Denn in alten Kernbrennstoffen verbergen sich wichtige Rohstoffe nicht nur für die Kernenergie. Für das jüngst bewilligte Projekt „MaLaR – Novel 2D-3D Materials for Lanthanide Recovery from nuclear waste“ stehen in den nächsten drei Jahren 2,3 Millionen Euro Fördermittel bereit. Partnerländer neben Deutschland sind Frankreich, Schweden und Rumänien.
Recycelt werden sollen Lanthanoide, eine chemische Elementgruppe, zu der auch ein Teil der Seltenen Erden gehört. Sie finden breite Anwendung zum Beispiel in Bildschirmen, Batterien, Magneten, Kontrastmitteln und biologischen Sonden. „Lanthanoide sind ein sehr rarer Rohstoff, die Hauptversorgung kommt aus China. Deswegen wird versucht, diesen Rohstoff aus Müll zu recyceln, sogar aus Atommüll“, erläutert Kvashnina, Koordinatorin des MaLaR-Projekts. Die Physikerin gehört zum Institut für Ressourcenökologie des HZDR und hält eine Professur an der Universität Grenoble in Frankreich.
Um recyceln zu können, muss man Müll zunächst trennen. Neben den grundsätzlichen Sicherheitsrisiken im Umgang mit radioaktiven Elementen stellt sich für Atommüll noch ein Problem: Die enthaltenen Stoffe ähneln einander in ihren chemischen Reaktionen stark. „Daher ist es sehr schwierig, etwas zu finden, auf das nur ein Element reagiert und das andere nicht, sodass man ein einzelnes herauslösen kann“, erklärt Kvashnina. Bei den derzeitigen Trennverfahren werden häufig gefährliche Chemikalien eingesetzt, es wird viel Energie verbraucht und es können zusätzliche Abfallströme entstehen.
Kohlenstoff-Materialien als spezifische Elementfänger
Das MaLaR-Konsortium arbeitet an einem neuen Verfahren. Die Idee: Neuartige dreidimensionale Materialien sollen zum entscheidenden Werkzeug für effektive, umweltfreundliche und nachhaltige Trennverfahren werden. Das gilt für Atommüll ebenso wie für Industriemüll, etwa aus radiomedizinischen Anwendungen. Wie bei derzeitigen Trennverfahren setzen die Forschenden dabei auf das Prinzip der Sorption: Spezifische radioaktive Elemente in flüssigen nuklearen Abfällen lagern sich an die angrenzende feste Phase eines Sorptionsmittels an und können so vom restlichen Müll getrennt werden.
In den letzten Jahren haben Studien gezeigt, dass Graphenoxide – poröse Materialien auf Kohlenstoff-Basis – die Leistung von den derzeit wichtigsten industriellen Sorptionsmitteln für Radionuklide deutlich übertreffen können. Dazu kam jüngst die Erkenntnis: Bestimmte Veränderungen an der elektronischen Struktur steigern die Sorptionsleistung weiter. Im MaLaR-Projekt wollen Kvashnina und ihre Partner die zugrundeliegenden chemischen Reaktionen systematisch untersuchen und daraus gezielt neue Materialien auf Graphenoxid-Basis entwickeln, die als spezifische Elementfänger dienen können.
Atom- und Industriemüll in den Griff bekommen
„Unser Ziel ist es, ein Material zu designen, mit dem wir einzelne Elemente zunächst aus synthetischen Element-Mischungen herausziehen können. Das ließe sich dann zukünftig auf vielfältige Anwendungen übertragen. In drei Jahren können wir zwar nur einen ersten Schritt Richtung Recycling machen. Aber wenn wir damit Erfolg haben, sind Anwendungen in greifbarer Nähe“, betont Kvashnina.
Die Wirkung wäre groß, denn: Nicht nur bei der Wiedergewinnung von Rohstoffen aus Atom- und anderem Industriemüll, auch bei der sicheren Endlagerung von hochradioaktivem Abfall könnten die neuartigen Trennverfahren helfen, etwa wenn unterschiedlich langlebige Isotope separiert und dann getrennt verwahrt werden können. Ziel des Projekts ist explizit die marktnahe Entwicklung passender technologischer Lösungen.
Das MaLaR-Team zählt auf ergänzende Kompetenzen der Partner. Es bringt die Expertise aus mehreren Welten zusammen: aus der 2D-3D-Materialentwicklung, der fundamentalen Physik und der Chemie radioaktiver Elemente. Dazu die Möglichkeit, eine neue in-situ-Methode für die zeitaufgelöste Untersuchung kleinster Konzentrationen von Lanthanoiden in radioaktiven Materialien einzusetzen.
„Es ist großartig, die nächsten Jahre in diesem Team zu arbeiten. Wir können grundlegende Erkenntnisse aus Experimenten mit theoretischen Berechnungen, Modellen sowie der Materialcharakterisierung und -entwicklung verbinden“, freut sich Kvashnina. Im Projekt wird sie auch die Experimente an der vom HZDR betriebenen Rossendorf Beamline (ROBL) am Europäischen Synchrotron (ESRF) in Grenoble leiten, an der die neuen Materialien mit Hilfe intensiven Röntgenlichts auf ihre chemischen Eigenschaften untersucht werden sollen.