In der Industrie ist es wichtig, Daten zu sammeln und diese zeitnah auszuwerten. Dabei stehen unterschiedliche drahtlose Netzwerktechnologien, Topologien und Protokolle zur Verfügung, die wir hier näher unter die Lupe nehmen.
Feldebene I: nah, flexibel, autark und wartungsfrei
Neuere Produktionsstraßen sind oft mit Sensoren und Aktoren ohne Kabel und Schleifkontakte ausgestattet, die ihre Energie von Energy-Harvesting-Modulen erhalten. Sie wandeln Bewegung, Licht oder Wärmeunterschiede in genügend elektrische Energie um, um Datenpakete bis zu einige hundert Meter weit senden zu können. Ein lokaler Energiespeicher überbrückt die Zeit, wenn einmal nicht genug Energie aus der Umgebung geerntet werden kann.
Um diese Sensoren und Aktoren zu vernetzen, eignen sich das SubGHz-Protokoll EnOcean sowie die 2,4-GHz-Protokolle Bluetooth 5 und ZigBee 3.0. Für alle drei Funkprotokolle und Energy-Harvesting-Verfahren stehen speziell abgestimmte Modulkombinationen von EnOcean zur Verfügung. Während die Lösung für das EnOcean-Protokoll aus dem gleichnamigen Hause stammt, setzt der Hersteller bei den Bluetooth- und ZigBee-Modulen auf die Halbleiter und Protokolle von Nordic Semiconductor.
Bluetooth bietet sich – abgesehen von der Verbindung zwischen Sensorik und Gateway oder Edge-Computer – zudem als Wartungs- und Serviceschnittstelle an, da eine Verbindung zu handelsüblichen Laptops und Smartphones hergestellt werden kann. Das EnOcean-Protokoll bietet eine erprobte Alternative, wenn mehr Reichweite erforderlich oder das 2,4-GHz-Band auf dem Werksgelände aus Sicherheitsgründen untersagt oder bereits ausgelastet ist.
Rutronik arbeitet als Distributor sowohl mit der EnOcean GmbH und der EnOcean Alliance als auch mit Nordic Semiconductor zusammen. Dadurch erhalten Entwickler auch bei softwarespezifischen Adaptionen und bei komplexeren Problemen firmenübergreifend Unterstützung.
Feldebene II: vernetzte Werkshalle
Was für die Verbindung vom Sensor oder Aktor zum Gateway, Hub oder zu einer Edge-Recheneinheit eine wartungsfreie Lösung darstellt, stößt bei größeren, komplexeren Netzwerken an seine Grenzen. Besonders in nicht-zeitsynchronisierten Maschentopologien muss jeder Funkknoten immer auf Empfang sein, um die zeitnahe Weiterverarbeitung von Datenpaketen sicherzustellen. Hierfür reicht Energy Harvesting in der Regel nicht aus.
Für solche Maschentopologien kommen Bluetooth Mesh, WiFi Mesh, Ant Blaze, ZigBee, Threat und einige weitere in Frage. Sie können über Monate mit einer Akkuladung betrieben werden – lediglich WiFi Mesh zeigt sich in der Praxis nur an Festspannungsversorgungen praktikabel.
Für Lichtsysteme in Lager- und Produktionshallen oder Großraumbüros wird vorwiegend auf das ungeroutete Bluetooth Mesh gesetzt. Im Gegensatz zum gezielten Routing der Datenpakete sorgt die Datendurchflutung für besonders schnelle Reaktionszeiten. Smartphone & Co lassen sich trotzdem einbinden – ein Vorteil gegenüber anderen Funkstandards, die das nur via Router ermöglichen. Dabei fungiert Bluetooth Mesh quasi als Zwischenlayer, der auf jeder Bluetooth-4.0-Hardware aufgesetzt werden kann.
Aus Kostengründen ist Bluetooth-5- oder -5.1-Hardware jedoch sinnvoller. Halbleiter mit entsprechenden Stacks bietet Rutronik von STMicroelectronics, Redpine Signals, Nordic Semiconductor und Toshiba an. Bluetooth-Mesh-Module mit integrierter Hochfrequenzbeschaltung und Zertifizierungen gibt es von Insight SiP, Garmin, Panasonic, Murata, Telit, Fujitsu, Minew und Redpine Signals.
Feldebene III: außer Sicht und doch verbunden
Für Umschlagplätze wie Logistikzentren, Bahnhöfe oder Häfen ist Langstreckenfunk das Mittel der Wahl. Unter den Technologien, die auf öffentliche und lizenzfreie ISM-Bänder aufsetzen, hat sich LoRa in den meisten zentraleuropäischen Ländern durchgesetzt. Inzwischen schicken sich die 4G-Kategorien Cat-M1 und Cat-NB1 jedoch an, LoRa abzulösen.
Während sich LTE-M (Cat-M1) besonders für Trackinganwendungen mit Zellwechsel eignet, ist LTE-NB1 (Cat-NB1) ideal für statische Anwendungen mit Ultra-Low-Power-Anforderungen. Häufig gibt jedoch der Netzausbau vor, welche Technologie zum Einsatz kommt; in Deutschland ist das im Regelfall noch Cat-NB1.
Die meisten Hersteller von Mobilfunkmodulen unterstützen sowohl Cat-NB1 als auch Cat-M1. Bei Rutronik sind Lösungen von Telit, Nordic Semiconductor, Murata, Telic, Advantech sowie in Kürze von weiteren Franchisepartnern verfügbar.
LTE-M-Transceiver werden – wie 2G-, 3G- und konventionelle 4G-Module – oft mit GNSS (Global Navigation Satellite System) ausgestattet, denn sie sind für die Positions- und Bewegungsüberwachung von Objekten und Lebewesen ausgelegt. Und hierfür muss deren Position ermittelt und über das Mobilfunknetz gesendet werden. Inzwischen ergänzt das europäische Galileo das amerikanische GPS, das russische Glonass und das chinesische Beidou. Galileo ist dem GPS-System hinsichtlich der frei nutzbaren Daten des L1-Layers voraus.
Zudem hat es als einziges System eine Authentifizierungsfunktion. Sie gewährleistet, dass herausgefunden werden kann, ob die Signale tatsächlich von Galileo stammen. Und es ist das einzige zivile System in demokratischer Hand. Trotzdem sollten Anwender auf mehrere Systeme parallel setzen, denn je mehr Satelliten genutzt werden, umso schneller, energiesparender und präziser arbeiten die meisten Multi-GNSS-Empfänger.
Ebenso ratsam ist es, auf Veränderungen reagieren zu können, zum Beispiel wenn ein System ausfällt. Hierfür kann man das im Modul vorhandene NB1- oder M1-Modem nutzen. Auch bei Anwendungen, die GNSS mit LoRa, Sigfox, WiFi oder Bluetooth nutzen, muss im Host-Controller eine Zugriffsmöglichkeit auf den Betriebsmodus der GNSS-Einheit geschaffen werden.
Meist genügt ein NMEA-Steuerbefehl, um dem Empfänger mitzuteilen, welche Systeme er nutzen und welche er ignorieren soll. Diese Remote-Funktionalität muss manuell implementiert werden. Ob das getan wurde, kann im Fall der Fälle verheerend oder aber lebens- und geschäftsrettend sein.
Prozessebene: Daten verknüpfen
In der Prozessebene laufen die Daten der Arbeitsstationen zusammen. Oft findet hier eine erste Vorverarbeitung statt, da es für manche Anwendungen vorteilhaft ist, mehrere parallel einlaufende Felddaten zu vergleichen. So lassen sich Pattern-Matching-Algorithmen einsetzen, die nicht nur gegen statische Muster vergleichen, sondern stetig ihre Referenz anpassen.
Derart rechenintensive Aufgaben laufen meist auf stärkeren x86-basierenden Systemen. Hierfür bietet WiFi 6 beziehungsweise WiFi 6E eine höhere Geschwindigkeit, ein besseres Verbindungsmanagement der Teilnehmer und eine optimierte Frequenzbelegung hinsichtlich der 5G-Netze als ihre Vorgänger. WiFi-6-Lösungen sind zum Beispiel von Intel erhältlich.
Systemebene: eine Frage der Gegebenheiten
Die Technologiewahl für die Systemebene hängt stark von der Komplexität und den lokalen Gegebenheiten ab, zum Beispiel der Ausdehnung des Geländes oder dem betrieblichen Frequenznutzungsplan. Bei kleineren Betrieben kann hier WiFi 6 ideal sein, bei größeren Unternehmen mit statischen Systemeinrichtungen ist es eher eine verkabelte Lösung – noch. Sobald 5G relevant verfügbar und bezahlbar ist, werden auch hier die Kabel bald verschwinden.
Betriebsebene: Stellt nur geringe Anforderungen
Bei der Kommunikation zwischen mehreren Werken werden komprimierte Informationen geschickt, daher genügt herkömmliches LTE hinsichtlich Datendurchsatz und Latenzzeiten selbst bei internationalen Großkonzernen. Wer die verkabelte Internetanbindung des Standortes absichern möchte, kann mit einem LTE-Router die wichtigen Kennzahlen per Mobilfunk übertragen.
Setzt man auf der Feldebene eher auf die niedrigeren LTE-Kategorien, darf es auf der Betriebsebene auch LTE der Kategorie 6 oder höher sein. Denn Stromverbrauch und Modempreis spielen hier kaum eine Rolle, da die Rechner am Stromnetz hängen und es sich nur um wenige LTE-Modems oder -Router handelt. Telit, Telic und Advantech bieten Lösungen wie Steckkarten, externen Modems und Router.
Noch mehr Funktechnologien
Auch NFC erobert nach den Smartphones die Industrieumgebung. Die 13,56-MHz-Technik erlaubt den sicheren Austausch zwischen aktivem Reader und passivem Transponder sowie zwischen zwei aktiven Readern. Durch Kompatibilität zu fast allen modernen Tablets und Smartphones steht günstige Standardhardware zur Verfügung. Das vereinfacht auch die Softwareprogrammierung.
Wer RFID für längere Distanzen oder zum Scannen von mehreren Transpondern gleichzeitig einsetzen möchte, setzt auf UHF oder ein aktives System. Bei diesen haben die Transponder eine eigene Stromversorgung und kommunizieren meist im 2,4-GHz-Band zum Beispiel auf Basis von Bluetooth.
Wo weder Verkabelungen noch Energy Harvesting eine Option sind und selbst sparsame Funkverbindungen die Batterien zu schnell entladen, kommt auch in der Industrie immer häufiger das ANT-Protokoll zum Einsatz. In Kürze werden beispielsweise erste ANT-basierende Time-of-Flight-Sensoren für eine hochpräzise Abstandsbestimmung erwartet, die besonders wenig Energie benötigen. Weiteres Plus: ANT ist in den meisten Android-Smartphones verfügbar und kann mit Multiprotokoll-SoC-Lösungen den Datenverkehr ohne weitere Hardwarekosten in Bluetooth-Netze weiterleiten.
Dieser Artikel war Teil unserer Titelreportage der . Das zugehörige Interview finden Sie hier .