Vernetzung im Fahrzeug ist nichts grundsätzlich Neues, sie besteht ihre tagtäglichen Bewährungsproben mit Bravour. Seit Jahren verrichten die Datenbusse/Protokolle CAN, LIN und FlexRay ihre Dienste durchaus zufriedenstellend. Doch im Zuge der unaufhaltsamen Ausbreitung von modernen, vor allem von Kamera-basierten Fahrerassistenzsystemen, einer zunehmenden Sensordichte sowie des zu erwartenden Bandbreitenbedarfs zukünftiger Systeme sind im In-Vehicle-Network längerfristig einschneidende Veränderungen unumgänglich.
Einheitliches Kommunikationsprotokol gesucht
Dabei sprechen die verfügbare skalierbare Bandbreite und eine hohe Flexibilität sowie wirtschaftliche Erwägungen für den verstärkten Einsatz von Ethernet, das 100 MBit/s und potenziell auch mehr unterstützen kann. Als vorrangige Triebfeder für die Kfz-OEMs wirkt der Wunsch nach einem einheitlichen Kommunikationsprotokoll mit hohem Wiederverwendungs-Potenzial in allen Fahrzeugbereichen. Das dabei verwendete Internet-Protokoll erlaubt außerdem die einfache Anbindung der Fahrzeugelektronik an Geräte der Unterhaltungselektronik und an das Internet.
BMW begann bereits 2008 mit ersten Ethernet-Implementierungen im Auto, doch erwiesen sich Kabel und Verdrahtungen damals noch als für eine Anwendung in höheren Stückzahlen zu teuer. Das Unternehmen möchte Ethernet jedoch als das künftige primäre Bord-Netzwerk für Autos installieren und bereits 2018 als schnelles Kommunikations-Backbone im Fahrzeug nutzen. Realistische Szenarien legen nahe, dass sich In-Car-Ethernet in Kamera-/Video-Applikationen und anderen Fahrerassistenz-, Infotainment- und Diagnosesystemen durchsetzen wird, was nach Ansicht der Marktforscher von StrategyAnalytics bis bereits 2020 zu Stückzahlen von über 140 Millionen Steckern pro Jahr führen wird.
Nach wie vor jedoch ist CAN (Controller Area Network) in derzeitigen Netzwerkarchitekturen im Auto in allen Domänen, vom Antriebsstrang bis zur Karosserie, am stärksten verbreitet. Das wird sich auch so schnell nicht ändern. Darüber hinaus ist der LIN-Bus (Local Interconnect Network) für den einfachen und kostengünstigen Datenaustausch von unkritischen Signalen im Komfortbereich zuständig. Stoßen aber Bandbreiten und Echtzeitanforderungen an ihre Grenzen, wird bislang - sofern wirtschaftlich vertretbar - CAN durch FlexRay oder den MOST-Bus (Media Oriented Systems Transport, für Multimediaanwendungen) ersetzt. In aktuellen Fahrzeugen kommen oft alle genannten Bussysteme, segmentiert und über Gateways vernetzt, zum Einsatz.
Veraltete Netzwerke
Auf längere Sicht indes sind die bisherigen Netzwerke im Auto entsprechend ihrer seinerzeitigen Auslegung (CAN kam bereits 1987 auf den Markt) nicht mehr in der Lage, den steigenden Ansprüchen an Sicherheit und Unterhaltung zu genügen. Immer mehr Funktionen im Fahrzeug sind elektronisch gesteuert und kommunizieren miteinander. Außerdem erwarten Endverbraucher in ihrem fahrbaren Untersatz dasselbe anspruchsvolle Angebot an Unterhaltungsfunktionen, wie sie es zuhause gewohnt sind. Wie bereits angedeutet, sollte die zukunftssichere Netzwerktechnologie im Auto so weit wie irgend möglich auf Lösungen zurückgreifen, die sich im Consumerbereich sowie anderen Non-Automotive-Einsatzgebieten bewährt haben, ohne dabei die speziellen Bedingungen im Kraftfahrzeug aus den Augen zu verlieren.
Heterogenes System
Die im Laufe der Kfz-Entwicklung entstandenen, heute noch üblichen und funktionierenden Netzwerkarchitekturen sind sukzessive entstanden und bilden folglich zwangsläufig ein heterogenes System. Dagegen wären aus heutiger Sicht ein Daten-Highway sowie eine hierarchische Strukturierung der Steuereinheiten (ECUs) wesentlich besser. Ethernet nun bietet alle Voraussetzungen für einen derartigen ganzheitlichen Ansatz. Es lässt sich als Backbone-Bus zur Verbindung der verschiedenen Anwendungs-Domänen ebenso verwenden wie für Unternetzwerke, die lediglich eine höhere Bandbreite brauchen.
Ein Bussystem auf Grundlage des IP bietet mit 100 MBit und mehr eine deutlich höhere Geschwindigkeit, die auch für Video- und Audiodaten erforderlich ist. Das Ethernet hat zudem den Vorteil, dass es auf einem seit Langem bewährten und kostengünstigen Standard aufsetzen kann. Ein fehlertolerantes Ethernet (Time-triggered Ethernet) ist möglicherweise in der Lage, auch Flexray zu ersetzen. Noch naheliegender ist der Ersatz oder die Ergänzung von MOST, das für Infotainmentzwecke entwickelt wurde, als noch nicht absehbar war, dass das Auto einmal zum Teil der vernetzten Multimedia-Welt würde. Mit bis zu 150 MBit ist dieses zwar schneller als Fast-Ethernet, aber es bleibt ein automobilspezifischer Standard, der teure Lichtleiter- oder Koaxialkabel benötigt. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass auch das Gigabit-Ethernet für Automobile eingesetzt werden kann, welches nochmals schneller ist. Es wurden bereits Kostenvergleiche angestellt; diese haben ergeben, dass durch ein Ethernet-basiertes Netzwerk gegenüber MOST Kostenvorteile von 15 bis 20 Prozent erzielt werden können. Dabei wurden sowohl die elektrischen Komponenten als auch die Verkabelung berücksichtigt.
In Anwendungen erprobt
In der Bürokommunikation, der Automatisierung mit dem ODVA-Standard Ethernet/IP und ProfiNet sowie in der Luftfahrttechnik mit AF-DX ist Ethernet bereits etabliert, und als Diagnosestandard erlebte Ethernet seinen erfolgreichen ersten Einsatz im Automobil. Der Einsatz dieses offenen LAN-Standards im Auto bedeutet einen Paradigmenwandel in der Entwicklung von fahrzeuginternen Netzwerken: Künftig müssen sich die E/E-Entwicklungsingenieure stärker mit der Verknüpfung verschiedener Domänen-Netzwerke, der Übertragung unterschiedlicher Datentypen (Steuerdaten, Streaming etc.) sowie der Erfüllung der strengen Anforderungen an die Widerstandsfähigkeit gegen einen höheren Temperaturbereich sowie die EMV-Leistung auseinandersetzen.
Durch die kombinierte Möglichkeit, sowohl zuverlässig hohe Datenbandbreiten mit garantierter Servicequalität zu übertragen, und vor allem infolge einer beeindruckenden Echtzeitleistung unter extremen Betriebsbedingungen - wie bei industriellen Steuerungsanwendungen bewiesen - bietet Ethernet die Basis für die vielschichtigen Anforderungen der Automobilbranche. Als IEEE-Standard sowie angesichts seiner Verbreitung ist ein hohes Maß an (Wieder-)Verwendbarkeit von bereits vorhandenen Bauelementen, Software und Tools gewährleistet.
Der Umgang mit den für neue Fahrerassistenz- und Infotainment-Systeme erforderlichen Bandbreiten ist also gegeben, allerdings müssen entsprechende Lösungen für die Automobilindustrie bezüglich Skalierbarkeit, Kosten, Energieverbrauch und Robustheit noch weiter optimiert werden. Zwar wurden die ersten Optimierungsschritte bereits durchgeführt, doch für den fahrzeuginternen Ethernet-Einsatz sind zudem innovative Topologie- und Komponentenlösungen notwendig.
Effizienter vernetzen
Geschaltete Ethernet-Netzwerke beruhen auf einer Punkt-zu-Punkt-Kommunikation, bei der die verfügbare Bandbreite im Vergleich zu Funksystemen wie CAN oder FlexRay effizienter verwendet wird. Das Schaltkonzept lässt sich zur Überbrückung der Domänengrenzen vorteilhaft einsetzen, ohne dass die in einem komplexen Gateway benötigten übertragenen Meldungen oder Pakete mit hohem Zeitaufwand gepackt und umsortiert werden müssen. Bei Ethernet übertragen die Teilnehmer eines LANs Nachrichten durch Hochfrequenz, indessen nur innerhalb eines gemeinsamen Leitungsnetzes. Jede Netzwerkschnittstelle hat mit der MAC-Adresse einen global eindeutigen 48-Bit-Schlüssel, so dass alle Systeme in einem Ethernet unterschiedliche Adressen haben. Ethernet überträgt die Daten auf dem Übertragungsmedium dabei im so genannten Basisbandverfahren, also in digitalem Zeitmultiplex.
Die Experten sind überzeugt: Die hohe Geschwindigkeit, Flexibilität und kostengünstige Verkabelung von Ethernet-basierten Fahrzeugnetzen werden für eine kontinuierlich steigende Verbreitung von Ethernet in zukünftigen Fahrzeugplattformen sorgen. Ethernet benötigt in seiner von der OPEN(One Pair Ether-Net)Alliance SIG unterstützten Form lediglich ein zweiadriges, verdrilltes und sogar ungeschirmtes Kupferkabel. Diese Single-UTP-Kabel Unshielded Twisted Pair) sind sowohl kostengünstiger als auch leichter als geschirmte Kabel, und sie werden bereits bei CAN und LIN verwendet. Somit können bestehende Bordnetzwerke genutzt werden. Bis 2015 sollen, meinte Continental auf dem "Ethernet &IP @ Automotive Technology Day", die ersten Ethernet-Anwendungen auf die Straße kommen. Und bis 2020 kann sich Conti erste Vorentwicklungsprojekte mit Ethernet in allen Fahrzeugdomänen vorstellen.