Abfall zu verwenden, um Wasser zu reinigen - das klingt vielleicht widersinnig. Doch an der TU Wien ist nun genau das gelungen: Eine spezielle Nanostruktur wurde entwickelt, die eine weitverbreitete Klasse gesundheitsschädlicher Farbstoffe aus dem Wasser filtern kann.
Eine entscheidende Komponente dabei ist ein Material, das eigentlich selbst als Abfall gilt: Gebrauchte Zellulose, etwa in Form von Reinigungstüchern oder Pappbechern. Mit der Zellulose wird ein feines Nano-Gewebe beschichtet, um verschmutztes Wasser möglichst effektiv zu filtern.
Farbiges Gift im Wasser
Organische Farbstoffe stellen die größte Gruppe synthetischer Farbstoffe dar, darunter auch die sogenannten Azo-Verbindungen. Besonders in der Textilindustrie werden sie häufig eingesetzt, auch in Ländern, in denen wenig Augenmerk auf Umweltschutz gerichtet wird und die Farbstoffe oft ungefiltert ins Abwasser gelangen.
„Das ist gefährlich, denn solche Farbstoffe werden nur sehr langsam abgebaut, sie können lange Zeit im Wasser bleiben und bergen große Gefahren für Mensch und Natur“, sagt Professor Günther Rupprechter vom Institut für Materialchemie der TU Wien.
Es gibt verschiedene Materialien, die solche Farbstoffe binden können. Doch das alleine genügt noch nicht. „Wenn man das verschmutzte Wasser einfach nur über eine Filterfolie fließen lässt, die Farbstoffe binden kann, ist der Reinigungseffekt gering“, erklärt Günther Rupprechter.
„Viel besser ist es, ein Nanogewebe aus vielen winzigen Fasern herzustellen, durch die das Wasser hindurchsickert.“ Das Wasser kommt dann mit einer viel größeren Oberfläche in Kontakt, und somit können auch viel mehr organische Farbstoff-Moleküle gebunden werden.
Zelluloseabfall als Nano-Filter
„Wir arbeiten mit semi-kristalliner Nano-Zellulose, die man aus Abfallmaterial herstellen kann“, sagt Qaisar Maqbool, Erstautor der Studie und Postdoc in Rupprechters Forschungsgruppe. „Oft setzt man für ähnliche Zwecke metallhaltige Substanzen ein. Unser Material ist für die Umwelt hingegen völlig harmlos, und wir können es noch dazu durch Upcycling von Altpapier herstellen.“
Diese Nano-Zellulose wird gemeinsam mit dem Kunststoff Polyacrylnitril zu Nanostrukturen „versponnen“. Dafür ist allerdings einiges an technischem Geschick nötig. Erfolgreich war das Team der TU Wien mit dem sogenannten Elektrospinning-Verfahren. Dabei wird das Material in flüssiger Form versprüht, die Tröpfchen werden elektrisch aufgeladen und durch ein elektrisches Feld geschickt.
„Dadurch kann man erreichen, dass die Flüssigkeit beim Aushärten extrem feine Fädchen bildet, mit einem Durchmesser von 180 bis 200 nm“, sagt Günther Rupprechter. Diese Fädchen bilden ein feines Gewebe mit sehr hoher Oberfläche - ein sogenanntes „Nanoweb“. Auf einem cm2 kann man ein Geflecht von Fädchen unterbringen, die insgesamt eine Oberfläche von mehr als 10 cm2 aufweisen.
Erfolgreiche Tests der Nano-Strukturen
Die Tests mit diesen zellulosebeschichteten Nano-Strukturen verliefen sehr erfolgreich: In drei Zyklen wurde mit violettem Farbstoff belastetes Wasser gereinigt, dabei konnten 95 Prozent des Farbstoffs entfernt werden.
„Die Farbstoffe bleiben im Nanogewebe gespeichert. Man kann dann entweder das ganze Gewebe entsorgen oder es aber auch regenerieren, die gespeicherten Farbstoffe herauslösen und das Filtergewebe wiederverwenden“, erklärt Günther Rupprechter.
Weiterführende Untersuchungen sind notwendig, um die mechanischen Eigenschaften der hochentwickelten Nanonetze und deren Biokompatibilität zu bewerten, die Spezifität gegenüber komplexeren Schadstoffen zu beurteilen und Skalierbarkeit auf Industriestandards zu erreichen.
Weitere Einsatzbereiche möglich?
Auch will Rupprechter mit seinem Forschungsteam untersuchen, wie sich diese Farbstoff-Filtertechnologie auf andere Einsatzbereiche übertragen lässt. „Auch für den medizinischen Bereich könnte diese Technik sehr interessant sein“, glaubt Rupprechter.
„Bei der Dialyse etwa geht es ebenfalls darum, ganz bestimmte chemische Stoffe aus einer Flüssigkeit herauszufiltern.“ Beschichtete Nano-Gewebe könnten auch bei solchen Anwendungen ihre Stärken ausspielen.