Wie lässt sich der Betrieb von Kläranlagen kontinuierlich weiterentwickeln und verbessern? Vor dieser Fragestellung und Herausforderung standen Experten des Maschinen- und Anlagenbauers sowie Lösungsanbieters Gea. Mitte 2021 riefen sie das Intellicant-Projekt ins Leben. Zugute kam dabei das globale Kompetenznetzwerk von Gea. So arbeitete das Intellicant-Team in Oelde, Deutschland, eng mit den Fachabteilungen Automation und Smart Services sowie Process Technology & Innovation zusammen. Mit schnellem Erfolg.
Wo setzt das System an und welche Einsparungen sind möglich?
Das große Potential Gea Intellicant zeigt sich bei einem der letzten Prozessschritte einer Kläranlage, der Endentwässerung. Dabei wird dem Klärschlamm mit Dekanterzentrifugen möglichst viel Wasser entzogen. Was übrigbleibt, muss in vielen Fällen als Sondermüll in Monoverbrennungsanlagen entsorgt werden. Für jede Tonne, die da vom Hof fährt, müssen je nach Land und Kläranlage bis zu 150 Euro an Transport- und Entsorgungskosten gezahlt werden. Je geringer der Wasseranteil, desto geringer der Entsorgungsaufwand, desto geringer die Kosten. Ein automatisch optimal gesteuerter Dekanter spart also nicht nur manuelle Arbeit, sondern bares Geld. Dabei macht 1 Prozent mehr Trockensubstanz schon sehr viel aus: Nach der Entwässerung per Zentrifuge liegt die Trockensubstanz des Feststoffs je nach Produkt und Prozess der Kläranlage bei etwa 25 Prozent. Wenn diese 25 Prozent nur um einen Prozentpunkt auf 26 Prozent erhöht werden können, kann das für eine mittelgroße Kläranlage eine Einsparung von bis zu 135.000 Euro pro Jahr an Entsorgungskosten bedeuten – reine Entsorgungskosten.
Das Erfolgsrezept
Bereits weit vor 2021 gab es Ansätze zur automatischen Optimierung von Dekantern. Das Prinzip aber steht und fällt mit der Qualität der Sensordaten und der Möglichkeit, die Prozessparameter fortlaufend in Echtzeit und langfristig verlässlich zu analysieren. Jetzt ist die Sensortechnik so weit. Aber so wichtig das sensortechnische Know-how auch ist, ohne Prozessverständnis funktioniert es nicht. Denn die entscheidende Frage ist: Was geschieht mit den Sensordaten? Wie können Dekanter damit optimal eingestellt werden? Diese entscheidende Prozessintelligenz kommt jetzt von Gea – und Intellicant nutzt sie, um die Gea-Dekanter in Kläranlagen intelligenter zu machen. Daher auch der Name Gea Intellicant.
Ständige Anpassung an den passenden Betriebspunkt
Der Zulauf des Dekanters ist permanenten Änderungen unterworfen. So haben zum Beispiel die Parameter Temperatur, Niederschläge, Großereignisse und die Art des angesiedelten Gewerbes jeweils Einfluss auf die Zusammensetzung des Klärschlamms. Der Dekanter muss also im laufenden Betrieb immer wieder angepasst werden, um am optimalen Betriebspunkt zu arbeiten. Das bedarf täglich mehrerer Proben zur Überprüfung des wichtigsten Wertes: der Trockensubstanz des sogenannten Feststoffs. Jedoch liegt der Wert jeweils erst nach einer halben Stunde vor. Zeigt dieser, dass die Regelung des Dekanters optimiert werden muss, hat man diese Zeit leider aus wirtschaftlicher Sicht bereits verloren. Gea Intellicant bildet die Überprüfung deutlich engmaschiger ab, mit einer Echtzeitüberwachung des Prozesses – jede Sekunde ist quasi ein Datenpunkt.
Was steckt hinter Gea Intellicant?
Gea Intellicant besteht aus einem Sensor Package und einer Software, dem „Virtual Operator". Das Sensor Package überwacht drei entscheidende Prozessparameter in Echtzeit: die Feststoffkonzentration des Zulaufs, die Trübung des Zentrats und die Trockensubstanz des Feststoffs. Diese Sensordaten werden per lokaler Netzwerkverbindung an den Virtual Operator übertragen. Die Software kommuniziert mir der vorhandenen Anlagensteuerung des Dekanters und reagiert automatisch und intelligent auf die eingehenden Daten.
Am Anfang steht das Upgrade des vorhandenen Gea-Dekanters. Die Kosten für das Sensorpaket, die Installation und die initiale Einrichtung variieren je nach Aufwand und Bedarf an Sensorik. Allerdings können sich diese Investitionen in den meisten Fällen bereits innerhalb der ersten Jahre nach Inbetriebnahme des Systems amortisieren. Weitere Effekte, wie beispielsweise die deutliche Arbeitserleichterung für das Personal, sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Eine Antwort auf Fachkräftemangel
Es ist zu beobachten, dass Personal, das den Prozess kennt und die Maschine wirklich bedienen kann, immer knapper wird. Aufgrund der dünnen Personaldecke stehen diese raren Fachkräfte nicht nur am Dekanter, sondern erledigen auch andere wichtige Arbeiten. So kommt es leicht zu Personalengpässen – die sich aber mit Gea Intellicant deutlich entspannen lassen.
Für noch mehr Transparenz sorgen monatliche Berichte. Diesen ist zu entnehmen, was die Steuerung des Dekanters mit Gea Intellicant in der Prozessperformance und bei den Kosten bewirkt. Zudem können Einflussfaktoren wie zum Beispiel interne Umbauarbeiten, für die der Dekanter abgestellt werden musste, oder erhöhte Niederschläge identifiziert werden.
Das ganze Optimierungspotenzial fasst Christian Schramm, Product Manager Commercial for Digital Products bei Gea, so zusammen: „Gea Intellicant ist eine neue Ära der Effizienz im Schlammbehandlungsprozess durch Überwachung, Automatisierung und Optimierung von Dekantern. Diese Technologie macht sich schnell bezahlt. Wenn ein Dekanter über einen längeren Zeitraum nicht optimal betrieben wird, ist das deutlich kostspieliger als die Anschaffung von Gea Intellicant.“