität (TIM) wäre das probate Mittel, um Unternehmen aus allen Bereichen zusammenzubringen - und zwar Unternehmen der Ver- und Entsorgung, der Energiewirtschaft, der Automobilindustrie, der Verkehrsinfrastruktur wie ÖPNV, Hafen, Flughafen, der Kommunikation, der Informationstechnologien und natürlich auch Kommunen sowie Ministerien in Nordrhein-Westfalen. In einem solchen Netzwerk Technische Infrastruktur und Mobilität könnten seitens wichtiger Stakeholder Neuigkeiten ausgetauscht, Kontakte auf- und ausgebaut sowie Neuheiten präsentiert werden.