Fachbeitrag Rollout in weiter Ferne


Smart Meter: Wann beginnt die flächendeckende Einführung in Deutschland?

06.06.2013

Den Energieverbrauch in allen Mitgliedsstaaten bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren ist Ziel der EU-Energieeffizienz-Richtlinie 2020. Smart Meter sollen dabei helfen. In einigen Ländern kommt ihre Einführung voran, in Deutschland nicht so recht. Aber warum?

Im europäischen Vergleich ist Deutschland einer der Energiemärkte mit der höchsten Komplexität. Der Netzbetreiber installiert den Stromzähler, der Messstellenbetreiber ist für die Ablesung verantwortlich, der Verbraucher kann den Energielieferanten frei wählen. Bezieht man Fernwärmeanbieter ein, können Verbraucher bis zu vier verschiedene Anbieter haben. Mit so vielen Parteien in der Lieferkette ist die Sicherheit der Zählerdaten und Messsysteme (Datenschutz und Datensicherheit) zur vorrangigen und anspruchsvollsten Aufgabe in Deutschlands Smart-Metering-Programm geworden. Weiterhin beinhaltet das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) Ziele wie technische Neuorientierung, Energieeffizienzorientierung, Marktorientierung und Fokus auf das intelligente Netz.

Um die notwendigen technischen Spezifikationen in Deutschland in Angriff zu nehmen, hat das Forum Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) im VDE 2012 das Projekt „MessSystem 2020“ initiiert. In diesem Projekt entwickeln fünf Arbeitsgruppen bestehend aus Netzbetreiber, Messstellenbetreiber und Hersteller die Spezifikationen für die zukünftigen Smart-Metering-Systeme. Es werden die konstruktiven Anforderungen und die Funktionseigenschaften für einen Basiszähler auf Grundlage der in Deutschland etablierten Zähleranschlusstechniken (Stecktechnik und 3-Punktbefestigung) beschrieben. Unter anderem werden die Anforderungen an Funktionalität, Konstruktion und Schnittstellen eines Gateways gemäß EnWG, der Technischen Richtlinie (TR) des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Messzugangsverordnung (MessZV) erarbeitet. Viele in den Arbeitsgruppen des FNN erarbeitete Vorschläge zur Vereinfachung des Messsystems wurden vom BSI in der Technischen Richtlinie TR3109 nicht übernommen.

Für die verschiedenen Marktteilnehmer - Lieferanten, Versorger und Endverbraucher - lässt sich daher ein überzeugender Business-Case nur schwer darstellen. Zum einen, weil durch die Komplexität des Gesamtsystems hohe Entwicklungs-, Produkt- und Servicekosten zu erwarten sind, zum anderen, weil aufgrund der 6000-kWh-Grenze ein intelligenter Zähler für nur 15 Prozent aller Verbraucher vorgesehen ist. Dies führt zu keinem flächendeckenden Smart-Meter-Rollout, sondern nur zu geographisch punktuellen Installationen. Das erschwert den rentablen Einsatz intelligenter, günstiger und erprobter Kommunikationstechnologien, wie zum Beispiel die Datenübertragung über Stromleitungen (PLC), und konzentriert die Diskussion auf Funktechnologien wie GPRS und CDMA. Eine einzige Technologie wird aber nicht in der Lage sein, alle Verbrauchsstellen zu erreichen.

Wo Energiemärkte die Rollouts treiben

Somit stellt sich die Frage, inwiefern es in diesem technisch komplexen Gesamtkonzept überhaupt noch möglich ist, das eigentliche Ziel zu erreichen, dem Endverbraucher lastvariable und tageszeitabhängige Tarife anzubieten, die einen Anreiz zur Energieeinsparung oder Steuerung des Energieverbrauches liefern.

Ein Blick auf Nachbarländer könnte sich lohnen, denn in vielen Ländern Europas finden bereits Smart-Meter-Rollouts statt, die unterschiedliche Ideen für eine pragmatischere und wirtschaftlich rentable Smart-Meter-Strategie umsetzen. Die Rollouts werden dabei größtenteils durch interne Energiemärkte und politische Ziele in den einzelnen Mitgliederstaaten vorangebracht.

90 Prozent Abdeckung in Frankreich geplant

Zum Beispiel hat sich Frankreich das Ziel eines flächendeckenden Rollouts mit 35 Millionen intelligenten Stromzählern bis zum Jahr 2021 gesetzt (90% der Kunden). In einem Pilotprojekt über 300.000 Zähler hat man bereits Erfahrungen bezüglich der Installation, PLC-Kommunikation (G1) als auch IT-Backendsystemen gesammelt. Da ein kompletter Rollout bis 2021 geplant ist, kommen aus Kostengründen integrierte Messeinrichtungen (Zähler und Kommunikation) zum Einsatz. Bezüglich der PLC-Kommunikation möchte man nach der Einführung der G1-PLC-Technologie ab 2016/2017 die neuere G3-PLC-Technik einsetzen. Dabei spielt die Interoperabilität der Produkte natürlich eine entscheidende Rolle. Die Definitionen für die G3-PLC-Technologie wird herstellerübergreifend durch die G3-Alliance definiert, in der Hersteller, Versorger und Asic-Hersteller vertreten sind.

In Frankreich wird Smart Metering für Strom und Gas getrennt betrachtet. Das Smart-Metering bei Gas ist weniger weit fortgeschritten, obwohl ein kleines Pilotprojekt, das Mitte 2011 eingeführt wurde, zu einem Rollout von 11 Millionen intelligenten Gaszählern zwischen 2014 und 2020 führen könnte.

26 Millionen Smart Meter für Spanien

Bis Ende Dezember 2018 sollen in Spanien 26 Millionen intelligente Stromzähler bei Haushaltskunden installiert sein, um es Energieversorgern zu ermöglichen, die Energiemenge die ein Haushalt bezieht, aus der Ferne zu steuern.

Das Smart Metering für Strom und Gas wird, wie in Frankreich, ebenfalls getrennt betrachtet. Die eingesetzte PLC-Kommunikationstechnologie basiert auf OFDM/Prime. Um die Interoperabilität der Produkte zu erreichen, wurden bezüglich PLC die dazu notwendigen Spezifikationen in der Prime-Alliance festgelegt (Hersteller, Versorger, Asic-Hersteller). Die entsprechenden Zähleranforderungen werden in der sogenannten Typ-5-Spezifikation definiert. Definitionen zur Datensicherheit werden zurzeit durch die Alliance festgelegt.

Rasche Fortschritte in Großbritannien

Das Smart-Meter-Programm in Großbritannien unter Federführung des Department of Energy & Climate Change (DECC) geht rasch voran. 2019 werden nach der flächendeckenden Einführung, die Ende 2014 beginnen soll, im gesamten Land intelligente Zähler mit Haushaltsdisplays (IHD) installiert sein. Mit den Echtzeit-Vergleichsinformationen können Haushalte ihren Energieverbrauch verwalten, Geld sparen und ihren CO 2-Ausstoß reduzieren.

Im Smart-Meter-Ansatz in Großbritannien werden Strom und Gas berücksichtigt. Die Verträge über Kommunikations- (CSP) und Datendienstleistung (DSP) werden bei der zentralen Data and Communications Company (DCC) liegen, die vom DECC eingerichtet wurde, um die Daten zu verwalten, die zu und von den Zählern über das Weitverkehrsnetzwerk (Wide Area Network - WAN) übertragen werden.

Die Smart Metering Equipment Technical Specifications (Smets) legen die Standards für Gas- und Stromzähler, die IHDs sowie für eine Kommunikationszentrale fest, um sicherzustellen, dass die Geräte die Daten in einem gleichmäßigen und sicheren Format über das Heimnetzwerk (Home Area Network, HAN) sowie das WAN übertragen. Für die WAN-Kommunikation wird GPRS bevorzugt, während man für die HAN-Kommunikation zur Auslesung der Gaszähler als auch IHD-Steuerung ZigBee bevorzugt.

Stichtag 1. Januar 2015 in Deutschland

Während sich die Smart-Meter-Programme vieler Länder noch in der Planungsphase befinden, haben andere schon mit dem Rollout begonnen. In Deutschland müssen aufgrund der Vorgaben des EnWG alle Kunden mit einem Verbrauch von mehr als 6000kWh, Neubauten oder PV-Anlagenbetreiber ab dem 1. Januar 2015 entsprechende Messeinrichtungen einbauen. Dies wäre ein Anteil von nur rund 15 Prozent aller Stromzähler. In Kombination mit der technischen und prozessbedingten Komplexität ist daher ein wirtschaftlicher Business-Case in Deutschland nach heutigem Stand kaum darstellbar und gefährdet die Umsetzung der EU-Richtlinie bis 2020.

Nur eine deutliche Reduzierung der Komplexität des Gesamtsystems wird zu einer umsetzbaren und wirtschaftlichen Smart-Meter-Lösung für Deutschland führen, die einen überzeugenden Business-Case für Industrie und Versorger ermöglicht und nicht zuletzt sicherstellt, dass die Verbraucher auch tatsächlich von den im EnWG beschriebenen Vorteilen profitieren. Um diese Ziele zu erreichen müssen alle Beteiligten - Industrie, Versorger und Politik - noch enger zusammenarbeiten.

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