Sauberes Trinkwasser ist für alle Menschen weltweit überlebenswichtig. Um Mikroverunreinigungen wie beispielsweise gesundheits- und umweltschädliche Steroidhormone effizient zu entfernen, eignen sich Membranen. Als besonders vielversprechendes Material dafür bieten sich vertikal ausgerichtete Kohlenstoff-Nanoröhren (Vertically aligned carbon nanotube – VaCNT) an.
„Dieses Material ist genial – mit winzigen Poren, die einen Durchmesser von 1,7 bis 3,3 nm, eine fast perfekte zylindrische Form und eine geringe Verwindung aufweisen“, erklärt Professorin Andrea Iris Schäfer, Leiterin des Institute for Advanced Membrane Technology (IAMT) des KIT. „Die Nanoröhren sollten eigentlich stark adsorbieren, weisen jedoch eine ganz geringe Reibung auf.“ Momentan sind die Poren für einen effektiven Rückhalt zu groß, kleiner sind sie technisch noch nicht machbar.
Wechselspiel der Kräfte
Warum VaCNT-Membranen hervorragend als Wasserfilter taugen, haben Forschende am IAMT nun anhand von Experimenten mit Steroid-Mikroverunreinigungen untersucht, und zwar mit Membranen, die am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Livermore (Kalifornien, USA) hergestellt wurden. Ergebnis der nun veröffentlichten Studie: Die geringe Adsorption der VaCNT, das heißt die Anlagerung an der Oberfläche, ist durchaus wünschenswert für hochselektive, auf ganz bestimmte Stoffe ausgerichtete Membranen.
Wie die Studie zeigt, hängt die Adsorption in Membran-Nanoporen nicht nur von der Adsorptionsoberfläche und der Begrenzung der Stoffübertragung, sondern auch vom Wechselspiel der hydrodynamischen Kräfte, der Reibung sowie der Anziehungs- und Abstoßungskräfte an der Flüssigkeit-Wand-Grenzfläche ab. Bei für Wasser sehr permeablen Nanoporen ist eine Interaktion wegen der geringen Reibung und der hohen Geschwindigkeit schwach. „Wenn die Moleküle nicht aufgrund ihrer Größe zurückgehalten werden, dann bestimmt oft die Interaktion mit dem Material, was passiert – die Moleküle hüpfen sozusagen durch die Membran, wie ein Kletterer an einer Wand hinaufsteigt. Dies ist einfacher, wenn es viele gute Griffe gibt“, erläutert Schäfer. Untersuchungen wie die nun vorgestellte helfen dabei, eine gezielte Gestaltung der Porengeometrie und der Porenoberflächenstruktur zu erreichen.
Zehn Jahre von der Idee zum Experiment
Entwickelt wurden die Membranen von Dr. Francesco Fornasiero und seinem Team am LLNL. Die Experimente mit Mikroverunreinigungen wurden am IAMT mit modernsten analytischen Experimenten durchgeführt und ausgewertet. „Von der Idee bis zur erfolgreichen Realisation der Studie, die in weiten Kreisen der Membrantechnologie mit Spannung erwartet wurde, hat es gut zehn Jahre gedauert“, berichtet Schäfer. Solche fast perfekten Membranen herzustellen ist extrem schwierig. Über größere Flächen, das heißt Flächen von vielen Quadratzentimetern, kommen oft Defekte vor, welche die Ergebnisse beeinflussen. In den vergangenen Jahren gelang es am LLNL, Membranen auf größeren Flächen zu fertigen. Währenddessen bauten die Forschenden am IAMT sehr kleine Systeme für Experimente, mit denen sie Spurenschadstoffe auf zwei Quadratzentimetern filtrieren können. „Downscaling ist extrem schwierig. So etwas gemeinsam zu schaffen ist ein Riesenerfolg“, erklärt Schäfer. „Nun warten wir gespannt auf die Entwicklung von Membranen mit noch kleineren Poren.“
Die Studie, die sich erstmals auf das Wechselspiel der hydrodynamischen Kräfte, der Reibung sowie der Anziehungs- und Abstoßungskräfte fokussiert, liefert grundlegende Erkenntnisse zur Wasseraufbereitung. Davon profitieren können vor allem Prozesse der Ultra- und Nanofiltration, wo Nanoporen die Filterung steuern.