Der Wettbewerb wird härter, die Kunden sind anspruchsvoller geworden. Was das für Folgen hat, kann man gut am Beispiel Automobilmarkt sehen: In immer rascherer Folge werfen die Automobilhersteller neue Modelle auf den Markt. Noch vor kurzem hatten die Firmen bis zu sieben Jahre Zeit, eine neues Fahrzeugmodell und die dazu passende Fertigungslinie zu entwickeln. Innerhalb der letzten 15 Jahre hat sich die Entwicklungszeit halbiert. Entsprechend hat sich auch die „Halbwertzeit“ von Fahrzeugmodellen verringert. Die Folge für die Hersteller: Immer mehr Modelle in ungeahnt vielen Varianten werden auf einer relativ kleinen Anzahl von Fertigungslinien gebaut. Heute wird auf ein und derselben Fertigungslinie das „alte“ Modell gebaut und gleichzeitig schon die neue Modellreihe, die es in ein paar Jahren ganz ablösen wird.
Man muss sich eine Fertigungslinie als eine Verkettung vieler Einzelmodule vorstellen. Jedes Modul benötigt Energie und kommuniziert mit der Fertigungssteuerung. Außerdem kommunizieren die Module untereinander. Damit sie sich bei einem Umbau flexibel tauschen lassen, müssen die Verbindungen lösbar sein. Steckverbinder sind dabei die beste Alternative zum Festanschluss und verkürzen die Rüstzeiten. Weil jedes Modul aufgrund verschiedener Komponenten andere Anschlüsse benötigt, sollten die Steckverbinder individuell bestückbar sein. Sie müssen das Nebeneinander von Energieversorgung und Datenverkehr zuverlässig und störungsfrei bewältigen und müssen auch nach tausenden von Steckvorgängen immer noch mechanisch stabil und elektrisch integer sein.
Roboter lernen sehen
Zahllose Sensoren dienten bislang der Automatisierung als „Sinnesorgane“. Hier vollzieht sich derzeit ein dramatischer Wechsel. „Waren bislang bei der Türenmontage eine Vielzahl von Sensoren notwendig, erledigen das heute wenige 3D-Kameras oder 3D-Laserscanner. Eine Riesenvereinfachung für die Montage und Verdrahtung solcher Fertigungsmodule, aber eine Herausforderung an die Steckverbinder“, so Manfred Müller. Riesige Datenmengen müssen bei der Auswertung der Kamerabilder transportiert werden und dies mit hohen Übertragungsraten, um echtzeitfähig zu sein. Damit rückt ein altbekannter Übertragungsstandard wieder ins Zentrum des Interesses der Ingenieure: Ethernet.
Der Übertragungsstandard Gigabit-Ethernet setzt sich bei der Erfassung der Bilddaten durch. Gegenwärtig reden ist noch von 1 GBit/s Übertragungsrate die Rede, angepeilt sind 10 GBit/s. Heute werden Türen und Klappen am bewegten Fahrzeug von Robotern montiert, in einer Positionierungsgenauigkeit die bislang nahezu unerreicht war. Möglich macht dies intelligente Bildverarbeitung. Auch die Radmontage erfolgt am bewegten Fahrzeug. Dabei weisen 3D-Laserscanner dem Montageroboter den Weg. Die Roboter holen sich je nach Montageaufgabe ihre Werkzeuge von einer Docking-Station. Steckverbinder in schwimmender Bauform sind hier vonnöten, damit sich Stecker und Buchse automatisch finden. Beim Wechsel geht es bisweilen auch mal ruppig zu. Die Steckverbinder müssen das aushalten und dürfen auch nach tausenden von Wechseln nicht an elektrischen Eigenschaften nachlassen. Es sind künftig also Verkabelungssysteme und Steckverbinder gefragt, die auch in der rauen Fabrikumgebung störungsfreien Betrieb garantieren.
Sind Normen noch zeitgemäß?
Seit knapp hundert Jahren sorgen Normungseinrichtungen wie DIN oder ISO für Ordnung in der Technik. Normen erleichtern das Miteinander an einem Projekt beteiligter Unternehmen ganz wesentlich. Wenn zahlreiche, spezialisierte Zulieferbetriebe ihre Komponenten beisteuern, verlangt dies nach einer gewissen Standardisierung der Steckverbinder. Hier warnt Manfred Müller: „Bei genormten Steckverbindern ist die Kompatibilität zwar ein Muss, sie ist aber immer sehr kritisch zu hinterfragen. Ein mechanisch kompatibler Steckverbinder (und als solcher auch deklariert) ist nicht unbedingt auch nach elektrischen Gesichtspunkten kompatibel. Wird dieser Punkt nicht genau abgeklärt, kann es während des Betriebs unverhofft zu Produktionsfehlern und Ausfällen, im schlimmsten Fall sogar zu einem Hallenbrand kommen.“
Die Industrie, ständig getrieben von der Beschleunigung und der Verpflichtung zur Exzellenz, ist oft schneller als die Normungsprozesse. „Nehmen wir einmal das Beispiel der Primärkreis-Steckverbinder für Schweißtransformatoren nach ISO 10656. Unsere Steckverbinder-Serien TSB150 und TSS150 folgten bis 2010 dem weltweiten Industriestandard. Die Bestrebungen gingen aber in Richtung einer einfachen, gewichtsreduzierten, montagefreundlichen Lösung, was aber unvereinbar mit der bestehenden Norm war. So entstand ein neuer Primärkreis-Steckverbinder für Roboterpunktschweißzangen, ebenfalls Steckanschluss für Schweißtransformatoren, der RobiFix“, so Manfred Müller. Diese neue Bauform hat sich seit 2013 als neuer Quasi-Standard für die Roboterschweißzangen etabliert und gilt somit als gesetzt für Schweißtransformatorenhersteller weltweit, auch wenn sie nicht der ISO10656 entspricht. Namhafte Automobilhersteller geben inzwischen bei ihren Ausschreibungen diesen Steckverbinder vor. Eine erneute Normierung ist bisher nicht mehr angedacht. Der evolutionäre Veränderungsprozess in der Industrie verlässt immer öfter den offiziellen Rahmen der Normen und kommt zu eigenen Standards.
Miniaturisierung auf dem Vormarsch
Computer-Intelligenz wandert mehr und mehr aus den Schaltschränken an die Peripherie. Der Roboterarm trägt heute nicht nur das Werkzeug, sondern auch die erforderlichen Mess-Systeme. Die bewegten Massen klein zu halten, ist dabei ein ständiges Ziel der Automatisierer. Das fördert den folgenden Trend bei Steckverbindern: Sie werden immer kleiner. „In der Vergangenheit konnte eine üppige Material- und Dimensionsreserve eingerechnet werden, was teilweise auch Mehrgewicht, eine gewisse Überdimensionierung mit sich brachte und im Betrieb einen Mehrverbrauch an Energie nach sich zog. Das kann sich heute kein Betrieb mehr leisten“, schätzt Manfred Müller ein.
Mit zunehmender Miniaturisierung stellt sich aber die Frage der Konfektionierbarkeit. Bei der Montage vor Ort werden Steckverbinder oft von Hilfskräften montiert. Daher ist es wichtig, dass gewährleistet ist, dass auch Leute ohne Fachausbildung Kabel konfektionieren können, ohne dass die elektrische Qualität leidet. Wer heute einen Steckverbinder liefert, muss sich schon früh Gedanken um die Montagefreundlichkeit machen und die entsprechenden Werkzeuge für Konfektionierung und Endmontage bereitstellen.
Inzwischen interessiert sich die Industrie auch dafür, welche Materialien in den Steckverbindern verwendet werden. Die Schonung der Ressourcen, die Sicherheit des Personals und die gefahrlose Entsorgung sind Themen, die bei Beschaffungsprozessen immer mehr in den Mittelpunkt rücken. So befürwortet Multi-Contact das Vorgehen, bei Neuentwicklungen zum Beispiel auf Beryllium zu verzichten – wo immer dies technisch vertretbar ist.
Smart Connectors weltweit
Auch wenn der Kunde eines Steckverbinderherstellers in der Nachbarschaft angesiedelt ist, ist bei der Produktgestaltung die Internationalisierung zu beachten. Die Kunden nehmen ihren Lieferanten mit um den Globus. Das wirft nicht nur Fragen der unterschiedlichen Klimabelastungen auf, sondern auch die der unterschiedlichen Kulturen. Dazu Manfred Müller: „Neue Produkte werden heute nicht mehr für überschaubaren, regionalen Einsatz konstruiert und gefertigt, sondern nahezu ausschließlich für den globalen Einsatz, in allen Kontinenten verfügbar und einsetzbar. Der Steckverbinder muss für seinen Einsatz gut vorbereitet sein und nahezu selbsterklärend zu seinem Einsatz kommen. Das sind große Herausforderungen für den Steckverbinder-Hersteller in der Produktentwicklung, Zertifizierung, Logistik, Dokumentation, Vertrieb und Service.“
Dieser Gedanke mündet in einen weiteren Trend, der große Veränderungen nach sich ziehen wird: Es geht um „intelligente“ Steckverbinder, neudeutsch „Smart Connectors“. Im Steckverbinder eingebaute Elektronik wird helfen, flexibel auf die angeschlossenen Komponenten zu reagieren und steckbare Verbindungen sicherer zu machen.