Konventionelle Methoden der Prozess- und Systemanalyse sind darauf angewiesen, Energieformen wie Wärme, Kälte und Strom sowie Stoffströme wie Druckluft, Säuren und technische Gase einzeln zu betrachten. So fragmentiert betrachtet ist es jedoch schwierig, das Gesamtsystem zu optimieren und die beste Lösung zu finden. Eine Prozess- oder Systemanalyse auf Basis der Exergie kann diese Hürde überwinden und darüber hinaus die unterschiedliche Nutzbarkeit der verschiedenen Energieformen berücksichtigen.
Exergie - Definition und Grundlagen
Exergie kann als Produkt aus Energiemenge und deren Wandelbarkeit in elektrischen Strom (Energiequalität) verstanden werden [1]. Sie ist eine bereits seit mehr als 50 Jahren bekannte physikalische Größe, die allerdings bisher vor allem im universitären Kontext zum Einsatz kam.
Exergie ist die maximale Arbeit, welche mit Hilfe eines betrachteten Masse- oder Energiestroms und der zur Verfügung stehenden Referenzumgebung in einer bestimmten Zeit erzeugt werden kann. Prinzipiell kann jedem Masse- oder Energiestrom ein Exergiestrom zugeordnet werden. Um technische Arbeit zu erzeugen, muss sich der betrachtete Energie- oder Stoffstrom in mindestens einem Parameter, zum Beispiel Temperatur, Druck oder chemische Zusammensetzung, von der festgelegten Referenzumgebung unterscheiden. Vor dem Hintergrund einer festgelegten Referenzumgebung ist die Exergie, wie auch die Energie, unabhängig von Referenztechnologien. Berechnungsvorschriften für die Exergie finden sich beispielsweise in [2, 3, 4].
Trotz ihrer rein physikalisch-theoretischen Grundlage ist die Exergieanalyse in höchstem Maße praxistauglich. Während die Methodik für sich unabhängig von Eigenheiten der Technologie wie zum Beispiel Wirkungsgraden ist, fließen alle realen technischen Systemeigenschaften über die Berechnungsgrundlagen in die Bewertung mit ein. So werden systematische Ergebnisverzerrungen vermieden und verschiedenste Technologien vergleichbar. Ein Beispiel ist der Vergleich von Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung. In vielen geläufigen Bewertungsverfahren werden Referenztechnologien für Strom- und Wärmeerzeugung festgelegt, welche die Grundlage für Technologievergleiche darstellen. Dies hat jedoch den Effekt, dass nicht nur die realen Wirkungsgrade der untersuchten Alternativen das Ergebnis beeinflussen sondern auch die Wirkungsgrade der Referenztechnologien. Ein bestimmtes Ergebnis kann also immer Resultat bestimmter Anlagen- oder bestimmter Referenzwirkungsgrade sein. Eine eindeutige Zuordnung eines Bewertungsergebnisses zu einer bestimmten Anlage ist so nicht sicher möglich und eine einfache Vergleichbarkeit nicht gewährleistet.
Für den Exergie-basierten Vergleich von Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung werden keine Referenztechnologien benötigt. Stattdessen wird ausschließlich auf Basis von Anlagenparametern festgestellt, wie gut die unterschiedlichen Alternativen das Potenzial des Brennstoffes nutzen. So wird sichergestellt, dass das Ergebnis ausschließlich Eigenschaften der untersuchten Alternativen und nicht einer Referenztechnologie beschreibt.
Wie bei Energieanalysen sind auch bei Exergie-basierten Analysen eine schlüssige Wahl der Bilanzgrenzen sowie eine transparente Darstellung der verwendeten Daten und Annahmen notwendig, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten.
Die Anwendungsfelder der Exergie-basierten Analyse in der Industrie sind vielfältig. So ermöglicht sie beispielsweise eine umfassende Bewertung und Optimierung der Ressourceneffizienz von industriellen Prozessen auf rein physikalischer Grundlage. Durch die Unabhängigkeit von veränderlichen wirtschaftlichen, politischen oder weiteren ökologischen Faktoren wird mit ihr eine besonders hohe Belastbarkeit und lange Gültigkeit der Ergebnisse erreicht. Die Exergie-basierte Analyse kann daher als eine ideale Grundlage für Prozessverständnis, Systemvergleiche, sowie Optimierung und Kosten-Nutzen-Betrachtungen angesehen werden. Parallel oder verknüpft mit Wirtschaftlichkeitsanalysen kann sie helfen, Kostentreiber bis hin zur kleinsten Subprozessebene zu identifizieren und präzise zu bestimmen.
Anwendungsbeispiel KWK-Anlage
Um eine Exergieanalyse ausführen zu können, müssen von den ein- und ausgehenden Energieströmen Art, Menge und Temperatur sowie von den ein- und ausgehenden Masseströmen Menge, Zusammensetzung und Druck bekannt sein (siehe Abbildung oben links). Der exergetische Wirkungsgrad der Anlage, die in [3] im Detail diskutiert ist, lässt sich zu 50,3% bestimmen. Die Verluste des Gesamtprozesses von 49,7 % sind durch die Analyseergebnisse den einzelnen Prozessteilen zuordenbar.
Wie das Beispiel zeigt, macht die Exergieanalyse verschiedenste Unterprozesse miteinander vergleichbar, indem verschiedene Ströme mit Hilfe einer Größe - der Exergie - dargestellt werden. Das erlaubt den Beitrag der Verluste in den Teilprozessen zu den Gesamtverlusten - und damit das maximale Optimierungspotenzial - präzise zu bestimmen. Die Ergebnisse machen deutlich, dass im vorliegenden Fall die Optimierung der Brennkammer das höchste Potenzial birgt. Ansätze hierzu lassen sich aus der Kenntnis möglicher Ursachen für Exergieverluste ableiten wie zum Beispiel die Verbrennung an sich, niedrige Verbrennungstemperatur oder unzureichende Wärmedämmung. So könnten zum Beispiel effizientere Brenner eingesetzt, die Dämmung verbessert oder - wenn es die weiteren Prozesskomponenten zulassen - die Verbrennungstemperatur erhöht werden.
In der Abbildung Ablauf ist schematisch der Ablauf der Optimierung dargestellt, bei der die theoretischen Möglichkeiten auf ihre Praxistauglichkeit geprüft werden. Die Exergie als Basisgröße stellt einerseits sicher, dass keine Optimierungspotenziale übersehen werden, die sich aus den Stoff- und Energiestromparametern ergeben, und garantiert andererseits, dass der Gesamtprozess mit seinen verschiedenen Stoff- und Energieströmen als Ganzes optimiert wird.
Grenzen der Anwendbarkeit
Auslegung und Analyse von Anlagen stellen unterschiedliche Anforderungen. Während für die Analyse eine möglichst einheitliche Bewertungsgrundlage vorteilhaft ist, benötigt die Anlagenauslegung sehr spezifische und verschiedenartige Informationen. Dies führt dazu, dass die Exergie-basierte Analyse im Kontext der Anlagenauslegung nicht für sich allein genommen, sondern nur begleitend zu weiteren planerischen Hilfsmitteln eingesetzt werden kann.
Im Kontext der Analyse kommt hinzu, dass aufgrund der Komplexität des Konzepts sowie der zu beachtenden Feinheiten [1] die Exergieanalyse nur von intensiv geschulten Anwendern eingesetzt werden sollte, da es sonst zu Ergebnisverfälschungen kommen kann, welche mangels einer ähnlich aussagekräftigen Kontrollmethode leicht übersehen werden können.
Von der Analyse zum Exergieausweis
Auf Basis wissenschaftlicher Entwicklungen des letzten Jahrzehnts [4, 5, 6] lässt sich die Exergieanalyse noch besser an die Anforderungen der Praxis anpassen. So ist es heutzutage beispielsweise möglich die Ergebnisse der Exergieanalyse als Exergieausweis (ExergyFingerprint, [7]) grafisch so aufzubereiten, dass sie auch von interessierten Laien relativ leicht verstanden werden können, ohne dass Detailreichtum und Aussagekraft verloren gehen (siehe Abbildung Exergieausweise auf Seite 33).
In der Gebäudeenergieversorgung lassen sich mit Hilfe von Exergie-basierten Bewertungsverfahren und entsprechend begründeter Bilanzgrenzensetzung alle Technologien im Hinblick auf ihre Energieeffizienz, Exergieeffizienz und den Ressourceneinsatz wissenschaftlich fundiert vergleichen [1]. Die genaue Ermittlung des Ressourcenverbrauchs ermöglicht eine wesentlich umfassendere Bewertung ökologischer Effekte von Investitionsalternativen. Dies erhöht die Sicherheit der Entscheidung, erlaubt die Wahl Kosten-optimaler Lösungen und hilft Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Die Prozessanalyse auf Basis der Exergie bietet heutzutage die Möglichkeit, Prozessverluste umfassend und prozess-übergeifend aufzudecken. Der Aufwand für Exergie-basierte Analysen ist dabei nur unwesentlich höher als für entsprechende ausschließlich Energie-basierte Analysen. Sie erlauben es jedoch, Prozessverluste vollständig und sehr genau zu bestimmen, so dass Optimierungsstrategien eine besonders solide Bewertungsgrundlage erhalten. Mit Exergie-basierten Analysen lässt sich sicherstellen, dass keine Schwachstelle übersehen wird und vermeidbare Kosten auch als solche erkannt werden.