Beratung von Start-ups Vorteil Chemiepark

Neben Finanzierungsproblemen und falsch besetzten Teams führen in der Chemie- und Prozessindustrie oft die Herausforderungen durch die großtechnische Umsetzung des Verfahrens zum Scheitern

Bild: iStock, Light & Magic Photography
26.07.2016

Was im Labor funktioniert, macht im größeren Maßstab oft Schwierigkeiten. Dieses Problem zeigt sich besonders bei Start-ups, wenn sie ihr entwickeltes Verfahren in den großtechnischen Maßstab übertragen möchten. Entscheidend für den Erfolg ist dabei aber nicht nur ein gutes Engineering, sondern auch die Auswahl des richtigen Standorts.

Für viele Start-ups ist bereits nach wenigen Jahren der Traum vom Erfolg zu Ende. Neben Finanzierungsproblemen und falsch besetzten Teams führen in der Chemie- und Prozessindustrie oft die Herausforderungen durch die großtechnische Umsetzung des Verfahrens zum Scheitern. „Im Labormaßstab spielen viele Aspekte keine Rolle, die den wirtschaftlichen Erfolg eines Anlagenbetreibers beeinflussen“, sagt Gordana Hofmann-Jovic, Ingenieurin bei Infraserv Knapsack. Der Dienstleister und Chemieparkbetreiber berät Start-ups, die den Proof of Concept im Labormaßstab bereits erbracht haben und an der Markteinführung ihrer Idee arbeiten.

Bei der genauen Auslegung des Verfahrens und der Planung der einzelnen Anlagenkomponenten ist die Liste möglicher Fallstricke lang. Beachtet werden müssen Infrastruktur, Logistik und Entsorgung, Sicherheit, mögliche Prozessalternativen, Einhaltung von Produktspezifikationen, Restriktionen beim Upscaling, die Versorgung mit den verschiedenen Energien und gesetzliche Auflagen.

Bei der Umsetzung des Verfahrens ist es daher meist sinnvoll, sich von einem externen, spezialisierten Experten beraten zu lassen. „Um ein möglichst budgetschonendes Arbeiten zu erreichen, sollten im Vorfeld gezielt die Arbeitspakete definiert werden, die für die großtechnische Umsetzung wesentlich sind“, sagt Hofmann-Jovic. Eine selektive Vergabe von Beratungsleistungen nach außen ist in der Regel außerdem deutlich effizienter als die Bearbeitung durch das Start-up selbst. Gerade in der Anfangsphase fehlen dazu meist nicht nur die personellen Ressourcen, sondern auch die notwendigen Tools und Methodiken.

Standortplanung ist essenziell

Aufgrund der vielen Anforderungen an den Betrieb einer Anlage sollten sich Start-ups bereits in der Konzeptionsphase mit der Standortauswahl befassen. Viele Firmengründer widmen sich dieser Frage jedoch erst spät oder begehen den Fehler, nur solche Aspekte in ihre Analyse einfließen zu lassen, die relativ einfach zu quantifizieren sind. „Weil viele Unternehmen darüber hinaus schematisch vorgehen, planen sie oft zu ungenau“, sagt Pierre Kramer, Leiter der Standortentwicklung bei In­fraserv Knapsack. „Gleichzeitig können Sie aufgrund fehlender Erfahrung die Vor- oder Nachteile eines Standortes oft nicht ausreichend gewichten.“ Ob es sich beispielsweise rechnet, die für den Betrieb nötigen Strukturen auf der grünen Wiese zu schaffen oder die Produktion in einem Chemiepark zu starten, hängt ganz vom Verfahren ab.

Zu klären ist dabei unter anderem ob Dampf, Erdgas, Druckluft, Stickstoff, Sauerstoff oder Kühlwasser benötigt werden und mit welchen Emissionen zu rechnen ist. Beachtet werden sollte außerdem, ob die Anlage über die Straße oder Schiene angebunden wird, Entladestellen benötigt werden und Platz für Erweiterungen erforderlich ist. Auch Sicherheitsaspekte hinsichtlich benachbarter Produktionen sind zu beachten.

Chemieparks erleichtern die Genehmigung

Chemieparks bieten oft interessante Konzepte für Start-ups. Sie profitieren von einer auf solche Anforderungen ausgerichteten Infrastruktur und einem Chemieparkmanagement, das seine Kunden bei Sicherheit, Logistik, Energieversorgung und dem Genehmigungsmanagements berät. Gerade Firmen, die ein Verfahren zur Produktionsreife bringen möchten, das unter das Bundesimmisionsschutzgesetz oder die Störfallverordnung fällt, können von der Erfahrung der Chemieparkbetreiber profitieren. „Weil die Anforderungen komplex sind, nutzen bei uns selbst etablierte Betreiber von Großanlagen die Unterstützung aus dem Genehmigungsmanagement“, berichtet Kramer.

Die verschiedenen Chemieparks in Deutschland sind unterschiedlich ausgerichtet. Neben den klassischen Fragen nach Infrastruktur, Energieversorgung und Entsorgung sollten Firmen deshalb klären, ob bestimmte Stoffe aus benachbarten Produktionsanlagen oder Stoffverbünden den Betrieb der eigenen Anlage erleichtern können. Benötigt ein Start-up beispielsweise Natronlauge, die wiederum bei einem Betrieb im gleichen Chemiepark als Nebenprodukt anfällt, vereinfacht das die Logistik und notwendigen Genehmigungsverfahren immens und senkt zusätzlich noch die Herstellungskosten. Bei der Standortwahl sollten Start-ups deshalb rechtzeitig herausarbeiten, welche Medien und Energiearten am Standort verfügbar sein müssen, um das Verfahren effizient zu betreiben.

Solche Anforderungen beeinflussen außerdem die Auslegung der Anlage. Sich ohne sorgfältige Prüfung auf eine Produktionsstätte festzulegen, kann daher teuer werden: Bei einer vorgegebenen Produktionshalle müssen beispielsweise die räumlichen Gegebenheiten, wie die Statik des Gebäudes, die Anbindung an Energien und die Raumhöhe, berücksichtigt werden. Aber auch an eine vielleicht nötige Sanierung sollten die Verantwortlichen denken. „Das bedeutet, dass das Aufstellungskonzept einer Anlage explizit für die Halle ausgerichtet sein muss. Es kann daher vorkommen, dass die vorhandene Halle bei genauerer Betrachtung für die Produktion deutlich ungeeigneter ist, als zunächst angenommen“, berichtet Hofmann-Jovic.

Die Vielzahl an zu berücksichtigen Themen zeigt, dass sich die Standortwahl nur schwer vom Engineering trennen lässt. Eine klare und saubere Planung schafft die Grundlage für die weitere Finanzierung und die erfolgreich Produktion. Bereits in der Konzeptionsphase professionellen Rat in Anspruch zu nehmen, kann oft Hindernisse aufdecken, bevor sie die gesamte Umsetzung scheitern lassen. „Es braucht Zeit, Geld und Erfahrung, um wirtschaftliche Prozesse für neue Technologien zu entwickeln. Deshalb ist es wichtig, bereits am Anfang der Entwicklung, Experten zu finden, die diese Aufgabe lösen können“, sagt Unternehmensberater Tobias Kirchhoff. Er betreut bei dem deutschen Beratungsunternehmen BCNP Consultants, Firmen aus den Bereichen Biotechnologie, Chemie, Nanotechnologie und Pharma. „Nach unserer Erfahrung sind Start-ups in der Prozessindustrie erfolgreicher, die eigene Ingenieure an Bord haben oder sich für bestimmte Umsetzungsfragen externe Unterstützung ins Boot holen“, sagt Kirchhoff.

Engineering als Finanzierungsmotor

Extern erstellte Berechnungen können außerdem bei der Investorensuche oder bei Gesprächen mit anderen Geldgebern für mehr Glaubwürdigkeit sorgen. „Mit fundierten Engineering-Plänen reduzieren Gründer nicht nur ihr eigenes Risiko, sie können möglichen Geldgebern darüber hinaus ein überschaubares Investmentrisiko belegen“, erklärt Ingenieurin Hofmann-Jovic. Wie wichtig das ist, zeigt der „Deutsche Startup Monitor 2015“. Diesem zufolge sehen 55,3 Prozent der Start-ups bei den Finanzen eine der größten Herausforderungen.

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  • Chemieparks bieten Start-ups aus der Prozessindustrie eine Vielzahl an Vorteilen. Oft ergeben sich zum Beispiel Synergien zwischen dort angesiedelten Unternehmen. Hier zu sehen ist der Chemiepark Knapsack im nordrhein-westfälischen Hürth.

    Chemieparks bieten Start-ups aus der Prozessindustrie eine Vielzahl an Vorteilen. Oft ergeben sich zum Beispiel Synergien zwischen dort angesiedelten Unternehmen. Hier zu sehen ist der Chemiepark Knapsack im nordrhein-westfälischen Hürth.

    Bild: Infraserv Knapsack

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