Das war schon vor zwanzig Jahren abzusehen: Mit der zunehmenden Ausbreitung von Elektronik im Auto, zum einen als Ersatz für mechanische Systeme, aber ebenso für erhöhte Sicherheit (Fahrerassistenzsysteme), für Komfort-, Unterhaltungs- und Luxusfunktionen, steigt der elektrische Leistungsbedarf im Auto auf einen Pegel, der mit dem guten alten Bleiakku und einem 14-V-Versorgungsnetz (das ist die übliche Generator-Regelspannung) allein nicht mehr abgedeckt werden kann. Frühe Lösungsansätze wurden allerdings nach sehr umfangreichen Vorarbeiten aus Kostengründen eingestellt. Jetzt will die Branche jedoch mit einer zusätzlichen 48-V-Spannungsebene einen Weg einschlagen, der das Zeug hat, die Versorgung für geraume Zeit sicherzustellen sowie ein flexibles Energie- und Leistungsmanagement zu sichern.
Im ersten Versuch gescheitert
Höhere Batterie- und Busspannungen in Pkw, Lkw und Bussen - das war ein Riesen-Hype Ende der 90-er Jahre, zu dem es fast keine Gegenargumente gab: Die Leistungsfähigkeit des Bordnetzes schien ausgereizt, es standen einschneidende �?nderungen des Gesamtsystems der Bordelektronik bevor. Außerdem wurde das Gewicht der Verdrahtung allmählich zu hoch. Die Lösung schien nahe: Die Experten schwörten damals auf die 36-V-Batterie und eine Verdreifachung der Bordnetzspannung auf 42 V, die im Laufe der Jahre scheinbar alle seinerzeit bereits präsenten ebenso wie die sich abzeichnenden Probleme zu lösen imstande sein sollten. Die magische Formel „42 V“ stand für eine zukunftsweisende Umstellung, die zudem vorschriftsgemäß unter der bezüglich der Stromschläge kritischen Berührungsschutzgrenze von 60V blieb (ECE-Regelung R 100).Die Bewegung ging von europäischen OEMs aus, wurde aber auch vom MIT in den USA sowie anderen Kraftfahrzeugnationen unterstützt - so lange, bis die raue kommerzielle Wirklichkeit unbarmherzig zurückschlug: Es gab so gut wie keine für diesen Einsatzzweck und diese Spannung entwickelten Bauelemente, seien es nun Halbleiter, Passive, Systeme oder zum Beispiel auch Lampen. Alles hätte mit immensem Aufwand von Grund auf neu entwickelt werden müssen. Das zu bezahlen waren die Käufer nicht bereit. Und das zu erwartende jahrelange Nebeneinander von 12-V- und 42-V-Versionen, etwa in der Lagerhaltung, hätte Werkstätten, Tankstellen und Anbieter finanziell und logistisch überfordert, bis möglicherweise zum Kollaps. Der Traum musste begraben werden.
Netz-Überforderung
Die Problematik aber blieb bestehen und verstärkte sich. Die Assistenz- und Komfortsysteme breiten sich immer schneller bis in die Kleinwagen aus - zum Beispiel energiehungrige Start-Stopp-Systeme oder X-by-Wire etwa in der elektronischen Lenkung oder beim elektronischen Bremsen. Hinzu kommen bindende Umweltvorschriften zur Senkung des Kraftstoffausstoßes, die nur mit einer höheren Elektrifizierung einzuhalten sind. Und schließlich verschärft die Markteinführung der ersten Hybrid-Elektrofahrzeuge den Leistungsanspruch, ganz zu schweigen von den künftigen Full-EVs. Wenn elektrische Verbraucher Dauerleistungen von 0,8 bis 1,5 kW, in der Oberklasse sogar bis 14 kW abfordern, ist das 12-/14-V-Bordnetz mit seinen maximal 3 kW rasch deutlich überfordert. Das nun neuerdings für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ins Auge gefasste 48-V-Bordnetz mit bis zu 12 kW Anschlussleistung wird da deutlich besser mit der gestiegenen Nachfrage fertig. Was jedoch ist heute anders als Ende der neunziger Jahre, weshalb soll das Experiment „Hochvolt-Versorgungsbus“ plötzlich nun doch funktionieren?
48 V als Ergänzung
Zur positiven Lageveränderung haben mehrere Faktoren beigetragen: Neben einer erhöhten Leistung der Verbrennungsmotoren der flexible integrierte Starter/Generator, dramatische Weiterentwicklungen im Angebot der (Leistungs-)Halbleiter, die an einer 48-V-Schiene betrieben werden können, sowie ein grundsätzlicher neuer Lösungsansatz - nämlich anstatt den 12-V-Akku durch eine 32-V-Ausführung zu ersetzen, diesen um ein zusätzliches 48-V-Netz zu ergänzen. Beispielsweise soll in die nächste 7-er-Generation von BMW parallel zum 12-V-Netz auch eine 48-V-Spannungsebene eingebaut werden. Der 48-V-Versorgungsbus soll lediglich Anwendungen unterstützen, bei denen ein Arbeiten auf höheren Leistungspegeln deutliche Vorteile bringt oder deren Effizienz wesentlich zur Verbesserung des Treibstoffverbrauchs sowie zur Abgasreduzierung beiträgt. Alle anderen Systeme können am 14-V-Bus bleiben, so dass weiterhin die vorhandenen, kostengünstigen Produkte Verwendung finden können. So lassen sich, verglichen mit einer Neuentwicklung sämtlicher Bauelemente für einen Bus mit höherer Spannung, hohe Kosten einsparen. Nach den gemachten Erfahrungen und infolge der langen Vorlaufzeit konnten sich sowohl die OEMs und Tier-1-Zulieferer als auch die Hersteller von Elektronikkomponenten sowie von Leistungs-Si-Bausteinen jetzt sinnvoll auf die erwarteten Herausforderungen vorbereiten. Diese müssen für mindestens 75 bis 150 V Arbeitsspannung spezifiziert sein, was einen Zwischenschritt zwischen der bisherigen niedrigen 12-V-Spannung und den für den industriellen Markt entwickelten Hochvoltausführungen (>200 V) bedeutet. Denn es wartet eine ganze Reihe von Automotive-Anwendungen auf sie: 48-zu-12-V-DC/DC-Wandler, 48-V-Umrichter, HVAC-Kompressoren, EPS, Heizelemente und Klimaanlagen oder die Brennstoff-Direkteinspritzung, um nur ein paar Beispiele herauszugreifen.
HVIC-Techologie optimieren
Die Verwendung der vorhandenen HVIC-Technologie mit einem galvanisch getrennten Zwei-Chip-Treiber (der eine Isolierung von 1.000 V voraussetzt) für das 48-V-Bordnetz hätte einen teuren Overkill bedeutet. Wesentlich besser geeignet ist eine Sperrschichtisolierung, wie sie beispielsweise International Rectifier seit längerem für seine HVIC-Treiber einsetzt; sie führt zu einer spürbar kleineren, kostengünstigeren, zuverlässigeren und eleganteren Lösung auf dem Chip und steht derzeit mit drei Betriebsspannungspegeln (200, 600 und 1.200V) zur Verfügung, bei denen sich also der erstere als Schlüsseltechnologie für Kfz anbietet. Bei Verbrennungsmotoren ist das 48-V-Konzept als Versorgungsbus gedacht, dessen Spannung über einen Abwärts-/Aufwärts-DC/DC-Wandler vom 12-V-Akku erzeugt wird. Zumindest in der Anfangsphase werden hier keine 48-V-Batterien geplant, doch könnte in einem späteren zweiten Schritt eine 48-V-Lithium-Ionen-Batterie in Koexistenz mit dem Standard-12-V-Akku sehr vorteilhaft Energie speichern und Teile der Stromversorgung übernehmen. Hingegen enthalten normale Hybridfahrzeuge bereits Hochspannungsnetze mit bis 400 V für die Energierückgewinnung in Brems- und Schubphasen, die jedoch mit erheblichen Mehrkosten für Motor, Speicher und Sicherheit verbunden sind.
Energie-Speicher
Deshalb entstand praktisch parallel zu den Plänen zur Einführung eines 48-V-Versorgungsnetzes die Idee eines Mikro-Hybridfahrzeugs (µHEV), bei dem eine 48-V-Lithium-Ionen-Batterie die beim regenerativen Bremsen erzeugte Energie speichert. Die kinetische Fahrzeugenergie wird also zur Batterieaufladung verwendet. Nach Abwärtswandlung in das 12-V-Netz kann sie darüber hinaus zur Steigerung von Fahrzeugeffizienz und Kraftstoffreichweite beitragen. Noch näher kommt der jüngste intelligente Mikro-Hybrid (µ-iHEV) dieser Zielsetzung: Bei diesem übernimmt ein 48-V-Elektromotor den Fahrzeugantrieb bei kurzen Bewegungen oder bei Wartungsarbeiten bei Reisegeschwindigkeit und reduziert auf diese Weise vor allem im innerstädtischen Stopp-and-Go-Verkehr sowie auf Autobahnen den Treibstoffverbrauch drastisch. Besonders hierfür hat man das oben genannte Angebotsspektrum an Automotive-tauglichen Komponenten mit entwickelt.
Die Zukunft gehört Wide-Bandgap-Halbleitern
Doch trotz unablässiger Verbesserung von Leitungs- und Schaltverlusten in Halbleiterbausteinen muss man unvermindert in die Entwicklung investieren: so in Silizium-basierte MOSFETs mit Nennspannungen bis 150 V, und vor allem in Komponenten mit neuen Basismaterialien (Wide-Bandgap-III-V-Halbleiter), die sich hierfür besonders eignen. So versprechen sich die Hersteller zum Beispiel von GaN-Schaltern für die schnelle Energiewandlung bei geringsten Leistungsverlusten erneut beeindruckende Verbesserungen gegenüber den bisherigen Siliziumausführungen.