Mechanische Belastungen Sensorfolie erhöht Wiederverwendbarkeit von Luft- und Raumfahrzeugen

Die Sensorfolie zur Messung von Materialbelastungen hat im „Innospace Masters“-Wettbewerb den zweiten Platz belegt.

Bild: Alexander Hilgarth, Universität Würzburg
11.08.2021

Mit einer Sensorfolie überwachen, wie gut Luft- und Raumfahrzeuge mechanischen Belastungen standhalten: Diese Idee haben Würzburger Forscher jetzt erfolgreich an den Start gebracht. Für ihre Entwicklung wurden sie in einem Wettbewerb der Deutschen Raumfahrtagentur ausgezeichnet.

Die Freude ist groß am Lehrstuhl für Informationstechnik für Luft- und Raumfahrt: Alexander Hilgarth und Prof. Sergio Montenegro waren im internationalen Wettbewerb „Innospace Masters“ erfolgreich. Sie gewannen einen zweiten Preis mit ihrer Idee für eine Sensorfolie, mit der die Bauteile von Luft- und Raumfahrzeugen beklebt und während des Flugs überwacht werden können. Die Auszeichnung ist mit einer Fördersumme von bis zu 400.000 Euro verknüpft.

Mit dem Geld wollen die beiden Forscher der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) die Sensorfolie nun für eine erste Anwendung reif machen. Dass ihre Idee grundsätzlich funktioniert, haben sie bereits in Vorstudien zeigen können.

Was bringt die Folie?

Die Sensorfolie dient letztlich dazu, den Wartungsaufwand in der Luft- und Raumfahrt zu verkleinern und die Wiederverwendbarkeit von Raumfahrzeugen wahrscheinlicher zu machen. „Nur die Wiederverwendbarkeit von Trägersystemen und Bauteilen stellt die Wirtschaftlichkeit sicher, um Raumfahrt im Sinne des ‚New Space‘ betreiben zu können“, erklärt Elektrotechniker Hilgarth. „Die mögliche Kostenersparnis wird aber derzeit noch durch einen hohen Wartungsaufwand begrenzt.“

Das Schlagwort „New Space“ beschreibt den Trend, dass auch private Unternehmen Raumfahrtaktivitäten entfalten – beispielsweise die Firma SpaceX von Elon Musk. Sie hat Ende 2020 im Auftrag der NASA mit einer Raumkapsel Astronauten erst zur internationalen Raumstation ISS und Monate später zur Erde zurückgebracht.

Außerdem kann die Sensorfolie Materialfehler aufdecken, die nur unter mechanischer Belastung auftreten, bei Kontrollen im Hangar aber verborgen bleiben. „Ein Beispiel dafür sind Risse, deren Bruchkanten sich im unbelasteten Zustand wieder perfekt ineinanderfügen“, sagt Hilgarth. Solche Fehler wurden zum Beispiel in Verbundmaterialien aus Kunststoffen beobachtet.

Echtzeitüberwachung wird möglich

Aktuell ist es nicht praktikabel, Luft- und Raumfahrzeuge im Flug mit einer umfassenden Installation von Messsonden zu überwachen. „Dafür ist die herkömmliche Messtechnik zu groß und zu schwer“, schildert Hilgarth. Mit der Sensorfolie Tomoplex („Tomographischer Plexus“) aus Würzburg könnte sich das ändern: Sie soll eine kontinuierliche Echtzeitüberwachung ermöglichen.

In der Folie kommen tomographische Messverfahren zum Einsatz, die in der Luft- und Raumfahrt bislang nicht üblich sind. Sie funktioniert dabei als Schaltungsträger für ein drahtloses Sensornetzwerk. Den JMU-Forschern zufolge ist Tomoplex platzsparend und flexibel und lässt sich auch an schwer zugänglichen Stellen von Luft- und Raumfahrzeugen anbringen.

Die Folgearbeiten für das Projekt wollen Hilgarth und Montenegro im Spätherbst 2021 starten. Abgeschlossen sein sollen sie nach zwei Jahren.

Es ist dabei nicht das erste Mal, dass das Team um die beiden Forscher bei der „Innospace Masters Challenge“ erfolgreich war: 2016 holte es den ersten Platz im Gesamtwettbewerb – mit einer Idee für einen drahtlosen Kleinsatelliten Skith („Skip the Harness“). Daraus entstand das Projekt „Innocube“, bei dem Montenegros Team gemeinsam mit der TU Braunschweig daran arbeitet, einen drahtlosen Kleinsatelliten in den Orbit zu bringen. Der Start ist hier für 2023 geplant.

Zum „Innospace Masters“-Wettbewerb

Der Wettbewerb „Innospace Masters“ stand diesmal unter dem Motto „Innovationen für nachhaltige Infrastrukturen – im Weltall und auf der Erde“. Er richtete sich an kleinere Unternehmen, Start-ups, Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen aus aller Welt.

Insgesamt haben 330 Teams aus 23 Ländern 126 Ideen eingereicht. In fünf Kategorien wurden am Ende insgesamt 15 Ideen ausgezeichnet. Die Preise wurden am 29. Juli 2021 bei einer Online-Konferenz verliehen.

Der Wettbewerb fand zum sechsten Mal statt. Veranstalter ist die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Der Wettbewerb ist Teil der Initiative „Innospace“, die seit 2013 Innovationen und Technologietransfers zwischen Raumfahrt und raumfahrtfremden Industriezweigen fördert.

Verwandte Artikel