Bei den aktuellen Fortschritten im Bereich der künstlichen Intelligenz, sei es bei Chatbots oder autonomen Systemen, spielt ein Faktor oft nur eine Nebenrolle: der Mensch. So wächst auch die Sorge, dass leistungsfähige KI-Systeme den Menschen ersetzen könnten.
Dabei sind es nicht nur Laien und Uninformierte, die Angst haben: Auch einige der prominentesten Stimmen der KI-Forschung fordern eine sofortige Unterbrechung beim Training von KI-Systemen und warnen vor den Risiken des ungebremsten KI-Fortschritts für die Menschheit.
Wie wird KI zu einer positiven Kraft?
Doch KI kann eine positive Kraft für die Menschheit sein. Die Voraussetzung ist, dass sie verantwortungsvoll eingesetzt wird, um die menschlichen Fähigkeiten zu ergänzen und nicht zu ersetzen.
KI-Systeme müssen dem Menschen unmittelbar nützen, uns vor Schaden bewahren und ein „Verbündeter“ sein, um den Alltag effizienter zu gestalten, Aufgaben zu automatisieren und letztlich zum Wohl der Menschheit beizutragen. Der Erfolg von KI sollte also daran gemessen werden, ob sie Menschen hilft, und nicht daran, wie weit fortgeschritten die Technik ist.
Technologischer Fortschritt über alles?
Bislang dominiert in der KI-Entwicklung der Ansatz, den technologischen Fortschritt über alles andere zu stellen. Die neueste Generation von Chatbots ist ein gutes Beispiel dafür. KI-Forscher haben technologische Grenzen verschoben, bevor man sich im Klaren war, was Menschen eigentlich brauchen.
So sind die Chatbots trotz ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten inzwischen auch berüchtigt dafür, dass sie Antworten geben, die plausibel klingen und dennoch falsch sind – ein Phänomen, das auch als „künstliche Halluzination“ bekannt ist. Ein KI-Chatbot, der Desinformation produziert, wird jedoch kein Vertrauen gewinnen. Themen wie Vertrauen, Sicherheit, Fairness und Datenschutz müssten aber an erster Stelle stehen und in der Entwicklung Priorität haben.
Ein weiteres aktuelles Beispiel dafür, wie menschliche Bedürfnisse übersehen werden, ist die Online-Werbung: Seit den Anfängen des Internets werden wir mit Werbung überschwemmt. Doch in den letzten zehn Jahren haben mächtige Algorithmen nicht nur einen unersättlichen Appetit auf unsere Daten entwickelt, inzwischen sind sie auch superintelligent und werden immer aufdringlicher.
So haben die Regulierungsbehörden vor kurzem erst Werbetreibende dazu gezwungen, Nutzern die Wahl zu lassen, ob sie dem Tracking zustimmen oder nicht. Jetzt werden Nutzer dafür auf jeder Website mit Zustimmungs-Pop-ups bombardiert, ohne dass ausreichend transparent ist, was diese Wahlmöglichkeiten eigentlich bedeuten.
Die Alternative: Humanity by Design
Forscher wie etwa bei Nokia Bell Labs schlagen ein alternatives Konzept vor: einen auf den Menschen ausgerichteten Ansatz, der schon in das KI-Design integriert wird. Die gesamte KI-Forschungsagenda sollte sich wieder auf eine am Menschen orientierte KI konzentrieren, bei der die Kontrolle über die Technologie und der Nutzen für den Menschen im Vordergrund stehen.
Man stelle sich dagegen ein KI-System vor, das so süchtig macht, dass der Mensch den Bezug zur Realität verliert (der Oscar-prämierte Film „Her“, in dem sich der Protagonist in seinen KI-Assistenten verliebt, ist ein solches Beispiel). Es geht darum, solch gefährliche „Nebenwirkungen“ zu vermeiden und die Lebenszufriedenheit aller Menschen zu unterstützen. Die Nokia Bell Labs haben dafür Instrumente entwickelt, die KI-Entwickler dazu bringen sollen, diese Aspekte zu berücksichtigen: Es geht um „Humanity by Design“.
Chancengleichheit, ethisches Design und Zusammenarbeit sind gefragt
KI sollte demnach das Wohl aller fördern, auch das der Schwächsten. Kinder sind beispielsweise mehr denn je Technologien ausgesetzt, die ihr ganzes Leben lang Daten sammeln. Unternehmen können so detaillierte Profile von Kindern erstellen, die dazu verwendet werden, ihnen Produkte zu verkaufen oder ihr Verhalten langfristig zu manipulieren.
Ein anderer Aspekt sind die Arbeitskräfte in der KI-Entwicklung selbst, zum Beispiel Datenkommentatoren in Entwicklungsländern, deren Arbeit für das Funktionieren der KI unerlässlich ist und die mit geringen Löhnen und Aufstiegschancen arbeiten.
Außerdem müssen wir gemeinsam die Vielfalt in der KI-Forschung und -Industrie fördern. So hat erst eine kürzlich durchgeführte Studie über KI-Forschungsdaten gezeigt, dass westliche Bevölkerungsgruppen überrepräsentiert sind.
Dies führt nicht nur zu Ergebnissen, die möglicherweise menschliches Verhalten nicht genau widerspiegeln, sondern es schließt auch bestimmte Bevölkerungsgruppen aus und marginalisiert sie weiter. Um ein umfassendes Bild der Welt zu erhalten, müssen auch Daten von unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen erhoben werden.
Eine auf den Menschen ausgerichtete KI kann allerdings nicht durch die Bemühungen von einzelnen Unternehmen allein erreicht werden. Nötig ist eine gemeinsame Anstrengung, bei der viele Akteure zusammenarbeiten müssen. Forscher müssen sich sowohl auf ihre internen Prozesse konzentrieren, indem sie beispielsweise ethische Werte respektieren, als auch gemeinsam mit anderen Akteuren die KI-Forschung vorantreiben.
Der Weg in die Zukunft
Es gilt also, die Lücke zwischen der aktuellen KI-Agenda und den Bedürfnissen der Menschen zu schließen. Deshalb sollte sich die KI-Forschung nicht mehr nur auf ihre technischen Fähigkeiten konzentrieren, sondern vielmehr auf ihre Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.
Die Menschheit muss KI so gestalten, dass sie wirklich die Bedürfnisse der Menschen erfüllt anstatt nur den technologischen Fortschritt um seiner selbst willen zu verfolgen. Und müssen wir uns alle auch mit den Szenarien auseinandersetzen, die unvermeidlich sind und in denen Technologie und Moral aufeinanderprallen. Nur so können wir eine Zukunft schaffen, in der die KI dem Menschen dient und nicht umgekehrt.