Großkonzerne haben es leicht. Egal, was ansteht - es gibt immer den richtigen Fachmann für jedes Problem. Meint man. Doch ganz so leicht ist die stete Weiterentwicklung von Produkten und Services nicht. Neue Spitzenspieler werden immer mit Begeisterung ins Team geholt. Dr. Holger von Both zum Beispiel, der seit rund einem Jahr dabei ist. Mit der Erfahrung bei Mittelständlern, wo er unter anderem die Entwicklung von Anlagen zur automatisierten Fertigung von Zahnersatz verantwortete, trat er als Leiter Forschung & Entwicklung bei Siemens Process Instrumentation an. Als Neuer gerät er ins Schwärmen, wenn er über jüngst abgeschlossene Entwicklungsprojekte spricht. Die seien in "sehr schöne Produkte gemündet - und das ist das Ergebnis der Zusammenarbeit im globalen Siemens-Netzwerk", so von Both. Beispiele für die neue Fruchtbarkeit des Innovations-motors? Von Both kann aus nahezu jeder Disziplin der Prozess-instrumentierung eines nennen. Coriolis- und Druck-Messgeräte, Ultraschall, Radar-Füllstandmessung - bei allen Neu- oder Weiterentwicklungen beweise das Unternehmen seine Leistungsfähigkeit (s. Interview nächste Seite).
Verbesserungsmöglichkeiten gibt es immer. Von Both plant, das, was er bisher als vorteilhaft erlebt hat, künftig stärker zu realisieren. "Ich sehe große Chancen, noch effizienter und flotter zu werden", so der F&E-Leiter. Es gehe darum, Abläufe so Maß zu schneidern, dass sie die Kundenanforderungen optimal umsetzen. "Die Wünsche aus den Märkten fließen unmittelbar in die Entwicklung ein", erläutert Both, schränkt aber ein: "Es ist unmöglich, alle in einem Produkt zu vereinen; es geht immer darum, einen Kompromiss zu finden, sodass das Produkt zu den Kunden-anforderungen und zu unserem Portfolio passt."
Matchball sozusagen. Dazu gehört neben Geschwindigkeit auch Treffsicherheit. Selten geht es "nur" um präzisere technische Daten. Von Both nennt Stabilität, Verlässlichkeit, Ease of Use und dahinter die Erwartungen nach optimaler Verfügbarkeit und Minimierung der Total Cost of Ownership. Ein weiterer Punkt sind unterschiedliche regionale Anforderungen an die Leistungsfähigkeit. Niedrige Betriebskosten und schnelle Inbetriebnahme sind europäische Erwartungen. In Asien wird das für die Aufgabe geeignete, günstigste Produkt gesucht; Life-Cycle-Kosten spielen eine untergeordnete Rolle.
Gerade die Betrachtung des Lebenszyklus gewinnt an Bedeutung. "Und der beginnt ja nicht mit der Erhaltung der Anlage, sondern mit der Planung", so Dr. Ralf Huck, Leiter des Subsegments Druck/Temperatur und Stellungsregler: "Siemens verfügt über eine hervorragende Tool-Landschaft, an-gefangen beim Engineering-System -Comos, das Planungsdaten bidirektional an das Prozessleitsystem PCS 7 überspielt." In Verbindung mit dem PIA Selector zur Auswahl von Pro-dukten werde so eine hohe Datenkonsistenz und damit Parallelisierung der Prozesse ermöglicht. "Anlagen sind so schneller im produzierenden Zustand; davon profitiert der Kunde immens."
Schnellstart für den optimalen Aufschlag
Auch die europäische Erwartung "Ease of Use" erfüllt Siemens sukzessive. Bei den frisch eingeführten Produkten ist dies realisiert. Sind die Hausaufgaben gemacht, besitzt die komplette Familie der Prozessinstrumentierung gleiches Look and Feel und Bedienabläufe. Doch Ease of Use beschränkt sich nicht auf identische Anzeigen. Quickstart-Routinen, die die Inbetriebnahme als wesentlichen Kostenbestandteil verkürzen, sind ebenfalls Teil des Konzepts. "Am Stellungsregler Sipart PS2 zeigt sich das eindrucksvoll", so Huck. Da gibt es automatisierte Routinen, die dafür sorgen, dass sich der Stellungsregler an die unterschiedlichsten Ventile adaptiert und darüber hinaus eine präventive Wartung durchgeführt werden kann."
Quickstart-Menüs gibt es auch bei den neusten Druckmess-umformern, dem Ultraschall-Messumformer LUT400 und den aktuellen Coriolis-Messgeräten. Das neueste Modell Si-trans FC430 ist zudem besonders kompakt. Und es hat weitere Qualitäten: eine Genauigkeit von 0,1 Prozent, geringen Druckverlust und einen extrem stabilen Nullpunkt. Auch der benutzerfreundliche Zugriff auf Gerätedaten und Prüfprotokolle reduziert die Life-Cycle-Kosten. Damit "Ease of Use" nicht erst beim Kunden ausprobiert wird, testen von Boths Mitarbeiter im eigenen Entwicklungsumfeld ausführlich - selbst das Zusammenspiel mit Prozessleitsystemen anderer Anbieter. Geräte-treiber-Standards wie EDDL und auch FDI treibt Siemens aktiv mit voran - "auch, um die Investitionen zu schützen, die unsere Kunden in Feldbustechnik, Treiber und Bediensysteme getätigt haben."
Die entstandenen Innovationen können sich sehen lassen. Die neue Temperatursensor-Familie etwa, die sich durch eine deutlich größere Varianz als frühere Angebote auszeichnet. So wird die modulare Sitrans-TS500-Linie einer Vielzahl von prozesstechnischen Anordnungen gerecht. "Die eigentliche He-rausforderung bei dieser Variantenbreite ist, dass der Kunde schnell die für ihn geeignete Messsystem-Ausführung finden muss", so Huck. "Also den richtigen Sensor, Prozessanschluss, Material, Zulassung, den geeigneten Messumformer, das richtige Display." Eine größere Variantenbreite, aber eine geringere Komplexität - da ist F&E-Fleiß gepaart mit einer intelligenten Entwicklungsstrategie gefragt.
Huck: "Wir haben viel Wert darauf gelegt, diese Produkte leicht verständlich in unseren Kundeninformationssystemen abzubilden. Jetzt können sich die Kunden schnell über die unterschiedlichen Varianten informieren und die vollständige Integration im TIA Life Cycle Portal unterstützt den Kunden zusätzlich bei der Auswahl."
"Es gelingt uns immer öfter, die Grenzen der Physik neu auszuloten", so Huck. "Ein herausragendes Beispiel ist der Si-trans P500." Bei dem Differenzdruckmesser wurde eine Reaktionszeit (T63) von 88 ms realisiert. Die Kennlinienabweichung liegt bei 0,03 Prozent, bis zu einem Turndown-Verhältnis von 10:1. Da somit eine Messzelle für verschiedene Messbereiche eingesetzt werden kann, ohne Genauigkeitseinbußen hinnehmen zu müssen, können Lagerkosten reduziert werden. Die hohe Langzeitstabilität ermöglicht die Ausdehnung von Kali-brierungszyklen und senkt somit die "Total cost of Ownership". Der Messumformer kann zudem für Medientemperaturen von bis zu 125 °C ohne Druckmittlersysteme eingesetzt werden.
Rascher Wiederaufbau in Marl
Dass die Sitrans-P-Familie leistet, was der Markt erwartet, stellte sie bereits in einer spektakulären Anwendung unter Beweis: in der CDT-Anlage (CDT = Cyclododecatrien), die im März 2012 in Marl durch einen Brand stark geschädigt worden war. 150 Druckmessumformer Sitrans P DSIII sind in der inzwischen wieder aufgebauten Anlage im Einsatz. Der Zeitdruck bis zur Wiederinbetriebnahme im Dezember war allerdings extrem - und erforderte äußerst enge Zusammenarbeit zwischen Anwender und Lieferant. Evonik-Einkäufer Dr. Stefan Bernhard schreibt Siemens einen entscheidenden Beitrag zum raschen Wiederaufbau zu. Und Roland Josler, Leiter EMR in Marl lobt den schnellen Einsatz der Siemens-Mitarbeiter für die Applikationsberatung. Sicherlich: Die Produkt-Features müssen stimmen - doch ohne eine Top-Beratung des Gerätelieferanten hätten sie Evonik wohl nicht ausgereicht. Lieferanten wie Siemens, die sich als Komplett-anbieter verstehen, setzen auch hier Benchmarks - und zeigen, dass sie alles wissen, was für optimale Markt- und Kundenbetreuung nötig ist.