PCAP versus resistiv Perfekt eingepasst

Bild: 1001nights, iStock
02.03.2015

Projective-Capacitive(PCAP)-Touchscreens sind gegenüber resistiven Touchscreens im Vorteil. So bieten sie Multitouch und lassen sich auch durch geschlossene Oberflächen bedienen. Beim Integrieren eines PCAP-Touchscreens in ein Gesamtsystem gilt es, einige technische Besonderheiten zu beachten. Zum Beispiel den passenden Touch-Controller und das richtige Cover-Material. Auch leitungsgebundene Störungen sind zu beachten.

Weg von resistiven Touchscreens hin zu Projective-Capacitive-Touchscreens (PCAP/PCT) – was sich in der Konsumelektronik bereits durchgesetzt hat, kommt nun auch in der Industrie an. PCAP-Systeme besitzen gegenüber resistiven Touches den Vorteil, dass sie sich auch durch geschlossene Glas- oder Kunststoffoberflächen bedienen lassen. Auch sind typische Eingabeelemente wie Gesten, beispielsweise die Zoom-Funktion, oder Multitouch über einen resistiven Touchscreen nur schwer bis gar nicht zu realisieren. In der heutigen Zeit, in der Eingabesysteme nicht nur ein Funktionselement sind, sondern auch gewissen Design- und Bedienansprüchen genügen müssen, bietet der PCAP-Touch-Sensor große Vorteile.

Allerdings sollten Designvorgaben niemals das bestimmende Element des PCAP-Gesamtsystems sein. Im Vordergrund muss immer die Funktionalität stehen. Bereits die Auswahl des falschen Cover-Materials in Verbindung mit dessen Dicke kann zu einer erheblichen Einschränkung des Touch-Verhaltens führen. Daher ist es schon bei der Konstruktion des Gerätes wichtig, das Augenmerk auf die technisch notwendigen Aspekte zu legen, welche ein PCAP-System mit sich bringt.

Controllerauswahl ist wichtig

Noch vor einigen Jahren war die Auswahl der am Markt erhältlichen Controller-ICs sehr begrenzt. Heute führt fast jeder Halbleiterhersteller ein IC in seinem Portfolio. Hier sind jedoch eindeutige Unterschiede im weltweiten Marktanteil zu erkennen. Während in Europa die großen Halbleiterhersteller wie Atmel mit der MaxTouch-Reihe, EETI oder Cypress am stärksten vertreten sind, sind es in Asien eher kleinere und regionale Anbieter, wie Pixcir oder Solomon. Um den industriellen Anforderungen, wie Langzeitverfügbarkeit, Robustheit und Störfestigkeit (EMV) gerecht werden zu können, muss man den richtigen Partner finden. So entscheiden nicht zuletzt die ausgefeilten Signalverarbeitungsalgorithmen im Touch-Controller, die für die Filterung der Touch-Rohdaten verantwortlich sind, über das Bestehen oder Nichtbestehen der Störfestigkeitsprüfung beispielsweise nach der Norm EN61000-4-6.

Wahl des Cover-Materials

Als Cover-Material bezeichnet man die oberste, transparente Schutzschicht, die sowohl das Touch-Panel trägt als auch vor äußeren Einflüssen schützt wie etwa vor Stoß, Flüssigkeiten oder Staub. Bei der Auswahl des Cover-Materials sollte immer Glas an erster Stelle stehen. Der größte Vorteil von Glas ist die verhältnismäßig hohe relative Dielektrizitätskonstante. Diese physikalische Konstante charakterisiert die Fähigkeit eines Stoffes, Energie in Form eines Feldes in sich zu speichern. Je größer der Wert dieser Konstante, umso besser kann sich das elektrische Feld eines PCAP-Sensors in diesem Material ausbreiten. Das System wird dadurch empfindlicher und das Touch-Verhalten generell besser.

Vor allem durch die Smartphone- und Tablet-Industrie erlangten so genannte „Super-Gläser“, wie das Gorilla-Glas des Herstellers Corning, eine gewisse Popularität. Diese Gläser, allgemein als Aluminium-Silikat oder High-Ion-Exchange-Gläser bekannt, enthalten einen höheren Anteil Aluminium-
oxid (Al2O3). Aus diesem Grund haben sie eine etwas höhere Dielektrizitätskonstante als normales Float-Glas, sind robuster und durch den chemischen Vorspannungs-Prozess auch flexibler. Damit sind diese Gläser besonders gut für PCAP-Anwendungen geeignet, da sich das elektrische Feld in diesen Materialien optimal ausbreiten kann. In einer typischen Industrieanwendung kommen allerdings eher bedruckte Standard-Float-Gläser zum Einsatz, deren Widerstandsfähigkeit mit chemischer oder thermischer Härtung verstärkt wird. Das liegt zum einen am Preis-Leistungsverhältnis, aber auch daran, dass deren Verfügbarkeit in Europa am besten ist.

Aufgrund von Splittergefahr verzichtet die Lebensmittelindustrie gern auf Glas. Für solche Anwendungen greift man oft auf Alternativen, wie Polycarbonat oder PMMA (Acrylglas) als Cover-Material zurück. Die Materialien sind sehr robust, transparent und splittern bei Beschädigung nicht. Polycarbonat und PMMA besitzen allerdings eine, im Vergleich zu Glas, geringe Dielektrizitätskonstante, was dazu führt, dass die Berührungsempfindlichkeit des Touches sinkt.

Weiterhin ist es so, dass ein Luftspalt zwischen Touch-Sensor und Cover-Material das Touch-Verhalten extrem verschlechtert. Bei einer Dielektrizitätskonstante von 1,006 ist die Ausbreitung des elektromagnetischen Feldes in der Luft entsprechend schlecht. Daher empfiehlt es sich, den Touch-Sensor direkt und vollflächig an das Cover-Material zu bonden beziehungsweise durch eine Klebeschicht vollflächig zu laminieren.

Berührungsempfindlichkeit und SNR

Die Berührungsempfindlichkeit und der Signal-Rauschabstand (SNR) sind von vielen Faktoren abhängig. Der Signal-Rauschabstand ist ein Maß für die Qualität eines Nutzsignals, das von einem Rauschsignal (Störsignal) überlagert ist. Während die eigentliche, technische Größe den Abstand der mittleren Leistungen von Nutz- zu Rauschsignal beschreibt, soll hier der Signal-Rauschabstand nur als Beschreibung für den Abstand des Nutzsignals zu einem Störsignal dienen. Die Ermittlung der mittleren Leistungen der beiden Signale lassen sich einem PCAP-Touch-System nur schwer bewerkstelligen. Wie bereits beschrieben, haben Faktoren wie die Auswahl und Dicke des Cover-Materials und auch die Konfiguration des Touch-Controllers einen großen Einfluss auf das Touch-
Verhalten.

Ein Faktor, der dabei oft vernachlässigt wird, ist der so genannte Strom-Rückpfad des PCAP-Systems. Für ein hohes SNR und ein gutes Touch-Verhalten, wie zum Beispiel zuverlässige Mehrfinger-Gesten-Erkennung, ist ein guter Strom-Rückpfad unbedingt erforderlich. Um die eigentliche Bedeutung des Strom-Rückpfades zu verstehen, wird hier die generelle Funktionsweise eines PCAP-Systems, basierend auf Mutual Capacitive Sensing erklärt. Bei der Mutual Capacitive Sensing-Methode wird die Kapazität zwischen X- und Y-Elek-
trode eines Touch-Displays gemessen. Die eigentliche Messung der Kapazität erfolgt hierbei indirekt über den Strom aus dem aufgeladenen Kondensator, geformt von X- und Y-Elektrode des Touch-Sensors. Der Strom integriert über die Zeit ergibt nach Q = ∫idt damit die Ladung des Kondensators. Die gemessene Ladung ist proportional zur Kapazität der Kondensatoren, die durch die X- und Y-Strukturen auf dem Touch-Sensor gebildet werden.

Berührt nun eine Person mit einem Finger den Touchscreen, beeinflusst dieser die gemeinsame Kapazität von X- und Y-Elektrode auf der Sensoroberfläche. Durch diese Berührung wird ein geringer Strom abgeführt, der den Kondensator entlädt. Dieser Strom muss über den Finger, Hand, Arm und Körper der berührenden Person seinen Weg zurück zum Touch-Controller finden. Wie bei allen elektrischen Systemen muss nach dem Kirchhoffschen Gesetz die Summe aller Ströme, die in einem Knotenpunkt zusammenlaufen, gleich Null sein. Aus diesem Grund muss der Strom, der von dem Finger abgeführt wird, über einem Rückpfad wieder zum Touch-Controller fließen. Die Beschaffenheit dieses Rückpfades entscheidet maßgeblich über ein gutes oder schlechtes SNR im Touch-System.

Tetherd und Floating

Man unterscheidet grundsätzlich zwei verschiedene Arten von PCAP-Systemen. Die Klasse der Floating Devices (schwebendes Erdpotential) sind drahtlose Geräte. Also solche Geräte, die keine physikalische Verbindung zum Stromnetz oder Erdpotenzial haben. Sie werden über Batterie oder
Akku betrieben und sind meist tragbar. Das klassische Beispiel sind etwa Smartphones oder Tablets. Dies ist aber nur der Fall, wenn diese Geräte nicht an einem Ladegerät angeschlossen sind, oder über Ethernet-Kabel oder USB-Kabel mit einem PC verbunden sind. Werden diese Verbindungen dennoch hergestellt, reiht sich selbst ein Smartphone in die zweite Klasse der PCAP-Systeme ein – nämlich die der so genannten Tethered Devices (kabelgebundes Erdpotential). Abgeleitet von der Bezeichnung handelt es sich hier um Geräte, die durchaus eine physikalische Verbindung zum Stromnetz oder Erdpotential haben.

Floating Devices werden meist in einer Hand gehalten und mit dem Finger der anderen Hand bedient. Somit ist ein wesentlich kleinerer Stromrückpfad vorhanden, nämlich vom berührenden Finger über den Körper, der bedienenden Person zur haltenden Hand, und damit zurück zum Gerät. Bei einem Tethered-System, das über einen Stromanschluss (USB-Kabel, Ethernet Kabel oder eine andere physikalische Verbindung) mit dem Stromnetz verbunden ist, ist die Situation wesentlich komplexer. Eine Verbindung zum Stromnetz bedeutet in den meisten Fällen auch eine Verbindung zum Erdpotential, also dem PE-Leiter. Diese Verbindung muss kein Gleichstrompfad (DC-Kopplung) sein, eine kapazitive Verbindung (AC-Kopplung) genügt.

Bei einem Tethered-System ergibt sich ein zweiter Stromrückpfad über die Stromversorgung des Gerätes. Normalerweise ist dies ein sehr guter und niederohmiger Stromrück-
pfad. Allerdings kann je nach Auslegung des internen Netzteils des Gerätes dieser Strompfad unterschiedlich gut ausgeprägt sein. Vor allem Geräte mit preiswerten Schaltnetzteilen oder mit galvanisch getrennten Netzteilen bereiten häufig Probleme. Kritisch ist auch die Einkopplung von Störungen in das PCAP-System über genau diesen Strompfad.

Gerade industrielle Anwendungen wie HMI-Steuerungen sind in einem Umfeld installiert, in denen weitere industrielle Maschinen oder Antriebe laufen, die die Netzqualität beeinflussen. Diese Störungen gelangen über die Stromversorgung in das PCAP-Gerät und haben einen erheblichen Einfluss auf das Signal-Rauschverhalten. Im extremen Störfall können die eingekoppelten Störsignale zu Selbstauslösungen, so genannten Ghost Touches führen. In diesem Fall sind die Störungen so groß, dass sie die gesetzte Auslöseschwelle im Touchcontroller überschreiten und somit
ohne Berührung einen Touch-Event hervorrufen. Für ein gutes Touch-Verhalten ist immer ein kurzer, niederohmiger und mit wenigen Störungen belasteter Stromrückpfad notwendig. Diesen Herausforderungen kann man durchaus mit leistungsstarken Signalverarbeitungsroutinen im Touch-Controller entgegen treten. Data Modul beispielsweise verwendet bei der
EasyTouch-Produktfamilie ausschließlich ICs der MaxTouch-Serie von Atmel. EMV- und Anwendungstests haben bewiesen, dass es sich hier um PCAP-Controller handelt, die man bedenkenlos im industriellen Umfeld einsetzen kann.

Bildergalerie

  • Vereinfachter Standardaufbau einer PCAP-Front

    Vereinfachter Standardaufbau einer PCAP-Front

    Bild: Data Modul

  • Idealisiertes Freiraummodell Tethered-System (Ct = Touch-Kapazität, Cfb = Freiraum-Körper-Kapazität,
    Cfd = Freiraum-Geräte-Kapazität,
    it = Touch-Strom)

    Bild: Data Modul

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel